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Spiele-Feuilletons: „Mehr Geist, bitte!“

Klassische Games-Hefte kriseln. Das neue Magazin „WASD“ könnte frischen Wind in die Szene bringen.

Die Regale sind voll damit. „PC Games“, „Computer Bild Spiele“ oder „GameStar“. Spielezeitschriften gibt es viele, und sie alle stecken in einer tiefen (Sinn-)Krise. Die Hefte mit ihren etablierten Kritik-Formaten bewegen immer weniger Leser zum Kauf. In den letzten fünf Jahren hat sich die Auflage der Spielejournale mehr als halbiert. Das neue Magazin „WASD“ könnte frischen Wind in die Szene bringen. „Wir wollten ein Computerspiel-Heft machen, das ohne Prozentwertungen daherkommt, ohne Tabellen, ohne Stiftung-Warentest-Attitüde“, sagte Chefredakteur Christian Schiffer.

Der Zeitschriften-Name „WASD“ steht für die vier Tasten, mit denen sich Figuren in vielen Computerspielen steuern lassen. Die „WASD“ ist ein Zwitter, halb Buch und halb Magazin. Es erscheint in einer kleinen Auflage von 2000 Exemplaren, hat die Größe eines Taschenbuchs und das Layout einer Zeitschrift. Marktführer unter den Spielezeitschriften ist „Computer Bild Spiele“. Von dem Heft, das seit 1999 monatlich erscheint, wurden im vergangenen Jahr im Schnitt 200 000 Exemplare für 3,50 Euro verkauft.

Mit 14,50 Euro ist die „WASD“ deutlich teurer. Dafür dürfen die Autoren ihre Artikel auf bis zu zehn Seiten ausbreiten. Einer von ihnen ist Christian Schmidt. Der frühere Vize-Chefredakteur der „GameStar“ forderte vergangenes Jahr auf „Spiegel Online“ in einer Generalkritik „Mehr Geist, bitte, liebe Games-Tester“. Jetzt eröffnet sein Text „Der Mist geht nicht“ den Themenschwerpunkt „Tasty Trash“. Schmidt plädiert dafür, schräge Spiele als Unterhaltungsgut zu feiern. Mit B-Movies geht das bereits seit Jahren. Ob sie nun gut oder schlecht sind: Computer- und Videospiele werden bisher nur selten als Kulturgut begriffen. In den Feuilletons der Tages- und Wochenzeitungen sind sie kaum präsent. Dabei bieten sie viele Themen: Wie hat sich die Darstellung von Computerspielen in Kinofilmen geändert, warum sollte man sich in die Untiefen der App-Stores begeben und was passiert, wenn man Videospiele in die Realität überträgt? Fragen, auf die „WASD“ Antworten geben will.

Das Heft entwickelte der Münchner Journalist Christian Schiffer gemeinsam mit einigen Freunden. Die erste Ausgabe finanzierte er aus eigener Tasche. Ein wirtschaftliches Wagnis. Dabei richtet sich „WASD“ nicht nur an Fachleute. Die mit ironischer Distanz verfassten Texte sind auch für Laien verständlich. „WASD“ könnte für den Spielejournalismus das sein, was „11 Freunde“ für den Fußball- und „Brand Eins“ für den Wirtschaftsjournalismus ist. Ein Fachblatt, das mit seinen Texten auch ein fachfremdes Publikum erreicht. Einen Markt gibt es offensichtlich. In der ersten Woche wurden 600 der 2000 Exemplare verkauft. Jeder fünfte Käufer zahlte für das Heft den erhöhten Förderpreis von 19,90 Euro. Damit sei der Fortbestand des Magazins zunächst gesichert, sagt Schiffer. Die nächste Ausgabe erscheint Anfang Dezember. Danach soll es im Halbjahresrhythmus weitergehen.

Dass sich das Heft dauerhaft am Kiosk etabliert, glaubt Schiffer nicht: „Die Gewinnspanne ist sehr klein. Beim Kioskverkauf muss man hohe Rabatte anbieten, dass man mit jedem Exemplar Verlust machen würde.“ Er wolle stattdessen künftig ein Abo anbieten.

Die Grundidee hinter „WASD“ ist nicht ganz neu. Bereits vor neun Jahren startete das deutsche Spielemagazin „Gee“ mit dem sehr ähnlichem Ansatz, die Spiele inhaltlich, künstlerisch und in soziologischer Hinsicht zu betrachten. Das Konzept des monatlich erscheinenden gedruckten Magazins ging allerdings nicht auf. Vor gut zwei Jahren sank das Anzeigenaufkommen dramatisch, erzählt Chefredakteur Moses Grohé. Seit Anfang 2011 heißt das Magazin nun „Gee Display“ und wird als iPad-App verkauft. Alle drei Monate gelangt quasi als „Best of“ noch eine gedruckte „Gee“ an den Kiosk.

Die aktuelle Ausgabe von „Gee Display“ (Nummer 9) wird im iPad-Zeitungskiosk als kostenlose Probenummer angeboten. Sonst kostet das rund 100 Seiten starke iPad-Magazin 2,99 Euro, die dreimonatliche gedruckte „Gee“-Ausgabe wird für 3,99 Euro verkauft.

Die Arbeit, die damals auf gut einem Dutzend Schultern lag, muss nun von vier Mitarbeitern geleistet werden. Der Umfang wurde entsprechend reduziert, die Ausrichtung aber beibehalten. Ein Runterbeten technischer Features gibt es in „Gee Display“ nicht, genauso wenig wie die sonst häufig vorherrschende Schwärmerei für opulente Grafiken, und auf ein Bewertungssystem à la „Computer Bild Spiele“ wird ebenfalls nach wie vor verzichtet. Trotzdem – oder auch auch genau deshalb – weiß der Leser am Ende, was ihn in dem Titel erwartet. Oder anders gesagt: bei welchen der vielen angekündigten Spielen es sich wirklich lohnt, sie sehnsüchtig zu erwarten.

„Wir wollen immer auch die Geschichte um das Spiel herum erzählen“, sagt „Gee“-Chefredakteur Moses Grohé. „Aber vor allem fragen wir danach, was ein Game mit dem Spieler macht und mit der Gesellschaft.“

Die „Gee“ funktioniert nach dem Prinzip: Von Spiele-Süchtigen für Spiele-Freunde. Ein Game wird nicht vorgestellt, weil es der kommende Blockbuster sein wird, sondern weil sich ein Autor dafür begeistert. So wie sich Moses Grohé aktuell von dem Titel „Botanicula“ in die abenteuerliche Welt der Natur – hier dargestellt durch handgemalte Bilder – hat entführen lassen. Das Spiel hat beinahe kontemplativen Charakter.

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