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Ein dunkles Geheimnis umgibt die Eheleute Freya (Susanne Bormann) und Malte (Ulrich Brandhoff).

© ZDF und Boris Laewen

Routinierte Routinen: Vom täglich grüßenden Murmeltier zu „Another Monday“

Eine ZDFneo-Serie schickt drei Norddeutsche in eine Zeitschleife. Das ist thematisch gebraucht, aber trotzdem erfrischend.

Gewohnheiten sind Gift und Gegengift langjähriger Beziehungen zugleich. Aber wenn Freya morgens am Frühstückstisch sitzt, stellt ihr Mann Malte wie jeden Montag das Radio auf Dudelfunk, haut sich mit gleicher Routine wie jeden Montag Eier in die Pfanne, redet wie jeden Montag ulkig mit Tochter Charlie, empfängt wie jeden Montag Patienten seiner psychiatrischen Praxis im Erdgeschoss des wohlsortierten Einfamilienhauses – und Freyas Gesicht verrät dem Publikum gleich zu Beginn der Neo-Serie „Another Monday“, ob sie all das heilsam oder toxisch findet.

Definitiv letzteres. Schon deshalb sucht die Anfangsvierzigerin das Weite. Genauer: Italien. Mit einem Koffer Habseligkeiten nimmt sie Auto, Hund, allen Mut zusammen und fährt auf Nimmerwiedersehen zu ihrem Lover nach Turin. Soweit der Plan. Denn zwölf Serienminuten später steht Freya zwar vor dessen Haustür, rauscht aber noch bevor er öffnet in die vorige Nacht zurück, wo sie um Punkt 2 Uhr 13 wie 24 Stunden zuvor pflichtschuldigen Sex mit Malte hat und morgens drauf beim Frühstück sitzt, wo alles wieder von vorne beginnt.

Zeitschleife nennt sich die magische Versuchsanordnung, bei der Film- und Fernsehprotagonisten ein und denselben Tag ständig aufs Neue erleben. Die berühmteste ist zweifellos „Und täglich grüßt das Murmeltier“ von 1993, die deutscheste „Lola rennt“ von Tom Tykwer fünf Jahre später, die jüngste der Sky-Achtteiler „The Lazarus Project“ vom September, das heute jedoch von sechs Folgen des Neoriginals „Another Monday“ abgelöst wird und damit buchstäblich zum nächsten Wiederholungsfall unter Generalverdacht: alles schon mal dagewesen, also alles nur billig kopiert?

Zunächst nämlich scheint die Alltagsdopplung von Freya (Susanne Bormann), die ohnehin im Familiengefängnis von Mann (Ulrich Brandhoff), Teeny (Emilie Neumeister) und norddeutscher Tiefebene (Wesermarsch) gefangen ist, dem Genre zwar keine neuen Facetten abzuringen. Doch anders als Bill Murrays Wetterfrosch Phil trifft Freya bald auf Leidensgenossen.

Nachts die Geburt, morgens hochschwanger

Etwa Maltes Patient Moritz (Ben Münchow), der sich Abend für Abend vom Hochhaus stürzt und danach tot im Krankenhaus von Pflegerin Sophie (Alina Stiegler) liegt, die Nacht für Nacht ihr Baby kriegt und dennoch Morgen für Morgen hochschwanger erwacht. Nach zögerlicher Aufwärmphase machen sich alle gemeinsam auf die Suche nach Gründen des repetitiven Montags. Und sie finden dabei nicht nur wechselnde Erklärungen von Schlaflosigkeit bis Todesangst; nach und nach tauchen weitere Opfer des gerissenen Raum-Zeit-Kontinuums im Umkreis der Betroffenen auf.

Alles sehr seltsam, wie gesagt, alles auf surreale Art komplex. Und immer dann, wenn die Atmosphäre ein bisschen tragisch gerät oder die Musik ein wenig dramatisch, beginnt das Konstrukt im Zwielicht urwüchsiger Landschaften (Kamera: Falko Lachmund) abseits aller Wahrscheinlichkeit auch leicht zu nerven.

Nach Drehbüchern von Maximilian Baumgartner und Oliwia Strazewski allerdings stauben die Regisseure Nathan Nill und Esther Bialas das abgedroschene Rahmenthema so sorgsam ab, dass vorhersagbare Mystery-Effekte nicht weiter stören. Verantwortlich dafür sind vor allem die Darsteller, besonders das ewige Nachwuchstalent Ben Münchow.

Sein suizidgefährdeter Polizist Moritz stammelt sich mit einer naturalistischen Glaubwürdigkeit durchs Detektivspiel der eigenen Psychoanalyse, als gäbe es keine Textvorgaben. „Komm doch nachher vorbei, lass uns bisschen quatschen“, sagt ein Kollege, als er Moritz herumirren sieht. „Ich glaub, ich red‘ schon genug“, antwortet der, bricht mit sechs Worten ein knappes Dutzend Fernsehunterhaltungsregeln von fehlerloser Eloquenz bis unbedingte Dialogbereitschaft, und diese Präzision von Skript plus Vortrag prägt nahezu jedes Gespräch der dialoglastigen 300 Minuten TV-Entertainment.

Es hat also seine Schwächen. Sie sind aber selten genug, um den fesselnden Flow der Geschichte dahinter nie voll abzubremsen. Gewohnheiten, so lernen wir daraus, sind eben immer noch besser als Doppelungen. Und das gilt für „Another Monday“ im Ganzen – der neue Weg eines gebrauchten Themas mit frischem Wind, und dann sogar auf Deutsch. Fortsetzung erwünscht.

„Another Monday“, Dienstag und Mittwoch in Dreierfolgen ab 20 Uhr 15 bei ZDFneo

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