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Prinzessin Anne gilt als aufmerksam und praktisch veranlagt. Sie nimmt viele Termine fürs Königshaus wahr.

© Peter Cziborra/Reuters

Britische Monarchie: Die Mütter der Nation

Mit den Herzoginnen Catherine und Camilla sowie Prinzessin Anne wächst im Königshaus die Bedeutung der Frauen – allen männlichen Thronfolgern zum Trotz.

Als Königin Victoria 1897 ihr 60. Thronjubiläum beging, standen drei Generationen zu ihrer Nachfolge bereit: Ihr Sohn Bertie, der spätere Edward VII. (1901-10); ihr Enkel George, der als George V. das Königreich durch den Ersten Weltkrieg führte; schließlich ihre Urenkel, die Prinzen Edward, der spätere Kurzzeit-König Edward VIII. (1936), und Albert, der die Monarchie als Georg VI. nach der Abdankung seines älteren Bruders stabilisierte.

In dieser Woche bejubeln die Briten ihre jetzige Queen Elizabeth II. und deren beinahe sagenhaften 70 Jahre auf dem Thron. Wie vor 125 Jahren feiern auch diesmal drei Nachfolge-Generationen mit. Und wie damals steht der britischen Monarchie, wenn sie es intakt durchs 21. Jahrhundert schafft, eine lange Reihe männlicher Monarchen ins Haus.

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Nie hat Elizabeths Sohn Charles, 73, einen Zweifel an seinem Thronanspruch zugelassen, nie hat dessen älterer Sohn William entsprechende Gedanken geäußert. Ob der knapp 40-Jährige dereinst seinen Ruhestand als König Emeritus plant oder doch, wie seine Großmutter, in Amt und Würden sterben will – für die Nachfolge stehen drei Kinder bereit, allen voran der achtjährige Erbprinz George.

Eine männlich geprägt Monarchie

Eine männlich geprägte Monarchie also, womöglich sogar bis ins 22. Jahrhundert, wie die Historikerin Suzannah Lipscomb mit etwas bedenklichem Unterton feststellt.

Dabei habe zum Erfolg der Queen und dem weltweiten Ansehen der Monarchie „natürlich ihr persönlicher Charakter, aber doch auch ihr Geschlecht“ beigetragen. Umso wichtiger erscheint es dieser Logik zufolge, bei den Feiern selbst und der bevorstehenden Nachfolge die royalen Frauen auch öffentlich stärker ins Spiel zu bringen.

Camilla, Herzogin von Cornwall und Frau von Prinz Charles, gilt als charmant, diskret und geduldig.

© Chris Jackson/PA Wire/dpa

Das Prinzip der männlichen Nachfolge (primogeniture) wurde immerhin schon 2013 abgeschafft, allerdings zu spät für Charles’ Schwester Anne, die als Thronprätendentin von ihren jüngeren Brüdern Andrew und Edward sowie deren Nachfahren überholt wurde.

Die heute 71-Jährige reagierte pragmatisch, richtete sich im Schatten der Brüder ein und verzichtete für ihre Kinder auf den Titel der „Königlichen Hoheit“. Seit vielen Jahren führt sie die Rangliste jener Termine an, welche die Royals für Wohlfahrtsorganisationen wahrnehmen und diesen dadurch Glamour verleihen.

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Die Prinzessin sei wie ihr Vater Philip „forsch, aufmerksam und praktisch veranlagt“, hat „Times“-Kolumnistin Libby Purves beobachtet und bedauert, dass die mittlerweile nur noch 17. der Thronfolge keine prominentere Rolle spielt. Die derart Gelobte würde sich das Plädoyer gewiss verbitten, steht sie den Medien doch zutiefst misstrauisch gegenüber.

Meghan, zurück in der kalifornischen Heimat

Dieses Ressentiment teilt Anne mit jener Frau, die kurzzeitig als neues Gesicht der Monarchie galt, längst aber in ihre kalifornische Heimat verschwunden ist. Ob es im Namen größerer Modernität doch noch eine Rückkehr gibt für Meghan, die Herzogin von Sussex?

Als Sonder-Botschafterin für das Commonwealth vielleicht, wie Tina Brown vorschlägt. Deren soeben erschienenes Buch „The Palace Papers“ fußt auf Gesprächen mit angeblich mehr als 120 Augenzeuginnen der elisabethanischen Regentschaft und schiebt die 40-Jährige Amerikanerin nach vorn, nicht zuletzt im Interesse von deren eigener Karriere. Schließlich sei doch, ätzt die aus England stammende, aber seit Jahrzehnten in den USA ansässige Brown, „deren Heiligenschein verblasst“.

Der Einfluss von Catherine, Herzogin von Cambridge, ist stetig gewachsen.

© Dominic Lipinski/Reuters

Hingegen lobt die royale Biografin Charles’ Frau Camilla ausgiebig. Die Herzogin von Cornwall sei „charmant, diskret, geduldig“ und wisse, dass Popularität „durch harte Arbeit verdient“ werden müsse. Aber was ist mit dem Diana-Schatten? Dem Thronfolger werde „von manchen niemals sein Verhalten gegenüber Diana verziehen werden“, analysiert die Königsexpertin des konservativen „Daily Telegraph“, Camilla Tominay.

Der Einfluss von Herzogin Catherine wird größer

Umfragen zufolge aber sehen ein Vierteljahrhundert nach dem Unfalltod der damaligen „Königin der Herzen“ Charles’ zweite Frau als Plus für die Monarchie: unprätentiös, den Menschen zugetan, vor allem jedoch eine unersetzliche Stütze für den Thronfolger. Der sei durch die späte Ehe mit seiner alten Flamme von einem alten Grantler zu einem „unmissverständlich glücklichen Mann“ mutiert, lautet Browns Beobachtung.

Auch der Einfluss von Herzogin Catherine von Cambridge ist stetig gewachsen. Dem königlichen Protokoll zufolge hat die einstige Kate Middleton Bedeutung eigentlich nur indirekt: als Gattin von Prinz William, dem Zweiten der Thronfolge, und als Mutter der Nummern drei, vier und fünf, George, Charlotte und Louis.

Herzogin Meghan lebt mittlerweile in den USA.

© Facundo Arrizabalaga/PA Wire/dpa

Meist lächelt sie freundlich und schweigt beredt. Die ihr am Herz liegenden Anliegen aber, etwa die frühkindliche Förderung und Unterstützung psychisch Kranker, schiebt sie entschlossen ins Licht der Öffentlichkeit. Intern erscheint die Frau aus stabilem, gutbürgerlichem Elternhaus als eine Art von Gleichgewicht zu den psychisch stets ein wenig labil erscheinenden Windsors.

Auf dem Boden der Tatsachen, ausgeglichen, weniger statusbewusst – mit diesen Attributen wirken die royalen Frauen wie geschaffen, der Monarchie auch im Zeitalter abnehmender Ehrerbietung die Bedeutung zu erhalten, welche die Jubilarin über 70 Jahre erarbeitet hat.

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