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Taylor Swift bei einem Konzert in Chicago Anfang Juni.

© Imago/Zuma Wire/Shanna Madison

Hoffen auf den besten Platz: Argentinische Fans warten auf Taylor Swift – fünf Monate im Zelt

Im November wird US-Superstar Taylor Swift in Buenos Aires auftreten. Eingefleischte „Swifties“ campen bereits vor dem Stadion. Das verlangt einiges an Organisation.

Das erste Zelt stand schon vor dem River-Plate-Stadion, als noch nicht einmal klar war, ob Taylor Swift überhaupt nach Argentinien kommen würde. Erst einmal waren da nur Gerüchte. Trotzdem beschloss Julieta Pavan mit einer Gruppe von Freundinnen, die Warteschlange zu eröffnen.

Am 31. Mai stellte sie das Zelt Nummer eins auf. Drei Tage später kam die offizielle Ankündigung: Taylor Swift wird Anfang November zwei Konzerte in Buenos Aires spielen – fünf Monate später.

Die Tickets für den 9. und 10. November waren so schnell ausverkauft, dass ein dritter Termin am 11. dazukam. Auch dafür gibt es längst keine Karten mehr. Konzerte internationaler Künstler sind in Argentinien in Rekordzeit ausverkauft.

Hier habe ich eine Familie gefunden. Sie sind wie Schwestern für mich, die genauso verrückt sind wie ich.

Julieta Pavan über die Gemeinschaft beim Zelten

Im vergangenen Jahr spielte Coldplay zehn Konzerte in Buenos Aires vor insgesamt mehr als einer halben Million Menschen. Auch die Konzerte von Harry Styles und Louis Tomlinson, beides ehemalige Mitglieder der britischen Boyband One Direction, waren innerhalb von Stunden vergriffen.

Fans wie Julieta Pavan reicht das Ticket allein nicht. Sie will den besten Platz beim Konzert, ganz vorne an der Bühne. Deshalb zeltet sie seit sieben Wochen vor dem größten Stadion des Landes, knapp vier Monate liegen noch vor ihr.

Doch die Wartezeit bestreitet sie nicht alleine. An ihrem Zelt sind etwa 50 Personen beteiligt, überwiegend weibliche Fans, die sich in Schichten abwechseln.

Tagsüber hüten zwei bis drei das Zelt, das etwa hundert Meter vom Eingang entfernt steht. Nachts können es auch mal vier sein. Jede muss mindestens 35 Stunden pro Monat und eine Nacht ableisten, nach oben sind keine Grenzen gesetzt.

Pavan kommt an diesem Dienstag im Juli von der Arbeit, ihre Schicht als Krankenpflegerin ging von 7 bis 13 Uhr, ihren dunkelblauen Kittel trägt sie noch. Verbringt sie hier die Nacht, steht sie früh auf und geht direkt zur Arbeit.

300
Stunden hat Julieta Pavan schon vor dem Stadion verbracht.

„Ich komme sehr gern, weil ich mit meinen Freundinnen zusammen bin“, sagt die 22-Jährige. „Hier habe ich eine Familie gefunden. Sie sind wie Schwestern für mich, die genauso verrückt sind wie ich.“

Mittlerweile hat sich unter Konzertfans in Buenos Aires ein harter Kern gebildet. Neben Pavan gehört dazu Celeste Herrero. Die beiden Frauen haben sich vergangenes Jahr beim Zelten für das Konzert von Harry Styles kennengelernt. Ein halbes Jahr lang warteten sie gemeinsam auf den einen Abend, das verbindet.

Pavan hat schon für mehrere Konzerte parallel gecampt. Herrero verbrachte im vergangenen Jahr mit kurzer Unterbrechung neun Monate vor Konzerthallen. „Das war es wert“, sagt die 21-Jährige. „Es waren die besten Abende meines Lebens.“

Ich bewundere sie so sehr. Sie ist die tollste Frau auf dem Planeten, ich liebe sie.

Celeste Herrero über Taylor Swift

Und auch Taylor Swift möchte sie so nah wie möglich kommen, dafür hat sie in Zelt eins bislang gut 90 Stunden investiert. „Ich kann mich so sehr mit ihren Texten identifizieren. Es ist, als würde sie mir zuhören. Sie kennt mich nicht und kennt mich gleichzeitig so gut. Ich bewundere sie so sehr. Sie ist die tollste Frau auf dem Planeten, ich liebe sie.“

Celeste Herrero und Julieta Pavan (r.) kennen sich vom Zelten. Sechs Monate lang haben sie für ein Konzert von Harry Styles campiert.

© Tagesspiegel/Christina Fleischmann

Die Liebe der Swifties, wie die Fans der Sängerin genannt werden, scheint grenzenlos. Einige zelten seit Wochen, obwohl sie kein eigenes Ticket haben. Sie hoffen, bis zum Tag des Konzerts noch eines zu ergattern.

Seitdem sicher ist, dass Taylor Swift nach Buenos Aires kommt, haben sich zu Pavans Zelt zwei weitere gesellt, Nummer zwei und Nummer drei. Die Reihenfolge ist wichtig, denn sie bestimmt am Tag des Konzerts, wer wann das Stadion betreten darf.

Julieta Pavan ist die Erste in der Reihe

Nach aktuellem Stand wäre Pavan die Allererste. Nicht nur, weil sie das vorderste Zelt besetzt, sondern weil sie bislang die meisten Stunden vor dem Stadion verbracht hat: mehr als 300 in knapp eineinhalb Monaten.

Die Stunden werden in einer Excel-Tabelle vermerkt. Um die große Gruppe von 50 Menschen zu koordinieren, gibt es außerdem zwei Schichtpläne und drei Whatsapp-Gruppen.

Auf ihrem Smartphone zeigt Pavan eine zweiseitige Broschüre, über der steht: „Willkommen in Zelt eins, du bist auf dich allein gestellt, Kind“. Hier sind die Regeln festgelegt: Stunden für andere ableisten ist nicht erlaubt, das Zelt darf niemals allein bleiben, der Platz muss sauber gehalten werden.

Einmal am Tag wird geputzt, an diesem Nachmittag besonders gründlich. Ein Fremder hat neben den Zelten in eine Ecke gepinkelt. Alle packen an, neben Pavan und Herrero auch zwei Frauen aus den anderen beiden Zelten, ebenfalls Freundinnen früherer Konzerte. Gemeinsam schrubben sie den Boden, räumen die Zelte aus und wieder ein, fegen das heruntergefallene Laub vom Platz.

Der Zeltplatz wird regelmäßig gereinigt – eine der wichtigsten Regeln.

© Tagesspiegel/Christina Fleischmann

Gerade ist Winter in Argentinien, in Buenos Aires sinken die Temperaturen in der Nacht auch mal auf 2 Grad. „Ich wäre letzte Nacht vor Kälte fast gestorben“, sagt Victoria Díaz, Zelt Nummer zwei, 200 abgeleistete Stunden. „Das sind die weniger schönen Seiten am Zelten.“

Ab September, Oktober, wenn die Temperaturen wieder steigen, werden mehr Zelte dazukommen, die Lage wird unübersichtlicher werden. „Dann versuchen wir, Ruhe zu bewahren, so gut es geht“, sagt Díaz.

Am Tag vor dem Konzert kommen die Zelte weg

In der Woche vor dem Konzert beginnen die Vorbereitungen für den großen Tag. Die Organisatorinnen der Zelte wie Pavan legen die Reihenfolge für den Einlass fest. Je mehr Stunden man bis dahin gesammelt hat, desto weiter vorne ist man in der Schlange.

Spätestens am Tag vor dem Konzert finden sich alle ein, bei etwa 50 Teilnehmern pro Zelt ist das eine ganze Menge Menschen. Jeder bekommt seinen Platz in der Schlange auf die Hand geschrieben. „Es ist wichtig zu wissen, wer vor und wer hinter einem kommt, die anderen sind egal“, sagt Díaz.

Schließlich werden die Zelte abgebaut, die Warteschlange direkt am Eingang beginnt. Jede nimmt ihren Platz ein, wird dort die Nacht und den Tag verbringen. Wenn dann, wenige Stunden vor dem Konzert, der große Ansturm kommt, haken sie sich unter und bilden eine lange Menschenkette.

Damit sich niemand dazwischendrängelt, sagt Díaz. Den Platz, den sie mit hunderten Stunden verteidigt haben, gibt keine von ihnen auf.

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