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Taylor Swift

© Universal

„Speak Now“ von Taylor Swift: Viel besser als ein schnöder Rachefeldzug

Mit dem ursprünglich 2010 veröffentlichten „Speak Now“ hat Taylor Swift wieder einmal eins ihrer alten Alben neu aufgenommen - eigentlich nur minimal verändert, aber halt: ihre Version.

Damals, 1998, waren Kulturkritiker:innen entzürnt: Gus van Sant hatte Alfred Hitchcocks Meisterwerk „Psycho“ neu verfilmt. Er hatte dabei das alte Drehbuch inklusive fast sämtlicher Kameraeinstellungen übernommen, nur wenig an den Dialogen verändert, und ein paar Szenen freizügiger inszeniert, zudem drehte er in Farbe. Angesichts des zwar immer noch guten, aber leicht verrutschen Ergebnis kratzten sich die meisten Kino- und Hitchcock-Fans am Kopf: Aus welchem Grund sollte man ein perfektes und funktionierendes Kunstwerk kopieren!?

Taylor Swift hat für so etwas gute Gründe: Die 33jährige US-Amerikanerin produziert seit zwei Jahren nahezu 100%ige Kopien ihrer eigenen Platten. Der Auslöser war ein Streit mit ihrer ehemaligen Plattenfirma „Big Machine Records“. Die Master sämtlicher Songs der ersten sechs Alben aus Swifts umfangreichen Oevre (ihr zehntes Werk erschien 2022) gingen beim Verkauf des Labels an den Wirtschaftsmogul Scooter Braun in dessen Besitz über.

Medienwirksames Zerwürfnis

Somit gehören ihm zwar Rechte an den Songs – nicht aber jenes, das Swift als Autorin innehat. Denn nach den US-amerikanischen Copyright-Gesetzen unterliegt Musik zwei Rechten: Dem Aufführungsrecht, das die Texte, die Melodien, die Komposition und die instrumentalen Arrangements betrifft und den Song schützt, bevor er aufgenommen ist. Das zweite Recht umfasst die Master, also den fertig produzierten Song, und all seine digitalen und analogen Veröffentlichungen, egal ob als Platte, CD oder Stream.

Beim medienwirksamen Zerwürfnis zwischen Swift und ihrem Ex-Label wurde von beiden Parteien verlautbart, sie hätten versucht, sich zu einigen – das Label behauptet, man habe Swift die Masters angeboten, sie habe sie aber nicht kaufen wollen. Swift dagegen beharrt darauf, sie habe ihre Masters nicht kaufen können, weil die Bedingungen unmöglich gewesen seien. Und kündigte in einem beispiellosem Selbstbefreiungsschlag an, alle Alben neu aufzunehmen – sich damit selbst zu 100% zu kopieren.

An Swifts Seite stehen seit Beginn des Kampfes 2019 nicht nur die – laut einer aktuellen Umfrage – 18 Millionen Amerikaner:innen, die sich als „Swifties“, also Hardcore-Fans der Popkünstlerin identifizieren, und alle anderen Affcionados. Sondern auch Musiker:innen wie Cher, Katy Perry oder Lily Allen, zudem Prominente wie Cara Delavigne und Gigi Hadid und Politker:innen.

Radiosender haben sich ebenfalls bereiterklärt, nur noch die neu aufgenommenen Songs zu spielen – angesichts der Tatsache, dass „Taylor’s Versions“, so heißen die Neuauflagen, höher in die Charts eingestiegen sind und sich länger halten als die Originale, hat Swift ihren Verlust in Millionenhöhe inzwischen mehr als ausgeglichen. Nur Spotify und Apple Music bieten nach wie Originalplatten und „Taylor‘s Versions“ an – vielleicht, weil die kämpferische Swift dem Ausbeuter-Konzern Spotify jahrelang verboten hatte, ihre Musik zu spielen. Die Fehde wurde erst 2017 beglichen.

„Speak now“ ist ursprünglich von 2010

Ihrem konsequent süßlichen und unkomplizierten Americana-Sound, der textlich größtenteils klassische Sentimente wie Eifersucht, Liebe, Sehnsucht oder freundlich-pseudophilosophische Gedanken zum Vergehen der Zeit beschreibt, steht somit die beeindruckende und kompromisslose Selbstermächtigung einer Musikerin entgegen. Wenn also heute „Taylor’s Version“ ihres dritten Albums „Speak Now“ erscheint, ursprünglich aus dem Jahr 2010, dann ist das eher ein politischer als ein musikalischer Schritt. Tatsächlich unterscheiden sich die 23 Songs nur geringfügig von den alten Originalen – einige wurden minimal langsamer oder schneller gespielt, Instrumentierung, Sound und Phrasierung sind fast identisch.

Allerdings haben sich ein paar Swifties bereits ausgiebig darüber ausgelassen, dass Swift im Song „Better than Revenge“, der 2018 nach der Trennung von Joe Jonas entstanden ist und Rachegefühle gegenüber, beziehungsweise die Verleumdung einer anderen Frau beschreibt, eine Textzeile geändert hat: Im Original dichtete sie bezüglich jener Frau, bei der es sich – Swifties wissen alles – um die Schauspielerin Camilla Bell, Jonas‘ Neuer gehandelt haben soll, noch misogyn-stutenbissig und mit einer gehörigen Portion Slutshaming: „She‘s not a saint and she’s not what you think / she’s an actress / But she’s better known for the things hat she does / on a mattress”.

Von den unehrenhaften „Dingen, die man auf einer Matratze tun kann“, und für die „Schauspielerinnen“ natürlich auf gar keinen Fall „bekannt sein“ dürfen, ist jetzt nicht mehr die Rede. Stattdessen heißt es: „He was a moth to the flame / she was holding the matches” – wenn man diese Zeilen und den gesamten Song betrachtet, ist die alberne Prämisse der „Pussytrap“, die einen anständigen, wehrlosen Mann ohne sein Zutun verführt, zwar immer noch misogyn wie eh und je. Aber Taylor Swift weiß was sie tut: Ihre Songs sind alter Wein in alten Schläuchen. Nur der Vetrieb ist nachhaltiger geworden.

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