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Die Straßenecke in Wunsiedel, an der die Zehnjährige tot aufgefunden wurde.

© dpa/Daniel Vogl

Update

Wieder ein Kind als Täter? : Getötetes Mädchen in Wunsiedel – Elfjähriger unter Verdacht

Der verdächtige Junge ist nicht strafmündig. Er werde deshalb präventiv in einer gesicherten Einrichtung untergebracht, teilte die Polizei mit. Eine Anhörung steht noch aus.

| Update:

Nach dem Tod eines zehn Jahre alten Mädchens im oberfränkischen Wunsiedel geht die Polizei davon aus, dass ein Elfähriger an der Tat beteiligt war. Ergebnisse der Spurensicherung deuteten darauf hin, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag mit. „Da der elfjährige Junge nicht strafmündig ist, wurde er in einer gesicherten Einrichtung präventiv untergebracht“, hieß es.

Erst Mitte März hatte der Fall der zwölfjährigen Luise aus Freudenberg in Nordrhein-Westfalen Entsetzen ausgelöst, die durch zahlreiche Messerstiche starb. Zwei Mädchen im Alter von zwölf und 13 Jahren hatten die Tat gestanden. Beide Mädchen waren der Polizei zuvor nicht aufgefallen.

Das Mädchen aus Wunsiedel war am Dienstag tot in seinem Zimmer in der Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft ging von einem Tötungsdelikt aus. In Medienberichten vom Mittwoch war zunächst von drei tatverdächtigen minderjährigen Jungen die Rede gewesen. Das bestätigten die Behörden bislang allerdings nicht.

Erst Mitte März hatte der Tod der zwölfjährigen Luise Entsetzen ausgelöst

Im Zuge der Ermittlungen hätten die Einsatzkräfte der Soko sofort Spuren am Tatort gesichert und dem Landeskriminalamt zur Auswertung überlassen, hieß es. Eine Anhörung des Elfjährigen stand nach Polizeiangaben vom Freitag noch aus. Die weiteren Maßnahmen würden in enger Abstimmung mit den Jugendbehörden erfolgen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lobte die an den Ermittlungen beteiligten Fachleute: „Den akribischen und hochengagierten Ermittlungen ist zu verdanken, dass in vergleichsweise kurzer Zeit ein Tatbeteiligter ermittelt werden konnte.“ Jetzt gelte es, „die genauen Hintergründe dieser Schreckenstat aufzuklären“.

Der Fall der getöteten Luise aus Freudenberg hatte im März eine Debatte über eine mögliche Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters von 14 Jahren ausgelöst. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte zurückhaltend auf solche Forderungen reagiert. „Jede Debatte über Anpassungen im Strafrecht sollte man mit kühlem Kopf führen“, sagte er.

Kinder unter 14 Jahren würden zwar strafrechtlich nicht belangt, erklärte der Justizminister. „Unsere Rechtsordnung hält aber bereits Mittel bereit, um auch auf schwere Gewalttaten von Kindern unter 14 Jahren zu reagieren“, betonte er. Buschmann verwies auf die geschlossene Unterbringung in Heimen oder in der Psychiatrie. Nach Auskunft einer Sprecherin seines Ministeriums hat sich an dieser Haltung Buschmanns auch durch die Ermittlungen zu dem Fall in Wunsiedel nichts geändert.

Sicherheitsbehörden in Deutschland verzeichnen einen Anstieg der Zahl tatverdächtiger Kinder in Deutschland. 2022 waren es laut Polizeilicher Kriminalstatistik gut 93.000. Das ist ein Plus von etwa 16 Prozent gegenüber dem Vor-Coronajahr 2019. Laut Holger Münch, dem Präsident des Bundeskriminalamts, handelt es sich bei einem Großteil dieser Taten um Ladendiebstahl, Sachbeschädigung, Beleidigung und leichte Körperverletzung. 

Die stellvertretende CDU-Chefin Silvia Breher sieht dringenden Handlungsbedarf. Die bisherigen Präventionsmaßnahmen genügten offenbar nicht, sagte sie dem Tagesspiegel. Es sei dringend erforderlich, verstärkt Sozialarbeiter in Kita und Schule einzusetzen. „Leider lässt das Engagement der Ampel in diesen Bereichen sehr zu wünschen übrig“, sagte Breher. Sie forderte zudem eine „ehrliche und ausgewogene Debatte“ über die eine mögliche Senkung des Strafmündigkeitsalters.

Die Grünen-Familienpolitikerin Denise Loop spricht sich gegen eine solche Debatte aus. „Mit einer Grenze von 14 Jahren liegen wir gut im europäischen Schnitt“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Wenn Jugendliche im jüngeren Alter Gewalttaten verüben, ist die Frage in Bezug auf alle Sanktionen: Was ist deren Ziel?“ Es gehe nicht um Strafe, sondern um den Erziehungsgedanken.

Sie verwies zudem darauf, dass die Zahlen von Jugendkriminalität deutlich unter denen der 90er Jahre lägen. „Die Fokussierung auf Einzelfälle produziert ein Gesamtbild einer vermeintlich gewalttätigen jungen Generation, das nicht stimmt.“

Katrin Helling-Plahr, rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, hält es für eine „Scheindebatte“, über die Altersgrenze für die Strafmündigkeit zu diskutieren. Das sagte sie dem Tagesspiegel. „Kinder verfügen entwicklungsbedingt in der Regel noch nicht über die vom Schuldprinzip vorausgesetzte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Wir dürfen uns durch eine vermeintlich einfache Reaktion nicht aus der Verantwortung stehlen, Kinder vor Tatbegehung über Erziehung zu erreichen.“

Es sei außerdem aufzuklären, wo im Fall Wunsiedel das Präventionsnetz lückenhaft gewesen sei. „Sobald Kinder auffällig werden und sich eine Delinquenz abzeichnet, muss der Rechsstaat präventiv über Jugendämter und Familiengerichte tätig werden. Im Zweifel sind auch Inobhutnahmen und geschlossene Unterbringungen angezeigt“, sagte Helling-Plahr. (mit dpa, AFP, epd)

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