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Die Bi-Flagge.

© Bi+ Pride

Bi Visibility Day in Berlin: „Das B in LGBTQI+ ist nicht nur Deko“

Diesen Freitag ist „Bi Visibility Day“. Paula Balov, Mitglied des Vereins BiBerlin, spricht über die Diskriminierung bisexueller Menschen – und warum dieser Tag so wichtig ist.

Es gibt den Pride Month, es gibt den CSD, es gibt den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT). Wozu braucht es noch einen “Bi Visibility Day”?
Aus der queeren Community kommt diese Frage auch oft, nach dem Motto: Wofür kämpfen Bisexuelle, wofür wir nicht eh schon kämpfen? Profitiert ihr nicht automatisch von schwul-lesbischen Aktivismus? Die Antwort ist: Jein. Einerseits profitieren wir davon so wie alle davon profitieren, wenn Menschenrechte vorangetrieben werden. Andererseits erleben wir Bi Erasure.

Was bedeutet das?
Dass unsere Sexualität oft unsichtbar gemacht wird. Wenn ich mit einem Mann zusammen bin, bin ich für die meisten Menschen einfach heterosexuell. Wenn ich mit einer Frau zusammen bin, bin ich eben lesbisch. Dass ich bisexuell sein könnte, scheint keine Option zu sein.

Paula Balov setzt sich bei BiBerlin für mehr bisexuelle Sichtbarkeit ein.

© privat

Woran, glauben Sie, liegt das?
Unsere Gesellschaft schafft es nicht, in mehr als zwei Kategorien zu denken: männlich und weiblich, Ost und West, Schwarz und weiß, hetero und homo. Dadurch erleben wir eine doppelte Diskriminierung: Für die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft sind wir zu queer, für die queere Community sind wir nicht queer genug.

Wir passen nirgendwo rein. Dieses binäre Kategoriendenken wirkt sich auch auf das Verständnis von Bisexualität generell aus: Bisexualität bedeutet nicht das Begehren von Mann und Frau, sondern vom eigenen und anderen Geschlechtern. Darunter fallen auch trans und non-binäre Menschen.

Welche Auswirkungen hat Bi Erasure für Sie als bisexuelle Person?
Es delegitimiert mich und meine sexuelle Orientierung. Ich wusste schon als Jugendliche, dass ich bisexuell bin. Von meinem Umfeld habe ich ständig signalisiert bekommen: Das gibt es nicht. Ich hatte lange das Gefühl, mich entscheiden zu müssen. Auf der anderen Seite kam auch häufiger die Reaktion: Naja, sind nicht alle so ein bisschen bi? Das mag nett gemeint sein, suggeriert mir aber, ich solle mich nicht so wichtig machen.

Was bedeutet diese Diskriminierung für bisexuelle Menschen?
Die Probleme sind vielfältig: Bisexuelle sind viel seltener geoutet als andere queere Gruppen. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass wir in der queeren Community diejenigen sind, die am meisten von Problemen mit mentaler Gesundheit betroffen sind. Bisexuelle Frauen werden oft stark sexualisiert. Heterosexuelle Männer wollen dann mit ihnen sexuelle Fantasien ausleben, zum Beispiel einen Dreier haben.

Bisexuellen Geflüchteten, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in ihrem Heimatland verfolgt werden, wird von den Behörden geraten, einfach so zu tun, als seien sie heterosexuell. Diese Logik der Delegitimierung ist überall vorhanden.

Ich habe ständig signalisiert bekommen: Bisexualität gibt es nicht.

Paula Balov, Mitglied von BiBerlin

Sogar innerhalb der queeren Community?
Ja. In der lesbischen Szene zum Beispiel liest man öfter Kontaktanzeigen, in denen extra steht: „No Bi“, keine bi Personen. Dahinter steht die Sorge, dass bisexuelle Frauen sich nur mal ausprobieren wollen, am Ende aber doch wieder Männer daten. Ich date deshalb mittlerweile am liebsten andere bisexuelle Menschen. Da gibt es ein gemeinsames Grundverständnis, ich habe nicht das Gefühl, mich erklären zu müssen.

Was sind noch so klassische Aussagen und Stereotypen, mit denen Sie konfrontiert werden?
Diese Übersexualisierung: Wir wollen gerne mit jedem was haben, sind untreu und können uns nicht entscheiden. Auf Twitter hat mir schon mal jemand geschrieben, ich sei nicht wirklich queer, sondern wolle nur in die Community rein, weil man auf queeren Partys besser feiern kann. Als Verein BiBerlin werden wir oft gefragt, wofür es uns eigentlich braucht, oder dass wir die queere Szene nur spalten würden.

Wie treten Sie als Verein denn dieser Diskriminierung entgegen?
Wir bieten in erster Linie ein Netzwerk, das bisexuellen Menschen oft fehlt. Für sie sind wir Anlaufstelle, bieten online einen Kummerkasten an. Außerdem machen wir Veranstaltungen und Pressearbeit, um Sichtbarkeit zu schaffen.

Ich bin überzeugt, dass viel diskriminierendes Verhalten eher durch Unwissenheit zustande kommt als durch eine böse Absicht. Und die queere Community erinnern wir daran: Das B in LGBTQI+ ist nicht zur Deko da.

Was planen Sie jetzt zum Bi Visibility Day?
Morgens hissen wir an der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung eine Bi-Flagge, um 12 Uhr am Rathaus Schöneberg. Abends veranstalten wir in der B-Lage in Neukölln ein Bartreffen. Von unserem Verein fahren außerdem einige nach Hamburg zur Bi+-Pride in Hamburg – die erste und bisher einzige Pride für bisexuelle Menschen in Deutschland.

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