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Kevin Junk.

© Lee Thieler

Kevin Junks Roman „Saturns Sommer“: Regenbogen-Utopia in Berlin

In seinem zweiten Roman begleitet Kevin Junk drei junge queere Berliner*innen und deren Freund*innen durch die Sommermonate. Die Zeichen stehen bei allen auf Veränderung.

Ein Brandenburger See im Juli, die Mittagssonne scheint auf eine Bucht voller junger Menschen. Einige liegen am Strand, andere schwimmen im Wasser, manche in Badesachen, manche nackt. Gerade kommen Tom, Mo und Pina angeradelt und gesellen sich dazu. Sie alle sind zur Tits-off-Party zur Feier von Alex’ Mastektomie gekommen.

Die Narben sind schon gut verheilt, Alex ist stolz auf die flache Brust und hat dazu eingeladen, gemeinsam oben ohne am See zu chillen. Es sei aber kein Muss, wie Alex ziemlich genau in der Mitte von Kevin Junks zweitem Roman „Saturns Sommer“ schnell hinzufügt: „‚Safe space und so. Wir sind ja alle queer und erwachsen hier.‘ ‚Das heißt, es gibt kein Awareness-Team? Oje‘, scherzte Pina. ‚Nicht, dass die Telegramgruppe hinterher eskaliert und sich in zwei Lager spaltet.‘“

Die Seeszene hat etwas von einem queeren Utopia. Denn die rund 30-köpfige Partygruppe bildet ihre eigene kleine Regenbogenrepublik, in der alle achtsam miteinander umgehen, Essen und Drogen teilen und die temporäre Abgeschiedenheit von der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft genießen. Sogar dem selbstzweifelnden Tom, der übermüdet hier angekommen und überwältigt von seinen sozialen Ängsten ins Wasser geflüchtet ist, öffnet sich eine neue, hoffnungsvolle Perspektive.

Tom ist eine*r der Protagonist*innen, denen „Saturns Sommer“ während der Monate Juni bis September durch Berlin folgt. Der PR-Autor und Lyriker schließt gerade das Manuskript seines ersten Buches ab – und eine Therapie. Genau wie er befindet sich auch seine beste Freundin und Mitbewohnerin Pina in einer Umbruchphase. Sie hat kürzlich ihren Stressjob in einer Galerie gekündigt und sucht nach einer neuen Richtung im Leben oder zumindest einem Plan für den Sommer.

Musiker Mo, ein gemeinsamer Freund der beiden und wie sie Jahrgang 1989, sieht die Erklärung für die vielen Veränderungen in den Sternen: Sie alle werden in diesem Jahr 30 und erleben die Rückkehr des titelgebenden Planeten an den Punkt, den er bei ihrer Geburt hatte. „Rein astrologisch gesehen wirst du gerade erst erwachsen“, erklärt Mo. Das geht nicht ohne Wachstumsschmerzen ab. Was bei Tom auch mit der Bewältigung eines Traumas aus seiner Jugend zu tun hat.

Indem er rhythmisch stimmig zwischen seinen Figuren hin- und hergleitet, kreiert Kevin Junk, selbst Jahrgang 1989, ein vielschichtiges und unterhaltsames Gruppenporträt queerer Metropolen-Millennials. Mit Pinas Tante Sara nimmt er zudem eine Repräsentantin der Generation 50+ in den Blick, wobei er einmal das Thema Terfs streift, ohne ihm aber zu viel Bedeutung beizumessen. Überhaupt kommt der Roman ohne große Dramen und Konflikte aus. Der Ton ist unaufgeregt, freundlich – genau wie zwischen den Figuren, die beim Vorstellen auch ihre Pronomen hinzufügen.

Dass diese sich durchaus mal verändern können, zeigt sich ganz beiläufig an der Entwicklung von Alex und Tom. Fluidität ist Trumpf und so benutzt Kevin Junk neben dem Gendersternchen auch Pluralformen wie Freundys, Mitbewohnys oder Journalistys, woran man sich schnell gewöhnt. Die Metaphern- und Vergleichsdichte wirkt hingegen etwas übertrieben, genau wie die zahlreichen Beschreibungen von Trinksituationen.

Drogen- und Clubszenen, die die Handlung von Junks Debütroman „Fromme Wölfe“ (2021) bestimmt hatten, sind nun nur noch Randnotizen. Geblieben ist der Sex, den der Autor sowohl den etwas jüngeren Wölfe-Protagonist*innen – ein Tom war hier schon dabei – als auch den Saturn-Rückkehrer*innen immer wieder gönnt. Dass er es zudem schafft, einen aromantischen Charakter in den Reigen zu integrieren, verleiht „Saturns Sommer“ eine weitere schillernde Facette. Durch seine warme Leichtigkeit steigert der Roman die Sehnsucht nach Sonne und macht Lust auf queere Chill-Zonen an Berliner Seen.

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