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Ansicht vom Taschenbergpalais im Zentrum Dresdens. 

© Taschenbergpalais

Unsere Hotelkolumne für Dresden: Eine Nacht im Taschenbergpalais

27 Jahre lang übernachteten Gäste im wiederaufgebauten Palais, nun wurde grundrenoviert. Der Innenarchitekt erklärt, warum überall eine machtbewusste Gräfin zu sehen ist.

Von Barbara Nolte

Wann trifft man schon mal in einem Hotel auf denjenigen, der es designt hat? An einem kühlen Wintermorgen sitzt Markus Hilzinger, Mitte 50, im selbst entworfenen safrangelben Samtsofa im Dresdner Taschenbergpalais. Das Kaminfeuer, das neben ihm züngelt, ist nicht echt, sondern LED-Licht, das von Spiegeln reflektiert wird. „Modernste Technik“, sagt Hilzinger lachend. Aus Brandschutzgründen sei im Palais kein offenes Feuer erlaubt.

Hilzinger spricht mit einer singenden, süddeutschen Sprachmelodie. Er stammt aus Baden, lebt als Innenarchitekt mit der Spezialisierung auf Luxushotels in Berlin. Unter anderem hat er das Adlon und das Grand Hotel Heiligendamm mitgestaltet.

Jetzt also das Taschenbergpalais in Dresden. Sein Auftrag war, das Hotel stylisher zu gestalten und dabei das „Schlossgefühl“, wie er sagt, zu erhalten. Also schaute er sich bei französischen Firmen nach passenden Stoffen um und in der sächsischen Region nach versierten Handwerkern, die beispielsweise die mit Kranichen bestickte Tapete akkurat verkleben können. In der Suite ließ er die blattvergoldete Tapete sogar von Hand bemalen. „Alle Farben musste ich mit dem Denkmalschutzamt abstimmen“, sagt Hilzinger.

Dass sich die Denkmalschützer einmischen, klingt übertrieben. Das Taschenbergpalais ist zwar von August dem Starken Anfang des 18. Jahrhunderts für seine Mätresse Anna Constantia von Cosel erbaut worden, aber im Zweiten Weltkrieg bis auf einige Mauern abgebrannt. Die gesamte DDR-Zeit über rotteten seine Reste zwischen Zwinger und Schloss vor sich hin.

In der Amalie Lounge genießen Gäste den Afternoon Tea.

© Taschenbergpalais

Anfang der 1990er ist es auferstanden aus Ruinen, als eines der großen Wiederaufbauprojekte im Osten. Von außen eine perfekte Spätbarock-Illusion, aber mit Tiefgarage, Eisbahn im Hof und Wellnessbereich unterm Dach.

Das neue Grandhotel komplettierte Dresdens alte Mitte und wurde so schnell zum Mittelpunkt der städtischen Gesellschaft. „Dresdnerinnen und Dresdner können hier noch ausleben, wonach sie sich weiterhin in etwas übertriebener Weise zu sehnen scheinen, nämlich eine gewisse höfische Kultur“, schrieb der Sachsen-Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“.

Nach nur 27 Betriebsjahren hat der Betreiber Kempinski es vergangenes Jahr geschlossen: zur Grundrenovierung. Das klingt, als wäre das Palais unter die Räder der kapitalistischen Logik gekommen, die immer Neues verlangt. Aber zu Zeiten der Gräfin von Cosel galt seine Ausstattung noch schneller als überholt. Bereits nach zehn Jahren – August der Starke hatte Cosel verstoßen und seine Söhne im Palast einquartiert – wurde das Haus zum sogenannten „Türkenpalais“ umgestylt.

Das Bildnis von Gräfin Cosel erinnert in der Lobby an die frühere Bewohnerin.

© Taschenbergpalais

Die heutigen Dresdner sind in ihrem Geschmack beständiger. Sie strömten in großer Zahl ins Hotel, als im Januar vergangenen Jahres das alte Inventar versteigert wurde. Es gab Zimmersafes, Wasserhähne, Mülleimer, Gardinen. Ein gestreifter Sessel, in dem womöglich Barack Obama bei seinem Besuch im Taschenbergpalais gesessen hat, wie die „Sächsische Zeitung“ schrieb, fand für 600 Euro einen Käufer.

Schnell war das Hotel leer und Markus Hilzinger am Zug. Ein Jahr hatte er Zeit, den 211 Zimmern und Suiten ein neues Gesicht zu geben. Im Februar war Wiedereröffnung.

Ruhige Töne, wenig Ablenkung: die Zimmer im Hotel. 

© Taschenbergpalais

Hilzinger steht jetzt auf, um eine kleine Hausführung zu machen. Das monumentale Sandsteintreppenhaus, an dem er vorbeiläuft, sah im historischen Palais genauso aus. Als modernen Kontrast hat Hilzinger die Berliner Lichtdesigner „Kardoff“ die Deckenlampen in der Lobby gestalten lassen, die in einer Schlangenlinie angebracht sind, den Verlauf der Elbe durch Dresden nachzeichnend.

Vor einem fotorealistischen Bild einer jungen Frau mit aufgetürmter Barockfrisur bleibt Hilzinger stehen. Das sei die Gräfin Cosel, dargestellt in einem von der KI-generierten Bild des Künstlers Franck Gérard, sagt er. Hilzinger beschreibt die alte Hausherrin als „schön, politisch interessiert, machtbewusst“. Sie verkörpere für ihn den „Twist zwischen historisch und modern“, weshalb die Gräfin jetzt überall im Hotel zu finden ist: als Graffito im Gang hinter der Rezeption oder als mit LED generierte Chimäre im Aufzug. „Eine ,instagrammable‘ Persönlichkeit“, sagt Hilzinger. „Heute wäre sie wahrscheinlich Influencerin.“

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Wenn man das Hotel verlässt, um Dresden zu erkunden, stellt man fest, dass draußen Cosels ehemaliger Liebhaber, August der Starke, ebenso allgegenwärtig ist wie sie selbst im Hotel. Keine 50 Meter Luftlinie entfernt liegt das Grüne Gewölbe, das August der Starke in den 1720er Jahren für seine Schätze bauen ließ, ein überbordendes Gesamtkunstwerk barocker Pracht. Vor fünf Jahren sind hier Mitglieder des Berliner Remmo-Clans spektakulär eingebrochen und haben einen Teil der Juwelen erbeutet.

August den Starken gibt es in Dresdens Altstadtgassen als Holzfigur aus dem Erzgebirge zu kaufen. Ein anderes Geschäft führt Sekt, auf dessen Etikett der Barock-Herrscher mit seinem vorstehenden Kinn und seiner Lockenfrisur abgebildet ist.

Auf dem Weg Richtung Frauenkirche versperren einem Soldaten, die in Viererreihen paradieren, den Weg. Sie sind kein Rokoko-Reenactment, wie es zur historisierenden Dresdner Altstadt durchaus passen würde, sondern Rekruten der Bundeswehr auf dem Weg zum Feierlichen Gelöbnis vor der Semperoper.

Noch ein Triumph des Wiederaufbaus: die Frauenkirche.

© Comofoto - stock.adobe

Die Frauenkirche, Dresdens Wahrzeichen, das mit seiner fast 100 Meter hohen Kuppel die Altstadt überragt, ist aus dem gleichen nagelneu aussehenden Sandstein wie das Treppenhaus im Taschenbergpalais. Die Kirche war ebenfalls eine Kriegsruine, zwischen 1994 und 2005 wiederaufgebaut. An ihren Mauern hängen riesige Plakate, auf denen steht: „Du hast die Wahl. Für Demokratie. Gegen Rechtspopulismus“, an den wenig weltoffenen Teil der Dresdner gewandt, der hier oft so lautstark auftritt.

200 Meter weiter, im Museum Albertinum, sieht man, dass die Stadt auch eine andere Seite hat. Das Museum öffnet seit Jahren werktags nachmittags sein Foyer für Geflüchtete. Eine Tischtennisplatte ist aufgebaut, an der zwei Jungs spielen. Bestimmt 60 Menschen sitzen an Tischen, dazwischen engagierte Dresdnerinnen und Dresdner, die ihnen Deutsch beibringen oder sich einfach nur mit ihnen unterhalten.

Entlang der Elbe, über die Brühlsche Terrasse, geht es in zehn Minuten zurück ins Hotel. Zum Zimmer führt ein langer, mit schwerem Teppich ausgelegter Flur, für den Markus Hilzinger eine mit Vögeln verzierte Tapete in Blautönen ausgewählt hat. Die Zimmerdecken sind vier Meter hoch, die Wände in Beige und warmen Gelb gestrichen, auf dem Boden liegt Fischgrätparkett. Es gibt eine kleine Couch und ein riesiges Bett. Als man sich für eine kleine Siesta reinlegt, hört man von Ferne die letzten Handwerker. Im Mai endlich ist alles fertig.

Fünf Jahre hat Hilzinger dann an der Umgestaltung gearbeitet. Ihm ist zu wünschen, dass sie sich als langlebiger erweist, als es im Taschenbergpalais Tradition ist.

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