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Fasten. Frischer Minztee kann eine Alternative sein.

© dpa/Christin Klose

40 Tage kein Fleisch und kein Alkohol: Wie bedeutsam ist die Fastenzeit (noch)?

40 Tage vor Ostern beginnt die christliche Fastenzeit. Die einen üben Verzicht, andere essen und trinken wie zuvor. Drei Meinungen, wie man mit dem Fasten umgehen kann.

Kein Fleisch, kein Alkohol, das Fasten hat viele Aspekte und erfährt seit geraumer Zeit wieder mehr Aufmerksamkeit. In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Tagesspiegel-Kolleg:innen, wie sie es mit dem Verzicht halten. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Mehr befreiend als büßend

Ich liebe Karneval. Die Suche nach der richtigen Verkleidung, das Ausgelassene, die immer gleichen Lieder über das schöne Leben in einer hässlichen Stadt am Rhein. Die darauffolgende Fastenzeit lasse ich jedoch guten Gewissens aus. Denn mein Jahr habe ich dann schon mit Verzicht begonnen, während des gesamten Januars trinke ich keinen Alkohol. Dieser Dry January hat mich mehr abgeholt als es ein kirchlich verordnetes Verbot je getan hat. Schon als Schülerin einer katholischen Grundschule hatte das 40-tägige Fasten vor Ostern für mich etwas Bedrohliches.

Dass diese Periode damit begann, dass uns beim morgendlichen Schulgottesdienst Kreuz auf die Stirn gepinselt wurde, machte es nicht besser. Als ich aber als Erwachsene mit dem Dry January begann, wirkte dieses Verzichten auf einmal mehr befreiend als büßend. Ich tue es, wie viele andere auch, nicht, um einer höheren Macht zu gefallen, sondern um mir bewusst zu machen, wie prall unser Leben ist, voller Verlockungen und Gelegenheiten, das Falsche zu tun.

Religiös motivierte Handlungen sind prinzipiell immer subjektiv. Sie können nicht Maßstab für das Verhalten in einer säkularen Gesellschaft sein. 

Schreibt Community-Mitglied vznwk

Der Mensch will sich selbst adeln

Was macht ein von der Reformation geprägter evangelischer Christ in der Passionszeit? Das Fasten ist ihm suspekt. Es steht im Verdacht, ein äußerer Akt des Glaubens zu sein, wie Wallfahrten und Pilgerreisen. Der Mensch adelt sich selbst, will Charakterstärke, Willenskraft und Leidenserduldung demonstrieren – vor sich, seinen Mitmenschen und womöglich vor Gott.

„Kein Christ ist zu den Werken, die Gott nicht geboten hat, verpflichtet“, schreibt dagegen Luther, „er darf also zu jeder Zeit jegliche Speise essen.“ In den „Augsburger Konfessionen“ werden jene Traditionen verurteilt, „die bestimmte Fastentage und bestimmte Speisen vorschreiben“.

Trotzdem wurde vor einigen Jahrzehnten das Fasten zur Passionszeit von evangelischen Christen wiederentdeckt. „Sieben Wochen ohne“ heißt die Aktion. Der Verzicht auf feste Gewohnheiten soll spirituelle Erfahrungen ermöglichen, dem Heiligen Geist Raum geben. Soll sein. All jenen, die daran scheitern, rät Luther, „das Fasten ganz gehen zu lassen und essen, schlafen, müßig gehen, so viel zur Gesundheit nötig ist“.


Die Fastenzeit entschleunigt und verbindet die Welt

Mit der Fastenzeit ist es wie mit einem Marathon. Zwischenzeitlich ist es anstrengend, doch wir wissen immer, wie weit das Ziel noch entfernt ist. Dies unterscheidet die Fastenzeit von den ach so tollen Neujahrsvorsätzen, die es – seien wir ehrlich – nur gibt, um gebrochen zu werden. Nach Karneval ertönt der Startschuss und an Ostern überqueren wir die Ziellinie. Wir wissen genau, wie lange wir verzichten – und wann wir wieder Rotwein trinken und Sahnetorte essen dürfen.

Wir brauchen die Fastenzeit, damit selbst der erste Schluck Kaffee am Morgen wieder besonders schmeckt. Die Fastenzeit lehrt uns, bescheiden und dankbar zu sein. Sie entschleunigt eine Welt, die nur noch höher, schneller, weiter kennt. Der bewusste Verzicht ist nicht nur gesundheitlich sinnvoll, sondern verbindet auch Menschen auf dem ganzen Planeten: Denn neben dem Christentum wird etwa auch im Islam oder im Judentum gefastet. In so fragilen Zeiten ist selbst diese Art von Völkerverständigung etwas wert.

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