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Am 15. Mai ist Muttertag.

© Bearbeitung: Tagesspiegel/unsplash/Sandy Millar

Tradition auf dem Prüfstand: Ist der Muttertag noch zeitgemäß?

Seit gut 100 Jahren werden am zweiten Sonntag im Mai die Mütter geehrt. Schöner Liebesbeweis oder reine Kommerzveranstaltung – passt der Brauch noch in die heutige Zeit?

Eine Kindertagesstätte in Hessen beschloss kürzlich, das Basteln von Muttertagsgeschenken abzuschaffen. Die Konstellation Mutter/Vater/Kind sei nicht mehr die Norm in heutigen Familien. Der CDU-Politiker Tilman Kuban reagierte empört und machte den Fall öffentlich. Im Netz stieß das auf Unmut, aber auch Zustimmung. Bei manchen steht der Brauch wegen seines kommerziellen Charakters schon länger in die Kritik. Wie zeitgemäß ist der Muttertag noch? In unserem Format „3 auf 1“ geben drei Redakteurinnen ihre Einschätzung. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Der Brauch gehört entstaubt

Dank, Aufmerksamkeit, Wertschätzung für Mütter: Aber bitte doch. Davon gibt es insgesamt eher zu wenig als zu viel. Insofern gehört der Muttertag nicht abgeschafft, aber doch dringend entstaubt. Diese Woche tobte eine Twitter-Erregungswelle rund um eine Kita, die auf das traditionelle Basteln schiefer Geschenke verzichtet. Zu vielfältig die Familienmodelle, zu schmerzhaft vielleicht das Ritual für Kinder, denen die Mutter – oder demnächst beim Vatertag – der Papa zu Hause fehlt. Das ist durchaus nachvollziehbar, und niemand braucht Pappblüten mit Sprüchen wie aus dem Poesiealbum von 1950.

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Aber Eltern, ob alleinerziehend oder im Team in welcher Besetzung auch immer, können jede Wertschätzung gebrauchen. Vom eigenen Kind – was könnte es Schöneres geben? Und unbedingt auch von der Gesellschaft als Ganzes. Der täte es allerdings gut, wenn die Sorge für Kinder nicht immer noch überproportional oft auf den Schultern der Mütter lasten würde. Ein Elterntag wäre deshalb das viel bessere Signal.


Weg mit dem Muttertag – und dem Kindertag!

Dass der Muttertag mit Kommerz verbunden war, begriff ich schon als Kind, als ich meiner eigenen Mutter Gedichte schrieb oder Aschenbecher töpferte (es waren die 80er). Sie sagte ja auch andauernd, dass sie keine Geschenke und Blumen erwarte, die sie selbstverständlich doch von uns bekam. Genauso sagte ich, Jahre später, dass ich keine Geschenke erwarte. Soweit war mir das Spiel bekannt.

Nicht vorbereitet war ich auf den sogenannten Kindertag. Der kam überraschend, genau wie die Forderung der Tochter, sofort ein Geschenk herauszurücken. Anscheinend war irgendwann in meinem Erwachsenwerden ein weiterer Tag dazu gekommen, an dem Präsente über den Tisch geschoben werden. Wie konnte es nur dazu kommen? Inzwischen wären meine großen Kinder beleidigt, wenn sie noch Plunder zum Kindertag bekämen.

Aber ich kämpfe den Kampf zur Abschaffung des Tags weiter – für alle Mütter und, ja auch, Väter, in diesem Land. Deswegen: Liebe Kinder, wie jeder Tag Muttertag ist, sollte jeder Tag Kindertag sein. Ihr braucht dafür keine Geschenke, wir Eltern keine Stehrümchen, sondern alle brauchen ein wenig Liebe und Hilfsbereitschaft.


Ein Tag der Dankbarkeit

Ich erinnere mich gut daran, wie skeptisch meine Mutter schaute, wenn wir ihr am Muttertag die Geschenke überreichten. Pflichtschuldigst hingeschluderte Geschmacklosigkeiten, angeleitet von pädagogischen Fachkräften mit Sinn für Tradition. Damals lernte ich, dass diese Tradition in einem krassen Widerspruch steht, nicht nur zur tatsächlichen Wertschätzung der Mutter in Gesellschaft und Familie, sondern auch zu dem Frauenbild, für das die Generation meiner Mutter kämpfte.

Trotzdem war ich beleidigt, als ich an meinem ersten eigenen Muttertag keinen Blumenstrauß bekam, sondern einen Streit darüber, wer nachts länger das Baby getragen hat. Lieber ein Vater, der sich kümmert, als einer, der Rosen kauft, hörte ich meine Mutter predigen und recht hat sie natürlich.

Dass ich den Muttertag hier verteidige, liegt nicht daran, dass mit der Gleichberechtigung schon alles in Ordnung wäre. Sondern daran, dass ich mich allem Stress zum Trotz hin und wieder selbst gern daran erinnere, dass ich dankbar bin, Mutter zu sein.

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