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Ingo Bach

© Tagesspiegel/Nassim Rad

Die gute Nachricht: Bessere Vorhersagen, ob eine Krebstherapie funktioniert

Vor dem Beginn einer medikamentösen Tumorbehandlung ist oft nicht klar, ob ein Wirkstoff Erfolg haben wird. Die Massenspektrometrie könnte dieses Dilemma bald beenden.

Eine Kolumne von Ingo Bach

In der Therapie eines bösartigen Tumors, ob er nun operierbar ist oder nicht, stellt sich den behandelnden Onkologen immer schnell eine entscheidende Frage: Welche Wirkstoffe kann ich einsetzen, um die entarteten Zellen zu bekämpfen? Heute stoßen Ärzte trotz immer ausgefeilterer Diagnostik sogar auf Genomebene an Grenzen: Sie können häufig nicht voraussehen, ob ein Wirkstoff den erhofften Erfolg bringen wird, ohne ihn einzusetzen. Doch wenn man erst abwarten muss, ob die angewendete Therapie Wirkung zeigt, ist es womöglich schon zu spät für effektive andere Behandlungsoptionen, weil der Tumor zwischenzeitlich vielleicht noch aggressiver wächst.

Ähnlich die Gefahr, wenn die richtigen Arzneimittel eingesetzt wurden und Erfolg zeigen. Denn „früher oder später“ entwickelten viele Tumorzellen gegen Wirkstoffe eine Resistenz, sagt Ulrich Keilholz, Direktor des Charité Comprehensive Cancer Center. Und wenn man erst reagieren kann, wenn die Behandlung offensichtlich keinen Erfolg mehr zeigt, könnte es auch hier zu spät sein für eine andere Option.

Es geht darum, die Präzisionsmedizin, also die individuelle Behandlung von Patientinnen und Patienten, deutlich zu verbessern und Therapieresistenzen aufzuklären.

Ulrich Keilholz, Krebsmediziner

Beide Probleme könnten demnächst weit besser, also frühzeitiger gelöst werden, als bisher. Wissenschaftler der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin erforschen – unter dem Projektnamen MSTARS – die Anwendung der sogenannten Massenspektrometrie in der Krebsdiagnostik. Bei der Massenspektrometrie werden die Proben in ihren gasförmigen Zustand versetzt und dann die Menge sämtlicher Bestandteile bis auf einzelne Moleküle bestimmt.

So lassen sich Tausende Proteine aus dem Stoffwechsel einer Zelle aus Gewebe- oder Blutproben analysieren – und immer genauer prognostizieren, ob eine Krebszelle überhaupt auf ein bestimmtes Medikament reagieren oder ob sie im weiteren Verlauf der Therapie dagegen unempfindlich werden wird.

Und daraus abgeleitet können Mediziner für die individuellen Merkmale eines Tumors jedes einzelnen Patienten maßgeschneiderte Wirkstoffe einsetzen und deren Wirkung besser vorhersagen. Bei dem MSTARS-Projekt – dessen millionenschwere Förderung das Forschungsministerium jüngst um drei weitere Jahre verlängert hat – gehe es letztlich darum, die „Präzisionsmedizin, also die individuelle Behandlung von Patientinnen und Patienten, deutlich zu verbessern und Therapieresistenzen aufzuklären.“

Auch sogenannte genomische Biomarker – DNA-Reste von Tumorzellen, die im Blut schwimmen – dienen solch einer Charakterisierung von Krebszellen, um beispielsweise das Ansprechen auf eine molekular-gezielte Therapie abschätzen zu können. „Aber längst nicht jeder Tumor gibt eine für den Nachweis ausreichende Menge an DNA-Bestandteilen ans Blut ab“, sagt Keilholz. Daher richte sich die Forschung zunehmend auch auf veränderte Eiweiße im Blut und Gewebeproben.

Noch gebe es für die Krebsmedizin keine praktischen Anwendungen dieser klinischen Massenspektrometrie. Aber aus der Biochemie wurde in Zusammenarbeit mit der Infektiologie bereits ein erstes Anwendungsfeld an der Charité entwickelt. „Bei der durch Corona verursachten Lungenentzündung lässt sich jetzt schon mithilfe der Eiweißanalyse durch die Massenspektrometrie vorhersagen, ob ein stationärer Patient auf die Intensivstation verlegt werden muss oder sich so wieder erholt“, sagt Keilholz.

Ähnliche Erfolge sieht der Onkologe nun auch für sein Fachgebiet. „Ich erwarte, dass wir bereits in wenigen Monaten die ersten klinisch relevanten Ergebnisse haben werden.“

Ausnahmsweise erscheint diese Kolumne wegen des heutigen Weltkrebstages an einem Sonnabend. Ab der kommenden Woche erscheint sie wie gewohnt wieder immer donnerstags. Alle bisher erschienen Folgen der Kolumne finden Sie auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

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