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Nahrungsergänzungsmittel fluten geradezu den Markt.

© dpa/Robert Michael

Wohlgenährt: Sind Vitaminpillen, Pulver und Co. gefährlich?

Anders als Medikamente müssen Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland keinen strengen Zulassungsprozess durchlaufen. Das birgt Risiken für ihre Konsumenten.

Eine Kolumne von Hauke Hohensee

Ein Blick in die Statistik des zuständigen Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) verrät, wie groß der Hype um Nahrungsergänzungsmittel wirklich ist. Meldeten Hersteller 2012 noch etwas mehr als 5000 Präparate beim BVL an, waren es 2021 schon mehr als 40.000 Anzeigen. Ungefähr 90 Prozent betreffen neue Produkte, der Rest sind Änderungen an bereits verkauften Mitteln.

Das Problem: „Kein Mensch in Deutschland kontrolliert, ob in einem Nahrungsergänzungsmittel wirklich das drin ist, was draufsteht“, sagt Juliane Heydenreich, Juniorprofessorin für Ernährung und Sport an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Denn anders als Medikamente müssen Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland keinen strengen Zulassungsprozess durchlaufen, um vorab Wirksamkeit und Sicherheit zu belegen.

Damit ein Produkt auf dem deutschen Markt verkauft werden darf, genügt bereits eine Anzeige per Formular beim BVL mit einigen grundlegenden Informationen zu Hersteller und Produkt. Auch bei der Dosierung müssen es die Produzenten nicht allzu genau nehmen.

Mengenangaben auf der Verpackung von Arzneimitteln dürfen höchstens um fünf Prozent von der tatsächlichen Dosierung abweichen. Bei Nahrungsergänzungsmitteln werden bis zu 50 Prozent toleriert. „Darüber hinaus gibt es abgesehen von wenigen Ausnahmen keine festgelegten Höchstmengen für Inhaltsstoffe“, so Heydenreich.

Juliane Heydenreich, Juniorprofessorin an der Gutenberg-Universität Mainz

© privat / Clemens Raiber

Sind die Produkte schließlich im Umlauf, erfolgt wie bei Lebensmitteln eine stichprobenartige Kontrolle von Betrieben und Produkten. Dafür sind wiederum die Bundesländer mit ihren Behörden zuständig. „In erster Linie liegt die Lebensmittelsicherheit jedoch in der Verantwortung der Betriebe“, sagt Heydenreich.

Dabei legten Studien nahe, dass rund 15 Prozent aller Nahrungsergänzungsmittel mit Doping-relevanten Substanzen wie zum Beispiel Stimulanzien verunreinigt sind, so die Expertin. „Das reicht von der Vitamin-C-Tablette, die ich im Supermarkt kaufen kann, bis hin zu irgendeinem Fatburner aus dem Internet.“

Sie rät dazu, auf Kombinationspräparate zu verzichten, um das Risiko zu minimieren, und nur die Nährstoffe einzunehmen, die man tatsächlich braucht.

Doch auch die Wirksamkeit vieler Mittel ist mindestens umstritten. Gerade für Vitamine und Mineralstoffe in Kapselform gilt laut Heydenreich: „Der Körper hat oft gar nicht die Möglichkeiten, die Nährstoffe innerhalb der kurzen Zeit, die sie im Darm verweilen, vollständig aufzunehmen. Auch weil natürliche Lebensmittel über eine deutlich geringere Nährstoffkonzentration verfügen.“

Nichtsdestotrotz gebe es bestimmte Situationen, in denen die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll sein könne und der Nutzen die Risiken überwiege. „Das ist der Fall, wenn beispielsweise ein Nährstoffdefizit klinisch festgestellt wird oder wenn die Ernährungsweise nicht alle essenziellen Nährstoffe liefert“, so Heydenreich.

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