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© picture alliance / Zoonar / Robert Kneschke

Erneuter Rückgang 2022: Nur zehn Organspender pro eine Million Einwohner

Schon seit Jahren zeigt der Trend nach unten. Doch für das vergangene Jahr gibt es besonders schlechte Nachricht für die 8500 schwer kranken Patienten auf der Warteliste.

Ernüchterung bei Medizinern: Die Zahl der Organspenden ist im vergangenen Jahr weiter gesunken. Wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am Montag in Frankfurt mitteilte, gab es 2022 6,9 Prozent weniger Spenden als 2021. Im vergangenen Jahr haben 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet – 64 weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch die Summe der entnommenen Organe sank demnach von 2905 auf 2662.

Damit gab es in Deutschland 2022 nur etwas mehr als zehn Spender pro eine Million Einwohner. Gleichzeitig stehen rund 8500 Menschen in Deutschland auf den Wartelisten für ein Organ. „Wir stehen bei der Organspende immer noch vor großen Herausforderungen“, sagte der Medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel.

Der Einbruch kommt einigermaßen überraschend. Denn die Bilanz für 2021 hatte die Zuversicht ausgelöst, dass Deutschland vergleichsweise gut durch die Corona-Zeit kommt. Die Zahl der Organspenden war, anders als in anderen europäischen Ländern, stabil und auf dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 geblieben.

Dann allerdings gingen die Zahlen im ersten Quartal 2022 um beinahe 30 Prozent zurück. Zum einen, weil Corona-positive Spender von einer möglichen Spende ausgeschlossen wurden – bis mehrere Studien das für nicht nötig befanden.

Weitere Gründe sind laut DSO die Covid-19-Pandemie und die daraus resultierenden Krankenstände beim Personal in den Kliniken. Beides habe sich Anfang des Jahres negativ ausgewirkt. Danach hätten sich die Zahlen stabilisiert. „Dennoch stellt sich die Frage, warum es nicht gelingt, die Organspendezahlen zu steigern“, sagte Rahmel.

Organspende ist gelebte Solidarität. Der erste Schritt dazu ist, zu Lebzeiten seine Entscheidung zu treffen.

Axel Rahmel, Kardiologe und Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation

Als häufigsten Grund, warum eine Organspende nicht erfolgt, nannte der Kardiologe die Haltung der Angehörigen. Der Wille eines möglichen Organspenders sei oft gar nicht dokumentiert. Es sei an der Zeit, „die Organspende endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen“, sagte Rahmel.

Umfragen zeigten immer wieder, dass acht von zehn Bürgern die Organspende befürworteten. Angehörige entschieden sich aus Unsicherheit trotzdem häufig dagegen. Hier könne nur Aufklärung etwas verändern – und möglicherweise auch eine Widerspruchsregelung.

Das würde bedeuten, dass alle Menschen zunächst automatisch als Spender gelten sollen – außer, man widerspricht. Ein erster Anlauf hierzu war im Januar 2020 gescheitert. Stattdessen beschloss der Bundestag eine moderatere Gesetzesregelung, wonach Organspenden nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt bleiben.

Lauterbach dringt auf neue Spenderegeln

Demnach soll aber eine stärkere Aufklärung mehr Bürger dazu bewegen, konkret über eine Spende nach dem Tod zu entscheiden. „Organspende ist gelebte Solidarität, der erste Schritt dazu ist, zu Lebzeiten seine Entscheidung zu treffen“, appellierte Rahmel.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dringt angesichts deutlich gesunkener Organspendezahlen auf einen erneuten Anlauf für grundlegend neue Spenderegeln. „Das geltende Gesetz ist gescheitert“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Der Bundestag sollte einen erneuten Anlauf nehmen, über die Widerspruchslösung abzustimmen, sagte er. „Das sind wir denjenigen schuldig, die vergeblich auf Organspenden warten.“

Insgesamt wandten sich die deutschen Krankenhäuser im vergangenen Jahr 3256 Mal an die DSO, um einen möglichen Organspender zu melden. In 2387 Fällen wurde daraus nichts. 1185 Mal lag es an einer fehlenden Einwilligung.

Eugen Brysch, Vorstand der „Deutsche Stiftung Patientenschutz“, wirft Lauterbach vor, die beschlossene Initiative zur Förderung der Organspende nicht umgesetzt zu haben. Das sagte er gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Ein Kernstück der Reform, ein neues Register, in dem man Erklärungen zu seiner Spendebereitschaft online speichern kann, wurde bisher nicht eingerichtet. Der Start, der im März 2022 erfolgen sollte, verzögert sich mindestens bis Ende 2023 oder zum ersten Quartal 2024. (mit mica, dpa, KNA)

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