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Ian Donald
Ultraschallbild

© Unsplash

Heute vor 65 Jahren: Der erste Ultraschall

In den 50er Jahren untersucht ein britischer Arzt Gewebe mit Schallwellen. Das Experiment klappt – und führt zu einem medizinischen Durchbruch.

Eine Kolumne von David Will

Im Juli 1955 parkte der britische Gynäkologe und Geburtshelfer Ian Donald sein Auto auf einem Fabrikgelände in Schottland. Aus dem Kofferraum des Wagens holte er eine Reihe seltsamer Utensilien: Gefäße voller Fibrome – gutartiger Geschwülste, die man Patienten in einem Krankenhaus entfernt hatte –, dazu eine ebenfalls entnommene Zyste und außerdem ein gewaltiges Steak.

Zusammen mit einem Kollegen trug er die ungewöhnliche Fracht in ein Fabrikgebäude und führte dort ein Experiment durch, das die medizinische Diagnostik für immer verändern sollte.

Ian Donald war Arzt, er war aber auch Tüftler. In den vergangenen Jahren hatte er bereits zwei Maschinen entwickelt, mit denen er Neugeborene künstlich beatmen konnte. Nun hatte „Mad Donald“,  wie ihn einige seiner Kollegen nannten, ein neues Projekt: Er wollte Ultraschall benutzen, um Wucherungen und Tumore im menschlichen Körper zu finden.

Ian Donald, Gynäkologe, Erfinder des Ultraschallbildes. Source: Reproduced courtesy of Medical Illustration Services Glasgow Royal Infirmary

© Medical Illustration Services Glasgow Royal Infirmary

Die Idee war einfach: Ultraschall dringt durch menschliches Gewebe und ist dabei harmlos. Könnte man also das Echo der Schallwellen nutzen, um dieses Gewebe zu vermessen? Eine ähnliche Technik benutzte das britische Militär seit Jahren, um etwa feindliche U-Boote zu orten. Auch die Industrie verwendete bereits Schalldetektoren, um Bruchstellen in Metallplatten zu aufzuspüren. In der Medizin hatte sich die Technik jedoch trotz erster Versuche in Europa, den USA und Japan noch nicht bewährt.

Doch als Donald und seine Kollegen ihre Mitbringsel an jenem Tag mit einer umgebauten Industriemaschine untersuchten, zeigten sich tatsächlich je nach Testobjekt unterschiedliche Muster. Und in weiteren Versuchen gelang es der Forschungsgruppe, Wucherungen im Körper von Patienten zu diagnostizieren. Eine dieser Wucherungen stellte sich dabei als 14 Monate alter Fötus heraus – die erste Ultraschall-Schwangerschaftsdiagnose der Welt.

Am 7. Juni 1958, heute vor 65 Jahren, veröffentlichen die Forscher die Ergebnisse ihrer Forschung in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“. „Mad Donald“ und sein Team zeigten damit der Welt, dass sich Ultraschall tatsächlich im klinischen Alltag nutzen ließ. In den Folgejahren entwickelten sie den ersten kommerziellen Apparat, mit denen Ärztinnen und Ärzte in ganz Europa Schwangerschaften beobachten konnten – und revolutionierten so die Pränataldiagnostik.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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