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Zusammenstöße mit israelischen Streitkräften in Jenin im israelisch besetzten Westjordanland.

© Reuters/Raneen Sawafta

Acht Tote Palästinenser: Israels Armee beginnt groß angelegte Offensive im Westjordanland

Jenin gilt seit Jahrzehnten als Hochburg militanter Palästinenser. Am Montag greift die israelische Armee die Stadt mit Drohnen und etwa tausend Soldaten an.

Die angespannte Sicherheitslage im Westjordanland ist am Montag weiter eskaliert: Israels Armee, die IDF, begann in der Nacht auf Montag eine großangelegte Offensive in der palästinensischen Stadt Jenin.

Zunächst griff sie ein Kommando- und Kontrollzentrum, das von mehreren terroristischen Gruppen wie der Hamas und dem Islamischen Dschihad genutzt worden sein soll, per Drohne an. Anschließend rückten rund tausend Soldaten in die Stadt vor – IDF-Angaben zufolge, um Waffen zu konfiszieren, Verdächtige festzunehmen und weitere terroristische Infrastruktur zu zerstören.

Die Operation war bis Montagnachmittag noch nicht abgeschlossen; bis zu diesem Zeitpunkt kamen dabei mindestens acht Palästinenser ums Leben, IDF-Angaben zufolge allesamt Terroristen; rund 50 weitere Menschen verletzt.

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Palästinenser sind bei der israelischen Militäroperation getötet worden

„Wir werden proaktiv und entschlossen gegen den Terrorismus vorgehen“, sagte Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant. „Jeder, der den Bürgern Israels schadet, wird einen hohen Preis zahlen.“

Der Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Nabil Abu Rudeineh, wiederum bezeichnete den Einsatz als „Kriegsverbrechen“. Er rief die internationale Gemeinschaft auf, „ihr beschämendes Schweigen zu brechen und ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen“.

Schon Mitte Juni hatte die IDF einen umfangreichen Militäreinsatz in Jenin durchgeführt, wobei sieben Palästinenser ums Leben kamen und sieben Soldaten verwundet wurden. Zur Vergeltung erschossen zwei Palästinenser vier Israelis nahe der israelischen Siedlung Eli nördlich von Ramallah.

Jeder, der den Bürgern Israels schadet, wird einen hohen Preis zahlen.

Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant

In den darauffolgenden Tagen griffen Gruppen israelischer Siedler mehrere palästinensische Ortschaften an, setzten Autos und Gebäude in Brand. Israels Sicherheitsdienste verurteilten die Überfälle als „nationalistischen Terror“.

Jenin gilt seit Langem als Hochburg terroristischer Gruppen. Männer aus dieser Gegend haben laut IDF-Angaben seit Anfang des Jahres insgesamt 50 Schussattacken auf Israelis durchgeführt. Vor einer Woche wurden von dort sogar zwei Raketen abgeschossen, die allerdings nicht weit flogen.

Dennoch hält der israelische Sicherheitsexperte Kobi Michael vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) den psychologischen Aspekt dahinter für „sehr bedeutsam“. Der Abschuss „signalisiert den Palästinensern: Wir können das. Das ermutigt mehr junge Palästinenser, sich Terrorgruppen anzuschließen, und schwächt die Palästinensische Autonomiebehörde weiter.“

Palästinensische Autonomiebehörde hat die Kontrolle verloren

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die den großen palästinensischen Städten im Westjordanland eigentlich für Sicherheit zuständig ist, hat in Jenin schon vor geraumer Zeit die Kontrolle verloren; sie ist geschwächt von Finanzproblemen, Korruption und einem stetigen Ansehensverlust.

Unter israelischen Sicherheitsexperten sowie moderaten Politikern gilt der Erhalt der PA dennoch als wichtig für Israels Sicherheit. Die radikaleren Minister der rechts-religiösen Regierung, etwa Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich, beschreiben die PA dagegen als feindliche Organisation, die es aufzulösen gelte.

In der Folge müsste Israel die gesamte Kontrolle über das Westjordanland übernehmen, wodurch eine mögliche Zwei-Staaten-Lösung in noch weitere Ferne rückte.

Worauf warten wir? Darauf, dass Jenin zu Gaza wird?

Der rechte Politiker Danny Danon

Schon länger drängen Vertreter der rechts-religiösen israelischen Regierung auf ein härteres Vorgehen im Westjordanland. „Worauf warten wir?“, fragte Danny Danon von der rechten Likudpartei nach dem Raketenabschuss in Jenin. „Darauf, dass Jenin zu Gaza wird?

Anders als in den meisten anderen Politikfeldern besteht in Fragen nationaler Sicherheit jedoch weitgehend Konsens zwischen Regierung und Opposition. Und auch der INSS-Experte Kobi Michael beschrieb den Einsatz vom Montag als „notwendig, sogar schon vor einem Jahr“.

Allerdings reiche es nicht, taktisch gegen Terror vorzugehen. Die Regierung müsse eine strategische Entscheidung treffen, welches Ziel sie im Westjordanland verfolge: die Stärkung der PA oder deren Auflösung? Solange eine solche Entscheidung fehle, „werden die Erfolge der militärischen Operation sehr begrenzt bleiben“.

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