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Prinz William küsst seinen Vater.

© PICTURE ALLIANCE / ASSOCIATED PRESS/Yui Mok

Der Tag seines Lebens: So verlief die Krönung von Charles III. in London

Mit Zepter, Schwert und Reichsapfel: Vor 2300 Gästen schwor der König seinen Eid. 74 Jahre musste Charles auf diesen Tag warten.

Man muss annehmen, dass dies der Moment seines Lebens ist. Als man King Charles III, da hat er den Königseid auf die Bibel schon geschworen, den prachtvollen Umhang aus Hermelin abnimmt, mit dem er die Westminster Abbey betreten hatte, und auch die goldene „Supertunica“ von seinen Schultern hebt, da sieht es auf einmal aus, als würde Charles nun im letzten Hemd vor seinen Schöpfer treten.

Er nimmt Platz auf dem schon etwas abgewetzten Krönungsstuhl aus 700 Jahre alter Eiche. Und dann? - Verschwindet er erst einmal hinter einem Wandschirm, auch der „Salbungsschirm“ genannt, der auf drei Seiten um ihn herum aufgebaut wird. Dahinter soll es dann einen persönlichen Moment nur für Charles, den Erzbischof von Canterbury und Gott geben.

Er wird dort mit heiligem Olivenöl aus Jerusalem beträufelt, „nicht von einem Kellner, wie ein Salat, sondern von einem Erzbischof, wie ein Halbgott“, hatte die schottische Schriftstellerin A.L. Kennedy gelästert.

74  Jahre alt musste Charles werden für diesen Krönungstag, auf den er ein Leben lang vorbereitet wurde. Soeben war er mit seiner Camilla im spargelfarbenen Hermelin in die Kirche gekommen, klangen aus dem Chorgestühl die klarsten Stimmen, hörte man frisch komponierte Musik.

In den Bänken sitzen 2300 Menschen mit den höchsten Würden, Titeln und Meriten. Nick Cave umgeben von Adel, Stephen Fry, Lionel Ritchie, Ursula von der Leyen, mehrere Ex-Premierminister -ministerinnen, Andrew Lloyd Webber, Jill Biden und Kate Perry. Die enge Familie ist da, und in Reihe drei sogar Prinz Harry von Kalifornien.

Heute ohne Wahlverwandte: Prince Harry kam nur für ein paar Stunden ohne Meghan, Archie und Lilibet nach London.

© REUTERS/Dylan Martinez

Ein Requisitengewitter ist dieser Tag, bei dem auch mehrere Kronen zum Einsatz kommen, darunter die Edwards-Krone für Charles, die für seinen Dickkopf erweitert werden musste. Außerdem die Queen-Mary-Krone für Camilla, aus der diskreterweise der Diamant Koh-i-noor entfernt wurde, weil gleich drei Länder ihn zurückfordern.

Ich komme nicht, um bedient zu werden, sondern um zu dienen.

King Charles III.

„Ich komme nicht, um bedient zu werden, sondern um zu dienen“, liest King Charles eingangs vom Blatt. „Wir krönen einen König, damit er dient“, bekräftigt der Erzbischof von Canterbury in seiner Predigt. „So wie Jesus gesalbt wurde, nicht um bedient zu werden, sondern um zu dienen.“ Nur „mit dem Geist Gottes“ sei das Gewicht der Aufgabe, die Charles heute aufgegeben werde, tragbar.

2300 Gäste dabei

Für den König ist das alles nicht neu. Sein Motto als Prince of Wales war: „Ich dien“. Hier wirkt es wie eine Beschwörung der Bescheidenheit in einer Zeit, in der der Königsfamilie da draußen kleptokratenhafte Züge vorgeworfen werden.

Die alten, kostbaren Gewänder, würden „aufgetragen“ hieß es im Vorfeld. Es sei auch ein Zeichen für Nachhaltigkeit, wenn nun die alten Dinge wieder benutzt würden. Und das war natürlich ein gehöriger Euphemismus.

Für jeden einen Krone.

© AFP/Andrew Matthews

Aura entsteht, sagte Walter Benjamin, durch den Eindruck einer Ferne, und die muss offenbar auch hier, in der Westminster Abbey produziert werden.

Und es ist schon etwas kurios: Da hat sich einer 2300 Gäste eingeladen, Fernsehteams übertragen das Ganze in weit mehr als die 56 Länder des Commonwealth, nur, um sich dann, wenn es wichtig wird, einen Moment der Privatheit herauszunehmen. Aber da taucht der gesalbte König schon wieder auf hinter dem Schirm, auf dem die 56 Länder des Commonwealth gestickt sind.

Selfie in der Kathedrale. Katy Perry und Nadia El-Nakla, die Ehefrau des schottischen Premierministers.

© REUTERS/Pool

Charles muss nun einige Dinge berühren: goldene Sporen, die im 17. Jahrhundert gefertigt worden. Ein Schwert. Armreifen. Charles zieht den weißledernen Krönungshandschuh seines Großvaters an, er passt wie angegossen, noch zwei Zepter berühren und dann: die Krone.

Der Bischof von Canterbury zirkelt sie über seinen Kopf. Kurz sieht es aus, als müsse der Erzbischof sie fest aufschrauben auf das königliche Haupt, aber da: „God save the king!“ rufen der Erzbischof und 2000 Gäste. Der Chor singt.

Charles und Camilla winken vom Palastbalkon.

© REUTERS/MATTHEW CHILDS

Mehr wie eine Belohnung für eine Lebensleistung denn wie ein Versprechen auf eine zukünftige Regentschaft wirkt diese Zeremonie manchmal, wenn Charles sich mit tastenden Bewegungen an seinen Platz begibt. Man muss dem nicht mehr jungen König aus dem Stuhl helfen und seinen Text hinhalten. Vincent Nichols, der katholische Kardinal von Westminster wünscht ihm „a happy eternity“, eine glückliche Ewigkeit, und das ist natürlich wirklich etwas vorausgreifend.

Schwer atmend, ernst, womöglich ist es heiliger Ernst, so sitzt Charles da. Spürt er das Gewicht von allem? Über zwei Kilo Krone, die so genannte „Supertunica“, dann ein sieben Kilo schwerer Mantel voller Metall mit golddurchwirkten Fäden, die Zepter, der Handschuh des Großvaters, die Vergangenheit, die Zukunft. So etwas lastet.

Die Vergangenheit, die Zukunft - und viele Kilo Metall.

© Getty Images/WPA Pool

In der Gegenwart jedoch kommt der Erzbischof von Canterbury nun zum schon vorher umstrittensten Teil der Zeremonie.  Als ein „modernes Element“ hieß es, sollte ein Treueschwur der Öffentlichkeit gegenüber dem König eingeführt werden. Nicht nur die versammelte Gemeinde, sondern auch die Menschen vor ihren Bildschirmen hätten ihn eigentlich mitsprechen sollen.

Das aber wirkte derart von gestern und verursachte so viel Widerstand, dass der Bischof jetzt bloß die Gäste in der Abbey zu einem Schwur einlädt. Und die scheinen nichts dagegen zu haben, denn voll und deutlich spricht die versammelte Gemeinde, auch besetzt mit Oberhäuptern unabhängiger Demokratien, angereist aus der ganzen Welt: „Ich schwöre Seiner Majestät treue Gefolgschaft, wie seinen Erben und Thronfolgern, wie es das Gesetz verlangt. So wahr mir Gott helfe.“ Großbritannien ist ein erstaunliches Land.

Ratzfatz wird dann auch noch Camilla gekrönt, in drei Minuten: den Ring berühren, die Krone, fertig. Trug Charles die meiste Zeit einen heiligen Ernst im Gesicht, kann sich Camilla das Lächeln nicht verkneifen. Es bricht immer wieder aus ihr heraus.

Dass sie gemeinsam mit Charles gekrönt wird in einem weißen Kleid wie seine Braut, dass sie von nun an auch den Titel „Queen“ tragen darf, als erste Frau nach Elizabeth II., ist die wahre Revolution in dieser Geschichte. Sie steigen gemeinsam in die uralte, goldene Kutsche, deren unangenehmes Schaukeln sie nicht müde werden zu betonen.

Schon Elizabeth II. habe 1953 geflucht nach ihrer Krönung. Und dann, Regentropfen auf den Linsen der Fernsehkameras, es würde auch nichts anderes passen zu Charles und seinem melancholischen Temperament, geht es keineswegs in einen Sonnenuntergang, sondern hinein ins Kühle, Vernieselte, Britische. Hinein in die Zukunft.

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