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Charles, William und Camilla in der Royal Albert Hall.

© imago/i Images/IMAGO/Pool / i-Images

Der Wohlfahrtsmonarch hat Geburtstag: Charles III. wird 75 Jahre alt

Lange stand der Brite im Schatten seiner Mutter Elisabeth II., die über 70 Jahre lang den Thron innehatte. Nun feiert Charles als König seinen Ehrentag, und das ohne viel Pomp.

Es ist bei Königs wie bei normalen Menschen auch: Wenn bedeutende höhere Ehrentage anstehen, zerbricht sich das Umfeld den Kopf darüber, wie denn der Jubilar am besten zu befeiern sei. Diesen Spekulationen hat Charles III. vor seinem 75. Geburtstag an diesem Dienstag rasch ein Ende gemacht: Ein normaler Arbeitstag solle es werden, lautet die Verfügung aus dem Buckingham-Palast.

Ganz normal allerdings auch wieder nicht, reisen doch der Monarch und seine Gattin Camilla an diesem Tag eigens nach Didcot bei Oxford. Dort widmet sich die Wohltätigkeitsorganisation Sofea zwei Anliegen, die Charles seit Jahrzehnten am Herzen liegen: einerseits der Ausbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die im Schulsystem nicht recht Fuß fassen konnten; andererseits der Reduzierung von Lebensmittel-Verschwendung, bei gleichzeitig wachsender Not armer Bevölkerungsschichten.

Sein ganz persönliches „Lebensmittelprojekt“ hat Charles anlässlich der Krönung erstmals vorgestellt, nun soll es offiziell angeschoben werden. An der Notwendigkeit der royalen Initiative besteht kein Zweifel: In Großbritannien – wie in anderen Industrienationen auch – werden in verheerendem Umfang Lebensmittel verschwendet. Die Briten sind Weltmeister im Kauf von Fertig-Gerichten und Sandwiches; was nicht verkauft wird, wandert allzu häufig in die Tonne anstatt wenigstens noch Bedürftigen zugute zu kommen.

96
Jahre alt wurde Charles’ Mutter Elisabeth.

In London und anderen Großstädten gibt es längst lokale Netzwerke, die per App Konsumenten mit Supermärkten und Kaffeehaus-Ketten verbinden. Auf diese Weise gehen abends vor Ladenschluss noch rasch Brot, Obst und Gemüse zu stark verbilligten Preisen oder sogar kostenlos über den Ladentisch.

Teile der Familie in der Royal Albert Hall, wo eine Statue von Charles’ Eltern enthüllt wurde.
Teile der Familie in der Royal Albert Hall, wo eine Statue von Charles’ Eltern enthüllt wurde.

© AFP/Chris Jackson

Noch immer aber werden Mittagessen für mindestens 50 Millionen Menschen weggeworfen, und private Mülltonnen sind voll mit teils nicht einmal ausgepackten Lebensmitteln. Rund zwölf Millionen Tonnen Nahrung, so lautet die Schätzung der Fachleute, verderben jährlich, eine Milliarden-teure Verschwendung.

Wenn nur ein geringer Teil dieser Nahrung der zunehmenden Zahl von Bedürftigen zugutekäme, wäre vielen Menschen geholfen. Diese einfache Überlegung will Charles nun vorantreiben, indem er der Idee royalen Glamour verleiht und die vielen längst bestehenden Gruppen und Organisationen wie Sofea unterstützt. Da er in der langen Tradition der Familie Windsor, die seit gut 100 Jahren ihre zunehmend geringere konstitutionelle Rolle durch wohltätige Initiativen ausgleicht.

„Welfare Monarchy“ nennen das die Briten, Charles hat das Konzept verinnerlicht. Vor beinahe 50 Jahren gründete der damalige Thronfolger den „Prince’s Trust“ zur Förderung benachteiligter Jugendlicher, einige Jahre später kamen ein Fonds zur Förderung ganzheitlicher Lebensführung und eine Stiftung zum Erhalt baufälliger Herrenhäuser hinzu. Weil alle diese Organisationen das Wort Prinz im Namen führten, wurden sie jetzt umbenannt, um eine Verwechslung mit den Anliegen des derzeitigen Thronfolgers Prinz William auszuschließen.

Mit anderen Mitgliedern der Familie und engen Freunden wird der 41-Jährige seinen Vater am Dienstagabend bei einem privaten Dinner in Clarence House, der royalen Residenz in London, hochleben lassen. Ein bisschen gefeiert wird also doch, zumal Charles auf ein durchaus erfolgreiches Lebensjahr, das erste vollständige an der Spitze der Familie, zurückblicken kann. Staatsbesuche in Deutschland, Frankreich und Kenia hat das Königspaar ebenso souverän absolviert wie die Krönung im Mai.

Vergangene Woche machte der Monarch auch bei der Eröffnung der neuen Parlamentssession Bella figura, allen hohlen Phrasen zum Trotz, die ihm der schwächelnde Premierminister Rishi Sunak zur Verlesung der Regierungserklärung vorgelegt hatte. Immerhin durfte Charles an seine „geliebte Mutter“, die im vergangenen Jahr 96-jährig verstorbene Queen, erinnern. Am Samstag enthüllte der Erstgeborene neu gefertigte Bronzestatuen seiner Eltern, die nun den Haupteingang der Royal Albert Hall flankieren.

Diese neue Statue zeigt Elisabeth II.
Diese neue Statue zeigt Elisabeth II.

© AFP/MAJA SMIEJKOWSKA

Einen Wermutstropfen gibt es bei der kleinen Privatfeier freilich auch, bleibt doch der Platz von Harry, Charles‘ jüngerem Sohn, unbesetzt. Und weil die Londoner Medien das Verhältnis zwischen dem König und dem exilierten Problemprinzen aus Montecito mit Argusaugen betrachten, schossen sofort die Spekulationen ins Kraut: Der 38-Jährige habe seinen Vater düpiert, hieß es zunächst; aber nein, Harry sei gar nicht eingeladen worden, lautete die Replik aus Kalifornien.

Mit diesem ungeklärten Konflikt geht der Monarch also ebenso ins 76. Lebensjahr wie mit der unbeantworteten Frage, ob es langfristig, trotz dessen Nähe zu verurteilten Sexualverbrechern, eine royale Zukunft für seinen jüngeren Bruder Andrew geben kann.

Im Vergleich zu solch kniffligen Familienproblemen stellt die Beschäftigung mit unterprivilegierten jungen Leuten und mit der umweltfreundlicheren Verwendung von Lebensmitteln geradezu eine Erholung dar. Die Nation solle sich an Projekten wie Sofea beteiligen oder wenigstens individuell darauf achten, dass weniger weggeworfen wird, wünscht sich der Monarch, und beantwortet damit auch die quälende Frage, was man denn einem wohlsituierten 75-Jährigen an seinem Geburtstag schenken solle.

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