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Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius  während des Treffens der EU-Verteidigungsminister im Europäischen Rat.

© dpa/Virginia Mayo

EU will mehr Waffen an Ukraine liefern: Eine „Kampfjet-Koalition“ zeichnet sich ab

Verteidigungsminister Pistorius sieht in Flugzeuglieferungen kein Eskalationsrisiko. Ärger gibt es mit Budapest – es fordert zunächst Aufhebung von Sanktionen gegen ungarische Bank.

Munition, Panzer und bald vielleicht auch Kampfjets: Die EU will die Ukraine im Krieg gegen den Aggressor Russland weiter massiv unterstützen. Darüber haben die Verteidigungsminister der Union am Dienstag in Brüssel beraten.

Die Lieferungen aus der EU sollen Engpässe bei den ukrainischen Streitkräften verhindern und sie in die Lage versetzen, neue, vielleicht entscheidende Offensiven gegen die russischen Truppen starten zu können.

Im Mittelpunkt der Diskussion steht inzwischen die Bereitstellung von Flugzeugen. Einige EU-Länder wollen sich inzwischen sogar zu einer sogenannten Kampfjet-Koalition zusammenschließen.

In Brüssel bestätigte die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren, dass ihr Land bereit sei, zunächst ukrainische Piloten auszubilden und in einem nächsten Schritt auch F-16-Kampfflugzeuge an Kiew liefern könnte.

Die Niederlande könnten in Europa „mit Dänemark, Belgien, dem Vereinigten Königreich und anderen Verbündeten zusammenarbeiten“, wie Ollongren sagte. Da die Niederlande auf moderne F-35-Kampfflugzeuge umstellen wollten, könne es gegebenenfalls sinnvoll sein, die F-16 abzugeben.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schließt eine wesentliche Beteiligung Deutschlands an der Kampfjet-Koalition für die Ukraine vorerst aus.

Der deutsche Beitrag sei „nicht maßgeblich, weil wir einfach keine F-16-Flugzeuge haben und auch bei der Pilotenausbildung mutmaßlich nicht besonders viel helfen könnten“, sagte Pistorius am Dienstag am Rande des EU-Verteidigungsministertreffens in Brüssel.

Ich sehe kein Eskalationsrisiko an der Stelle.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius auf die Frage, ob Flugzeuglieferungen den Westen stärker in den Krieg ziehen könnten

Auf die Frage, ob die mögliche Lieferung von F-16-Kampfjets auch eine Gefahr darstelle, dass der Westen in diesen Krieg hineingezogen wird, erklärte der Verteidigungsminister: „Ich sehe kein Eskalationsrisiko an der Stelle.“

Angesprochen wurde in Brüssel auch die Lieferung von Marschflugkörpern an die Ukraine. Zuvor hatte Großbritannien angekündigt, Kiew Raketen mit größerer Reichweite zur Verfügung zu stellen. Dazu äußerte sich Boris Pistorius allerdings sehr zurückhaltend.

Kiesewetter sprach über Lieferung von Marschflugkörpern

Zuletzt hat der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter die Lieferung deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine ausgesprochen. Er betonte, diese Waffen ermöglichten der Ukraine „Schläge gegen die militärische Infrastruktur der Russen weit hinter der Frontlinie“.

Der SPD-Verteidigungsminister betonte in Brüssel, Ziel sei es, die Ukraine maßgeblich zu unterstützen, man müsse dabei aber verantwortungsbewusst vorgehen. Gleichzeitig erklärte Pistorius, er sei „der Auffassung, dass wir die Ukraine mit allen völkerrechtlich zulässigen Systemen unterstützen sollten, die es braucht, um diesen Krieg zu gewinnen und die wir imstande sind, zu geben“.

Deutschland könnte bei der Ausbildung helfen

Der Inspekteur der Luftwaffe hält unterdessen einen deutschen Beitrag zur ukrainischen Kampfjet-Koalition für möglich, obwohl Deutschland nicht über die von Kiew bevorzugten Maschinen verfügt. „Nationen, die keine F-16 haben, können hier eher am Rande unterstützen wie bei Infrastruktur oder auch Ausbildung“, sagte Ingo Gerhartz dem Tagesspiegel. Außerdem sind Flugzeuge innerhalb der Nato interoperabel nutzbar, weshalb die Bewaffnung eines deutschen Eurofighters problemlos auf eine F-16 für die Ukraine übertragen werden kann.

Gerhartz bezeichnete es als „eine politische Entscheidung“, inwiefern sich Deutschland an der sogenannten Kampfjet-Koalition beteiligen will, die am Rande des G7-Gipfeltreffens in Japan öffentlich bekannt geworden war. „Nicht zuletzt aufgrund der schnellen Verfügbarkeit setzt die Ukraine nun auf die F16 zur besseren Unterstützung ihrer Landstreitkräfte“, so der Inspekteur der Luftwaffe weiter: „Viele Länder haben ihre Maschinen gerade erst frisch ausgemustert und könnten sie der Ukraine zeitnah liefern.“ Angesprochen wurde in Brüssel zudem die Lieferung von Marschflugkörpern an die Ukraine. Zuvor hatte Großbritannien angekündigt, Kiew Raketen mit größerer Reichweite zur Verfügung zu stellen.

Für großen Ärger im Kreise der Verteidigungsminister sorgte in Brüssel einmal mehr Ungarn, weil Budapest zum wiederholten Male Militärhilfen der EU an die Ukraine blockiert. Hintergrund ist, dass Ungarns größte Bank OTP auf einer ukrainischen Liste mit Unterstützern des russischen Angriffskriegs steht.

Ein ungarischer Regierungssprecher erklärte vor dem EU-Treffen, dass sein Land die neuen Militärhilfen der Union nur befürworte, wenn die OTP-Bank von der Liste gestrichen werde. Konkret blockiert Ungarn eine Aufstockung der sogenannten Europäischen Friedensfazilität (EFF). Dabei handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits Waffen und Ausrüstung liefert sowie die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte fördert.

Verteidigungsminister Pistorius fand dafür ungewöhnlich deutliche Worte und erklärte in Brüssel, er sei „einigermaßen enttäuscht oder irritiert über das Verhalten der ungarischen Freunde“. Er könne die Ungarn vorgebrachten Gründe nicht teilen.

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