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US-Präsident Joe Biden trifft sich mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel im Weißen Haus.

© AFP/OLIVIER DOULIERY

Gipfel der Krisen: USA und EU ringen um gemeinsame Haltung

Die EU wirkt uneinheitlich, Washington blockiert: Das Spitzentreffen im Weißen Haus soll den transatlantischen Schulterschluss demonstrieren, zeigt aber auch, wie sehr die Partner unter Druck stehen.

Es sollte ein Zeichen der Geschlossenheit werden. Doch die Spitzen der Europäischen Union schürten bei ihrem ersten EU-USA-Gipfel in Washington seit zwei Jahren zunächst einmal Spekulationen über ihre Meinungsverschiedenheiten.

Zum Treffen mit US-Präsident Joe Biden erschienen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitag im Abstand von gut 20 Minuten.

Biden sprach mit beiden anschließend getrennt: mit Michel im Kabinettsraum, mit von der Leyen beim Spaziergang durch den Rosengarten und entlang der Kolonnaden. Nur kurz und in größerer Runde saßen sie alle im Kabinettssaal zusammen.

In den vergangenen Tagen hatte es Berichte über Kompetenzstreitigkeiten in der EU gegeben, konkret in der Frage, wer für die europäische Außenpolitik der Union zuständig ist. Entzündet hatte sich die Debatte an von der Leyens Israel-Reise wenige Tagen nach den Terroranschlägen des 7. Oktobers.

Streit um die Haltung zu Israel

Dort hatte sie das Selbstverteidigungsrecht des jüdischen Staates verteidigt, ohne gleichzeitig die Einhaltung des Völkerrechts anzumahnen. Michel und andere kritisierten dies als einseitige Parteinahme für Israel.

Am Freitag im Weißen Haus betonten dann beide EU-Politiker das Selbstverteidigungsrecht Israels im Rahmen des Völkerrechts. Aber von der Leyen dankte Biden zudem für seinen „bemerkenswerten“ Israel-Besuch und warnte wie er den Iran oder von ihm unterstützte Einheiten davor, die derzeitige Situation auszunutzen.

Dass die EU-Unstimmigkeiten sogar im Weißen Haus durchscheinen, unterstreicht, welche Sprengkraft im Nahost-Konflikt liegt. Die Demonstrationen in vielen Städten gegen die harte militärische Antwort Israels auf die Anschläge fordert auch die Regierungen des Westens, die schon durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unter großem Druck stehen.

Biden versucht derzeit mit großem Engagement, seinen Bürgern klarzumachen, dass die Lösung dieser Krisen in ihrem Interesse liege. Ob das gelingt, ist offen. In Umfragen äußern viele Amerikaner Zweifel an der Rolle ihres Landes als Hüter der globalen Ordnung.

Die beiden Kriege werden miteinander verknüpft

Bei der Überzeugungsarbeit sollte der demonstrativ transatlantische Schulterschluss helfen. Fast wortgleich hatten Biden und von der Leyen am Vortag ihres Treffens dafür geworben, die beiden Kriege zusammenzulesen und gegen die Feinde der Freiheit zusammenzustehen.

Der US-Präsident sagte am Donnerstagabend (Ortszeit) bei seiner überhaupt erst zweiten Fernsehansprache aus dem Oval Office: „Die Hamas und (der russische Präsident Wladimir) Putin stellen unterschiedliche Bedrohungen dar.“ Aber beide wollten ihren demokratischen Nachbarn auslöschen.

Amerikanische Führung ist das, was die Welt zusammenhält. Amerikanische Allianzen geben uns, Amerika, Sicherheit.

US-Präsident Joe Biden

Biden mahnte: „Die Geschichte hat uns gelehrt, dass, wenn Terroristen keinen Preis für ihren Terror zahlen, wenn Diktatoren keinen Preis für ihre Aggressionen zahlen, dies zu mehr Chaos, Tod und Zerstörung führt.“

Aggressoren überall auf der Welt, „vor allem der Iran im Nahen Osten“, würden ermutigt, wenn Russland in der Ukraine siegen würde. Biden bezeichnete die Unterstützung der USA für Israel und die Ukraine als entscheidend. „Amerikanische Führung ist das, was die Welt zusammenhält. Amerikanische Allianzen geben uns, Amerika, Sicherheit.“

Russland und die Hamas sind sich sehr ähnlich.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Wenige Stunde zuvor hatte von der Leyen bei einer Rede im Washingtoner Hudson Institute ebenfalls betont, wie sehr die Krisen zusammengehörten. „Russland und die Hamas sind sich sehr ähnlich.“

Beide hätten gezielt unschuldige Zivilisten getötet und entführt, darunter Babys und Kinder. „Das ist eine barbarische Kriegsführung.“ Amerika und Europa müssten nun zusammenstehen und die Freiheit verteidigen.

Das Repräsentantenhaus ist weiter ohne Führung

Hinter diesen konzertierten Appellen steckt auch die Sorge, dass der Krieg in Israel den in der Ukraine in den Hintergrund drängt. Ein Teil der Republikaner im US-Kongress stemmt sich gegen weitere Unterstützung für die Ukraine.

Dass der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Kevin McCarthy, von Hardlinern seiner Fraktion gestürzt wurde, hatte viel damit zu tun. Die Kongresskammer ist seit mehr als zwei Wochen führungslos und damit blockiert. Zeitgleich zum Spitzentreffen im Weißen Haus scheiterte am Freitag ein weiterer Versuch, einen neuen Sprecher zu wählen.

Indem er die beiden Kriegen verknüpft, will Biden den US-Kongress von der Notwendigkeit weiterer Ukraine-Hilfen überzeugen. Am Freitag sandte er ein neues, 105 Milliarden Dollar umfassendes Hilfspaket auf den Capitol Hill. Darin sind 61 Milliarden Dollar für die Ukraine und 14,3 Milliarden für Israel enthalten – sowie 14 Milliarden für die Sicherung der US-Grenze zu Mexiko, ein wichtiges Anliegen der Republikaner.

Von der Leyen versprach am Freitag: „Die Ereignisse im Nahen Osten werden uns nicht von unserer unerschütterlichen Unterstützung der Ukraine abbringen.“ In diesem Punkt zumindest ist sie sich mit EU-Ratspräsident Michel einig.

In der Pressemitteilung der EU nach dem Treffen mit Biden war dann auch wieder von den „gemeinsamen Werten der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit“ die Rede. Auch hieß es: „Wir sind enger miteinander verbunden als jemals zuvor.“ Das Weiße Haus verließen von der Leyen und Michel dennoch wieder getrennt voneinander.

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