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Somalia wurde von verheerenden Dürren heimgesucht. Armut und Unterernährung sind die Folgen.

© Foto: dpa/Farah Abdi Warsameh

Hunger und Klimawandel: Wie wir die Welt richtig ernähren können

Eine veränderte Landwirtschaft würde nicht nur die Sahelzone stabilisieren und gegen Hungersnöte helfen, sondern auch dem Klima nutzen. Ein Gastbeitrag.

Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ist in vollem Gange und wie so oft betrifft es die Ärmsten zuerst. Vier ausbleibende Regenzeiten am Horn von Afrika haben 22 Millionen Menschen zusätzlich in den Hunger getrieben, wegen extremer Hitze sind indische Weizenspeicher – zweitgrößter Produzent weltweit – nur halb so voll wie 2021, die Wassermassen in Pakistan und Nepal haben das Hab und Gut von Millionen Menschen fortgespült und kostbares Ackerland zerstört.

Schätzungen zufolge könnte die globale Nahrungsmittelproduktion wegen der Klimakrise bis Ende des Jahrhunderts um 30 Prozent einbrechen, mit unkalkulierbaren Folgen für eine Weltbevölkerung, die gerade die Acht-Milliarden-Marke überschritten hat.

Doch auch nach 27 Weltklimakonferenzen mit Marathonsitzungen konnte man sich immer noch nicht durchringen, das Problem beim Namen zu nennen und zu sagen: Die Welt muss so schnell wie möglich unabhängig von fossilen Energieträgern werden. Es ist, als wischten wir den Boden des Badezimmers während der Rohrbruch noch immer nicht behoben ist.

Dabei ist der Klimawandel bei allen Krisen und Konflikten vielleicht der Bereich, den man am sichersten voraussagen kann. Niemand braucht eine Glaskugel, um vorherzusehen, dass auch 2023 von extremen Wetterereignissen geprägt sein wird, denn es sind eben keine Naturkatastrophen.

Immerhin, einen Fortschritt gibt es: Die Einrichtung eines Fonds, der die massiven Schäden und Verluste der Klimakrise für die Ärmsten wenigstens teilweise ausgleichen soll.

Schon jetzt sorgen die Schockwellen des Angriffskriegs gegen die Ukraine dafür, dass ohnehin schon hohe Nahrungsmittelpreise durch die Decke gegangen sind. Das merken wir im Portemonnaie, arme Menschen auf ihrem Teller.

349
Millionen Menschen in 79 Ländern sind akut von Hunger betroffen.

Mittlerweile sind 349 Millionen Menschen in 79 Ländern akut von Hunger betroffen – fast dreimal mehr als noch vor drei Jahren. Viele können sich selbst die einfachsten Lebensmittel nicht mehr leisten. Das treibt Menschen auf die Straßen und destabilisiert Staaten, wie in Haiti, Sri Lanka oder Ländern des Sahels.

Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ist in vollem Gange und wie so oft betrifft es die Ärmsten zuerst.

Martin Frick, Deutschlandchef des Welternährungsprogramms

Diese Kaskade der Katastrophen ließe sich endlos fortsetzen. Klima und Hunger sind zwei Seiten derselben Medaille und zusammen mit den vielen Konfliktherden weltweit erschüttern sie rund um den Globus das Fundament unserer Bedürfnispyramide – Nahrung und Sicherheit.

22
Millionen Menschen wurden wegen vier ausbleibende Regenzeiten am Horn von Afrika zusätzlich in den Hunger getrieben.

Zweifellos braucht es viel Geld, um heute zu verhindern, dass Menschen an Hunger sterben und die Schere zwischen Not und lebensrettender Hilfe immer weiter aufgeht. Das muss immer Priorität sein.

Hunger und Ernährungssicherheit können aber auch der Ansatz sein, um das Krisen-Domino zu stoppen und miteinander verflochtene Probleme anzupacken. Dazu muss man im Wortsinn ganz unten anfangen –  bei den Böden. Vereinfacht gesagt, haben wir zu viel Kohlenstoff in der Atmosphäre und zu wenig in den Böden.

Das kann gute Landwirtschaft ändern. Im Sahel zeigen unsere Programme wie man durch simple Anbaumethoden, Kompostieren, Kleingärten, Bäume und einfachste Bewässerungssysteme landwirtschaftlich nutzbares Land zurückgewinnen kann. So können sich Dorfgemeinschaften auch durch Dürren hindurch selbst ernähren.

Nach langer Zeit ohne Regen trocknen Kenias Wasserspeicher aus.

© Foto: Welthungerhilfe/Roland Brockmann

Mit diesem gezielten Ansatz, der besonders Frauen als Bäuerinnen stärkt und sie mit Märkten verbindet, können mit einfachen Mitteln ganze Regionen stabilisiert werden, indem Klima geschützt und Ernährung gesichert wird. Kleinbäuerinnen und -bauern sind dazu in vielen afrikanischen Ländern der Schlüssel.  

Global betrachtet ist der Weg unserer Nahrung vom Feld auf die Teller verantwortlich für über ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen. Hier müssen wir gemeinsam umzusteuern, um unsere Ernährungssysteme so umzubauen, dass wieder mehr lokal und vielfältig angebaut wird. Das heißt nicht nur Weizen, Mais und Reis, der um die Welt gefahren wird, sondern eher lokal gezogener Maniok, Quinoa oder Süßkartoffel. Das reduziert Importabhängkeiten in armen Ländern, ist gesünder und besser für das Klima.

Hunger ist Folge der Klimakrise und unsere Ernährungssysteme ein wichtiger Teil der Lösung. Diese Erkenntnis war einer der wenigen Lichtblicke auf der Klimakonferenz.

Wenn wir Hunger in einem Land bekämpfen, wirkt das Konflikten entgegen und ebnet den Weg zu Frieden in der ganzen Region. Wenn wir das durch gute Landwirtschaft klimagerecht tun, wirkt das weit über die Grenzen hinaus. Ganz nach dem Motto „was wir in einem Land für das Klima tun, bleibt nicht in diesem Land“.

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