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Festtag der Befreiung, am Dienstag auf dem Domplatz in Mailand.

© dpa/Luca Bruno

Italien feiert Tag der Befreiung: Postfaschisten am antifaschistischen Feiertag

Der 25. April gilt Italien als das eigentliche Gründungsdatum der Demokratie. Doch an diesem regieren zum ersten Mal die, deren geistige Großeltern damals besiegt wurden.

| Update:

Jedes Jahr am 25. April feiert Italien den „Tag der Befreiung“. Mehr noch als der Verfassungstag 2. Juni gilt er Italienerinnen und Italienern als eigentlicher Beginn ihrer Republik – und der Demokratie:

An jenem Frühlingstag 1945 rief das CLN, die Führung der Widerstandsbewegung gegen deutsche Besatzung und Mussolinis Regime, zum gemeinsamen Aufstand in ganz Oberitalien auf, das noch immer von den Deutschen besetzt war. Große Städte wie Mailand wurden so von den Partisanen der Resistenza befreit, noch bevor die Alliierten eintrafen.

Der 25. April ist gesetzlicher Feiertag, und er ist eigentlich ein Tag gemeinsamen Gedenkens. Der Widerstand, das waren – im Kampf mit der Waffe wie in der politischen Führung im Untergrund – eben nicht nur die Linken der Garibaldi-Brigaden, sondern Christdemokratinnen, Katholiken, Liberale und Anhänger:innen der Monarchie.

Der 25. April hat leider nicht den blutigen Bürgerkrieg beendet, der das italienische Volk zerriss.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni

Was sie einte, ist allerdings das, was den Feiertag in diesem Jahr ziemlich heikel macht. Die Resistenza war antifaschistisch. Sie richtete sich gegen das, was auf italienisch bündig Nazifascismo heißt: Befreiung wollte sie nicht nur von der brutalen NS-Besatzungsherrschaft, sondern auch vom hausgemachten Faschismus. der das Land zwei Jahrzehnte lang im Griff hatte.

Erneute Erklärung zum faschistischen Erbe

In dessen Tradition freilich stehen die „Fratelli d’Italia“, die Partei von Regierungschefin Meloni. Und allen ihren Versuchen zum Trotz, sich als gute Konservative zu präsentieren, bezieht sich auch Meloni selbst oft genug auf dieses Erbe, positiv.

So etwa, als sie in der Wahlnacht im September ihren Erfolg all denen widmete, „die nicht mehr unter uns sind und die es verdient hätten, diesen Abend zu erleben“, eine deutliche Anspielung auf die alten Kameraden des MSI, jener Vorgängerpartei, in der sich nach 1945 die Nostalgiker des Regimes sammelten.

Diesen ersten 25. April mit einer postfaschistischen regierenden Partei, ihrer nämlich, nutzte Meloni, um erneut ein Wort zu deren Wurzeln zu sagen - und blieb dabei mehrdeutig wie bei früheren Erklärungen, etwa der, man habe „den Faschismus der Geschichte überantwortet“.

Die Nummer zwei im Staat reist ins Ausland

In einem Offenen Brief, den der Corriere della sera abdruckte, lobte Meloni den 25. April als „Wasserscheide“, die die Judenvernichtung, zwei Jahrzehnten Faschismus und die NS-Besatzung beendet habe. Leider habe dieser Tag aber nicht „den blutigen Bürgerkrieg beendet, der das italienische Volk zerriss“: Meloni beklagte gleichzeitig, der Vorwurf des Faschismus werde genutzt, um politische Gegner zu delegitimieren, er sei „eine Art Waffe, um massenhaft auszuschließen“.

Handschlag mit dem Staatspräsidenten. Das Verhältnis von Giorgia Meloni und ihrem Parteifreund Ignazio La Russa (Mitte) zur faschistischen Vergangenheit bleibt freilich mehrdeutig.

© action press/LaPresse/Roberto Monaldo

Anders als Meloni stellte sich Staatspräsident Mattarella in seiner Rede am Dienstag ohne Abstriche auf die Seite des Antifaschismus. Meloni hatte die Verfassung als Text beschworen,“ der zum Ziel hatte zu einen und nicht zu entzweien“ und auf den jahrzehntelangen Ausschluss ihres Lagers aus dem Verfassungsbogen angespielt.

Mattarella sagte dagegen, das Grundgesetz von 1947 sei „Tochter des antifaschisischen Kampfs“. Der Staatspräsident zitierte einen der Väter der Verfassung, Piero Calamandrei: Italiens republikanische Verfassung sei an den Orten entstanden, „wo die Partisanen für Freiheit und Würde starben“.

Dass die Rechnung der Regierungspartei mit der Vergangenheit noch offen ist, hatte vor Tagen viel krasser Ignazio Benito La Russa vorgeführt. La Russsa, Mitgründer von Melonis Partei FdI und als Präsident der zweiten Parlamentskammer, des Senats, protokollarisch die Nummer zwei nach dem Staatspräsidenten, hatte angekündigt, er werde den 25. April in Prag verbringen.

Widerstand feiern in Melonis Viertel

Dort wollte er am Dienstag Jan Palach ehren, den Studenten, der sich aus Protest gegen die sowjetische Niederschlagung des Prager Frühlings 1969 in Prag verbrannt hatte. Anschließend stand ein Besuch im KZ Theresienstadt im Kalender. Ein Besuchsprogramm, das sich ausgerechnet am italienischen Nationalfeiertag als klare Botschaft lesen ließ: Kommunismus und Nazis ja, aber doch der Faschismus nicht!

Zuvor hatte La Russa, nicht zum ersten Mal, versucht, die Grenzen des republikanischen Konsens auszutesten, als er behauptete, der Antifaschismus stehe ja schließlich nicht in der Verfassung. Was ihm unter anderem den Hinweis einbrachte, dass die Verfassung etwa die Wiedergründung der Faschistischen Partei „in jeglicher Form“ verbiete. Die neue Vorsitzende des sozialdemokratischen PD Elly Schlein formulierte es noch kürzer: „Der Antifaschismus ist unsere Verfassung.“

Der Antifaschismus ist unsere Verfassung.

Elly Schlein, Vorsitzende des sozialdemokratischen PD

Das sahen an diesem ersten 25. April der Regierung Meloni auch viele Italiener:innen ähnlich und feierten nicht nur wie üblich mit Blaskapellen und Reden auf öffentlichen Plätzen in Stadt und Land, sondern auch mit einer ungewöhnlichen Fülle an Information.

Mehrere Zeitungen brachten Sonderbeilagen. In Mailand versammelten sich am Feiertag nach Angaben der Veranstalter:innen 100.000 Menschen. In Rom hatte die dreitägige „Festa della Resistenza“ schon am Sonntag nicht genug Platz für alle, die sich für Podiumsdiskussionen über die Frauen im Widerstand oder die Geschichte der katholischen Resistenza interessierten. .

Das sozialdemokratische Kulturdezernat der Hauptstadt hatte sich als zentralen Ort dafür den Stadtteil Garbatella ausgesucht, ein traditionelles Arbeiterviertel. Und der Ort, an dem Giorgia Meloni aufgewachsen ist.

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