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Iranische Unterstützerinnen der Hisbollah.

© Bearbeitung: Tagesspiegel/Imago/Abaca/Hossein Beris

Krieg zwischen Israel und Hamas: Wie kann ein Flächenbrand in Nahost verhindert werden?

Die Angst vor einer Ausweitung des Krieges im Nahen Osten ist groß. Manche halten sie für eine realistische Gefahr. Drei Experten schätzen die Lage ein.

Die Massaker von Hamas-Kämpfern an Zivilisten in Israel haben die Angriffe Israels auf den Gazastreifen ausgelöst. Die Solidarität mit den palästinensischen Opfern ist in arabischen Gesellschaften groß, was die Regierungen unter Druck setzt.

Zudem hat die Intensität des Beschusses Nordisraels durch die libanesische Hisbollah, die von Iran gestützt wird, zugenommen. Daher gibt es die Befürchtung, dass weitere Akteure in den Krieg zwischen Israel und der Hamas eingreifen könnten und dass es so zu einem Flächenbrand kommen könnte.

Drei Fachleute geben ihre Einschätzung dazu. Alle Folgen unserer Kolumne „3 auf 1“ finden Sie hier.


Das Risiko eines Flächenbrandes ist eher begrenzt

Die Frage ist, was man darunter versteht. Eine einige arabische Front gegen Israel gibt es nicht, viele arabische Regierungen sind wohl insgeheim froh, wenn die Hamas besiegt wird. Syrien ist durch den eigenen Krieg geschwächt, die jemenitischen Huthis vermögen einzelne Raketen abzuschießen, sind aber zu weit entfernt und keine echte Gefahr. Iran, das eben beginnt, aus seiner internationalen Isolation auszubrechen, hat wenig Interesse an einem Krieg.

An zwei Stellen besteht die Gefahr eines erheblichen Umbruchs: Der Krieg in Gaza, zusammen mit den Angriffen von israelischen Siedlern auf Bewohner des Westjordanlands, erschüttert die ohnehin schwache palästinensische Autonomiebehörde und könnte sie zum Kippen bringen.

Ebenso ist möglich, dass die Hisbollah – vielleicht aus eigener Initiative, nicht unbedingt auf Geheiß des Iran – Israel angreift. Libanon, ein ohnehin fragiles Gebilde ohne reguläre Regierung, könnte damit vollends aus der Balance geraten, vielleicht auch teilweise besetzt werden.

Eine weitere Gefahr ist, dass der unter vielen Arabern verbreitete Zorn über das Vorgehen Israels, den Tod der Zivilisten und das Aushungern der Bevölkerung, einzelne Regierungen, etwa in Jordanien, schwächt. Insgesamt ist jedoch die Gefahr eines Flächenbrands eher begrenzt.


Kein Staat in Nahost hat Interesse an einem umfassenden Krieg

Was bedeutet die Rede vom Flächenbrand? Ein umfassender Krieg sämtlicher nahöstlicher Staaten? Ich sehe nicht, welcher Staat daran Interesse haben könnte. Ägypten hält sich vornehm zurück und hofft, dass es keinen Flüchtlingsstrom aus Gaza absorbieren muss; Syrien ist am Boden und mit anderem beschäftigt; Herr Erdogan versucht aus der Lage regionalpolitisches Kapital zu schlagen, wird aber nicht über martialische Rhetorik hinausgehen, schließlich ist die Türkei Nato-Mitglied.

Jordanien sieht sich erheblichem Druck durch seine mehrheitlich aus Palästina stammende Bevölkerung ausgesetzt, hat aber gerade aus diesem Grund ein Interesse, die Lage zu beruhigen.

Der einzige Kandidat für eine echte Eskalation ist die libanesische Hisbollah, die ein Klient des Regimes in Teheran ist. Jenes hat die Hisbollah über Jahrzehnte als Mittel der Abschreckung gegen Israel aufgebaut. Warum sollten sie diesen Hebel gefährden?

Denn im Falle einer Eskalation wird die israelische Reaktion so massiv sein, dass der bereits geschwächte Libanon ins ökonomische Chaos fallen und das militärische Potenzial der Hisbollah erodiert würde.


Die arabisch-israelische Allianz hält trotz aller Rhetorik

Der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah, der sich seit Jahren ängstlich in einem Bunker versteckt, fühlte sich bei seiner Rede am letzten Freitag plötzlich nicht zuständig für die Palästinenser: Während Hassan Nasrallah nur warme Worte fand für das terroristische Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten, betonte er auffällig häufig die lokale Dimension des Anschlags und dessen „ausschließlich palästinensischen Charakter“.

Könnte diese Zurückhaltung etwas damit zu tun haben, dass die USA zwei Flugzeugträger ins östliche Mittelmeer verlegt haben – inzwischen ergänzt durch U-Boote und Langstreckenbomber, die mit Atomwaffen ausgestattet werden können?

Hinter den Terroristen von Hamas und Hisbollah steht der Iran – auf ihn zielt die US-amerikanische Abschreckung. Die aggressive Außenpolitik des Iran ist auch der Hauptgrund für die arabisch-israelische Annäherung – und diese Allianz hält bisher, trotz aller öffentlichen Kritik der arabischen Staaten.

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