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Das EU-Parlament ist ein komplexer Kosmos, der nicht nur offen für Lobbyismus, sondern auch Bestechung ist.

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Lehren aus dem EU-Korruptionsskandal: „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“

Die Ko-Vorsitzende der Linken im EU-Parlament, Manon Aubry, fordert Öffentlichkeit für alle Verhandlungen. Und versteht jetzt, warum ihre Kritik an Katar verworfen wurde.

Die Co-Vorsitzende der Europäischen Linken, Manon Aubry, fordert ein „Aufräumen vom Keller bis zum Dachboden“ der europäischen Institutionen als Folge des Korruptionsskandals, der das Europäische Parlament erschüttert. „Die Durchlässigkeit des politischen europäischen Systems für Einflussnahme von außen ist zu groß“, sagte die französische Abgeordnete des EU-Parlaments im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Manon Aubry beim Pressebriefing der Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament

© action press/Dwi Anoraganingrum / action press/Dwi Anoraganingrum

Die 34-Jährige hatte ein Jahr lang vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft vergeblich versucht, die Zustimmung der anderen Fraktionsvorsitzenden zu bekommen, um eine Resolution zu den Menschenrechtsverletzungen in Katar auf die Tagesordnung des Parlaments zu bringen.

Sie fürchtet, dass es sich bei „Qatargate“ nur um die „Spitze eines Eisbergs“ handelt. Marokko habe offensichtlich besonders enge Beziehungen zu den gleichen korrupten Netzwerken mit ähnlichen Methoden gepflegt. Alle Dossiers, die „direkt oder indirekt“ mit Katar und Marokko zu tun haben, würden jetzt mit besonderer „Vorsicht“ und „Aufmerksamkeit“ betrachtet. Aber da könne noch mehr kommen, fürchtet die Vertreterin der französischen Partei „La France insoumise“ von Jean-Luc Mélenchon.

Gekaufte Parlamentarier waren sehr einflussreich

Nach der Aufdeckung des Brüsseler Netzwerkes um den Lebensgefährten der ehemaligen Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili, und Dutzender weiterer Personen, bei dem 1,5 Millionen Euro in Säcken und Rollkoffern beschlagnahmt wurde, ist der Französin klar, warum sie mit ihrem Anliegen einer Katar-kritischen Resolution gescheitert war: „Die gekauften Abgeordneten waren sehr einflussreich in ihren Fraktionen“, so dass ihre Parlamentskollegen ihnen gefolgt seien.

Natürlich sei nicht das ganze Parlament käuflich: Aber „ein gewisser Teil der Abgeordneten: ja“. Erst im Plenum des Parlaments konnte Aubry dann mit knapper Mehrheit eine Katar-kritische Resolution auf die Tagesordnung setzen, die allerdings von sozialdemokratischen und konservativen Fraktionen nicht mitgetragen und nur in abgemilderter Form verabschiedet wurde.

Es gehe hier nicht um individuelle Fälle, sondern das Problem sei „im System angelegt“, sagt Aubry: Um das zu ändern, müsse die EU Hand anlegen an die Grundfesten der Arbeitsweisen ihrer Institutionen: „Verhandlungen sind geheim, werden nicht gefilmt, Journalisten sind nicht zugelassen“ beklagt Aubry.

Die Undurchsichtigkeit der Arbeit der EU-Institutionen erlaubt erst die Einflussnahme wie jetzt durch Katar.

Manon Aubry

Diese „Undurchsichtigkeit“ sei ein „konstitutives Merkmal“ der Arbeit der europäischen Institutionen. Aber damit entfernten sie sich von der demokratischen Kontrolle und erlaubten erst eine Einflussnahme wie man sie jetzt bei Katar erlebt habe. Ob es unter dem Schock des Skandals eine Mehrheit im Parlament für ein solches Anliegen, kann Aubry nicht sagen.

Einfacher durchzusetzen ist wohl die Forderung, alle Treffen der Parlamentarier mit Externen obligatorisch in ein Transparenzregister aufzunehmen und neuerdings auch Treffen mit staatlichen Vertretern von Nicht-EU-Staaten. Außerdem müssten laut Aubry alle Zugangsberechtigungen zum Parlament für Vertreter Katars und Marokkos eingezogen werden.

Und drittens müsse endlich die „Unabhängige Ethikkommission“ geschaffen werden, die die EU-Kommission eigentlich auf ihrer Arbeitsagenda hatte, bevor sie in Vergessenheit geraten sei. „Wenn wir angesichts dieses größten Korruptionsskandals der EU-Institutionen nicht angemessen handeln, kommt uns die europäische Demokratie abhanden“, fürchtet die Co-Fraktionsvorsitzende

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