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Wopke Hoekstra (links) und Maros Sefcovic: Der eine gilt als zielstrebig, der andere als freundlich, aber hart.

© Gestaltung: Seuffert/ Tagesspiegel/imago (2); freepik

Nach Timmermans Weggang: Zieht die neue klimapolitische Doppelspitze in Brüssel am selben Strang?

Nach dem Abgang des EU-Klimachefs Timmermans übernehmen gleich zwei Politiker seinen Job. Der eine sucht die Show, der andere ist zurückhaltend. Wer wird am Ende das Sagen haben?

In der letzten Phase der aktuellen Legislaturperiode hat es Brüssel mit einem neuen klimapolitischen Führungsteam zu tun: dem Slowaken Maros Sefcovic und dem Niederländer Wopke Hoekstra. Das wird nicht einfach.

Der bisherige Klimachef der EU, der Niederländer Frans Timmermans, hat Brüssel kürzlich verlassen, um in seinem Heimatland in den Wahlkampf zu ziehen und dort Ministerpräsident zu werden. Als Erster Vizepräsident der EU-Kommission war er federführend für den Green Deal verantwortlich gewesen. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Strategien und Gesetzen, mit denen die EU bis 2050 klimaneutral umgebaut werden soll.

Nach seinem Rückzug gab EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Green-Deal-Verantwortung an Sefcovic, der der Kommission bereits seit 2019 angehört, – allerdings mit einer Einschränkung. Timmermans hatte eine Doppelrolle ausgeführt: Er war zugleich auch Klimakommissar gewesen. Sefcovic bekommt dagegen einen Klimakommissar zur Seite gestellt: Hoekstra, den bisherigen niederländischen Außenminister.

Die Niederländer hatten ihn als Timmermans-Ersatz nach Brüssel geschickt. Nur: Im Gegensatz zu Timmermans, der Sozialdemokrat ist, gehört Hoekstra der konservativen Partei Christen-Democratisch Appèl (CDA, deutsch: Christlich-Demokratischer Aufruf) an, die in der EU-Politik zur Parteienfamilie Europäische Volkspartei (EVP) gehört. Die EVP versuchte in jüngster Zeit einige Green-Deal-Vorhaben zu blockieren, wie das Verbrenner-Aus oder das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur.

Ehemaliger EU-Klimachef Frans Timmermans: einer, der die Aufmerksamkeit sucht.
Ehemaliger EU-Klimachef Frans Timmermans: einer, der die Aufmerksamkeit sucht.

© John Thys/AFP

Mit dieser Personalentscheidung, so sehen das viele in Brüssel, sind Konflikte unausweichlich. Wie sehr werden Sefcovic und Hoekstra aneinandergeraten?

Timmermans ist einer, der die Aufmerksamkeit sucht: Er lacht laut, lässt seinen Charme spielen; er ist einer, der poltert, durch Sitzungssäle schreit, was für ein Drama der Menschheit in Anbetracht des Klimawandels bevorsteht.

Ein wirtschaftsnaher Technokrat

Sefcovic ist dagegen ein zunächst unscheinbar wirkender Mensch des höflichen Understatements; immer wieder wird er als freundlich beschrieben, als nett, lösungsorientiert, auf Harmonie bedacht. Außerdem gilt er als detailverliebt; er sei eher ein „Technokrat“ als Politiker, sagt man über ihn.

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Der 57-Jährige ist von seiner beruflichen Laufbahn her eigentlich ein Diplomat und gehört keiner Partei an, steht aber den Sozialdemokraten nah. In der Vergangenheit war er aufgrund seines Verhandlungsstils bereits mit schwierigen Dossiers vertraut: So war er für die Brexit-Abwicklung zuständig, für die EU-Schweiz-Beziehungen, den gemeinsamen EU-Gaseinkauf nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Denn trotz aller Freundlichkeit ist Sefcovic auch eins: hart. Und damit der perfekte Abwickler.

„Die meisten der mit dem Green Deal verbundenen Rechtsvorschriften sind mittlerweile erlassen worden. Nun geht es in die Phase der Umsetzung“, sagt Simone Tagliapietra von der renommierten Brüsseler Denkfabrik Bruegel. „Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor, und darin ist Sefcovic sehr gut.“

Die Umsetzung des Green Deals erfordert eine enge Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor, und darin ist Sefcovic sehr gut.

Simone Tagliapietra, Politikwissenschaftler bei der Brüsseler Denkfabrik Bruegel

Allerdings ist Sefcovic kein Visionär. Unter von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker war er für die Energieunion zuständig gewesen, ebenfalls ein hervorgehobener Posten und ein Feld, bei dem er das Zusammenspiel zahlreicher Kommissare koordinierte, wie nun beim Green Deal. In der Öffentlichkeit war er damit allerdings wenig sichtbar; auch in den Fluren von Brüssel wurde damals Unzufriedenheit über seine Arbeit kundgetan; dass er nichts tue, dass ihm wohl die Ideen fehlten, sagte man hinter vorgehaltener Hand.

Sein zukünftiger Klimakommissar Hoekstra ist dagegen jemand, der ebenfalls wie Timmermans die große Show sucht. Hoekstra wird als zielstrebig beschrieben, zudem als charismatische Führungspersönlichkeit.

Genau wie Timmermans hat er kein Problem, sich unbeliebt zu machen – allerdings nicht im Sinne einer ambitionierten Klimapolitik. Von 2017 bis 2022 war der 47-jährige Finanzminister seines Landes und unterstützte während der Covid-19-Pandemie die niederländische Airline KLM mit einem Milliardenpaket. Zugleich gab er sich gegenüber anderen EU-Ländern geizig, als es darum ging, Corona-Hilfspakete auf EU-Ebene zu schnüren.

„Ohne Wissen, Können und Willen“

Es gibt noch einen weiteren Grund für den Unmut der Kritiker: Vor seiner Parteikarriere arbeitete er zwei Jahre für den Mineralölkonzern Shell.

Die Nominierung Hoekstras als EU-Klimakommissar zog dementsprechend Proteste nach sich. Denn er wird wohl derjenige sein, der die EU auf der Weltklimakonferenz COP28 Ende des Jahres in Dubai vertreten wird. In seiner Heimat unterzeichneten Zehntausende eine Petition gegen seine Ernennung. Hoekstra habe „weder das Wissen, Können noch den Willen, gegen eine totale Klimakatastrophe vorzugehen“, schreiben die Initiatoren.

Wir verlieren einen Klimachampion und bekommen einen ehemaligen Ölmanager.

 Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament über Wopke Hoekstra

Auch in Brüssel sieht man das ähnlich. „Wir verlieren einen Klimachampion und bekommen einen ehemaligen Ölmanager. Das ist ein Rückschlag für das Klima und das Ansehen Europas in der Welt“, sagt Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. „Wir werden im Umweltausschuss Hoekstra auf den Zahn fühlen, es darf keine Abkehr von Timmermans-Kurs geben.“

Sowohl Hoekstra als auch Sefcovic müssen vom EU-Parlament in ihrem Amt noch bestätigt werden. Am 2. Oktober steht Hoekstra eine dreistündige Befragung des Umweltausschusses bevor, am 3. Oktober ist Sefcovic an der Reihe. In der Vergangenheit ließ das Parlament immer mal wieder einzelne Kommissionsanwärter durchfallen.

Sollte das Parlament Hoekstra tatsächlich seine Zustimmung verweigern, dürfte dies auch Sefcovic freuen. Der war wohl nämlich nicht begeistert, Hoekstra an die Seite gestellt zu bekommen, und nicht wie Timmermans ein alleiniger Klimachef zu sein. Denn auch Sefcovic strebt nach Höherem. Als sich 2019 die derzeitige Kommission neu bildete, wäre er gerne der EU-Außenbeauftragte geworden oder gleich Kommissionspräsident.

Außerdem hat Sefcovic wie so viele Spitzenpolitiker ein zweites Gesicht: das des opportunistischen Machtpolitikers. Im Jahr 2019 sah er die Chance, Präsident der Slowakei zu werden. Er zog in den Wahlkampf, wetterte gegen die EU, die deutsche Migrationspolitik und sexuelle Minderheiten. Er war ein anderer Sefcovic, als der in Brüssel.

Doch er verlor die Wahl – und widmete sich in der inoffiziellen EU-Hauptstadt wieder seinen Aufgaben; er war wieder ganz der freundliche Kommissar.

Es gibt in Brüssel einen Spitznamen für ihn: Big Maros. Wegen seiner Größe und Statur. Und weil man nicht so leicht an ihm vorbeikommt.

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