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Giorgia Meloni schlägt sich erfolgreich.

© action press / Alberto Lo Bianco/LaPresse/action press

Meloni regiert seit 100 Tagen in Italien: Was ist mit „Europas gefährlichster Frau“ passiert?

Überraschung in Italien: Girogia Meloni ist nach 100 Tagen im Amt kaum mehr das rechte Schreckgespenst. In Brüssel zeigt sie sich friedlich, in Rom versprüht sie ihren rauen Charme.

Seit Giorgia Meloni am 22. Oktober ihren Amtseid ablegte, kennen ihre Beliebtheitswerte immer nur eine Richtung: nach oben. Mehr als die Hälfte des Landes ist mit ihr zufrieden. Parallel zu den persönlichen Beliebtheitswerten ihrer Gründerin und Chefin klettern auch die ihrer Partei, der „Fratelli d’Italia“ (FdI). Bei der Parlamentswahl am 25. September hatte FdI noch 26 Prozent eingefahren. Heute steht die Partei bei über 30 Prozent.

Gleiches im Kreis der Kolleginnen und Kollegen im Amte, bis ins einst geschmähte Brüssel: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte für Italiens erste Regierungschefin beim Antrittsbesuch am 9. Januar nur warme Worte („eine Freude“).

Und obwohl die Kommissionspräsidentin keinerlei Anstalten machte, Abstriche am Programm zur Verwendung der Brüsseler Post-Covid-Milliarden zu dulden, rieb man sich in Rom die Hände allein über die Tatsache dieses Besuchs und das herzliche Einvernehmen beider Politikerinnen.

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Aufnahme unter die Konservativen der EU?

Die Aufnahme der postfaschistischen „Fratelli” unter die europäischen Konservativen, die EVP, ist längst im Gespräch – es wäre die Beglaubigung von Melonis Eigenwerbung, die FdI sei eine ganz normale konservative Partei wie andere in Europa auch.

30
Prozent Zustimmung erreicht Melonis Partei „Fratelli d’Italia“ inzwischen in Umfragen.

Wenn Giorgia Meloni an diesem Montag auf ihre ersten hundert Tage Regieren zurückblickt, kann sie sich auf die Schulter klopfen; sie hat es weit darin gebracht, eine Partei zur Selbstverständlichkeit zu machen, die sich nicht nur in direkter Linie auf den Faschismus zurückführen lässt, sondern auch nach wie vor stolz darauf ist.

Meloni weigerte sich noch im Wahlkampf, wenigstens das Parteisymbol zu ändern. Die grün-weiß-rote Flamme über dem stilisierten Sarg des Duce war schon das Emblem der ersten Partei der übriggebliebenen Mussolini-Getreuen, des „Movimento Sociale Italiano“ (MSI).

Den Tag von dessen Gründung am 26. Dezember 1946 feierte vor vier Wochen unter anderem Ignazio La Russa, FdI-Mitgründer, heute Senatspräsident und Bewohner einer Mailänder Wohnung voller Duce-Memoriabilia.

Die Innenpolitik der Regierung Meloni, der am weitesten rechtsstehenden in Nachkriegsitalien, schreibt in vieler Hinsicht die Linien der Jahre unter Berlusconi weiter, dessen Partei jetzt die kleinste und deutlich zurückgestutzte Koalitionspartnerin ist.

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Ähnlich emsig kümmert sich auch Meloni um die eigene Klientel: Ihr Justizminister Carlo Nordio will die Telefonüberwachung einschränken, mit der Italiens Polizei und Justiz jahrzehntelang nicht nur erfolgreich die Mafia, sondern auch schwere Wirtschaftskriminalität bekämpften.

Der Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Rom mutet herzlich an.

© Reuters/Guglielmo Mangiapane

Die Pläne, öffentliche Ausschreibungen von den aus Sicht der Regierung zu engen bürokratischen Fesseln zu befreien, dürften Pfusch am Bau und mafiose Korruption befeuern, fürchten Fachleute.  

Zugleich blase die Regierung zur „Jagd auf Arme“, schimpft die Opposition. Die Abschaffung des Bürgereinkommens, ein Kernprogrammpunkt des Rechtsbündnisses, ist bereits auf dem Weg. Dabei schützt es überhaupt nur einen Teil von Italiens Bedürftigen vor dem völligen Absturz, wie Italiens führende Armutsforscherin Chiara Saraceno betont: Ganze 13 Prozent der Italienerinnen und Italiener gelten als so arm, dass sie nicht einmal genug Geld für Grundbedürfnisse haben.

Innenpolitische Maßnahmen nicht so hart wie befürchtet

Ihre ersten 100 Tage hat die Regierung Meloni dennoch recht geräuschlos und selbst von drei größeren Streiks – zuletzt an den Tankstellen – unbeeindruckt durchgestanden. Dabei profitiert sie nicht nur von der neuherzlichen Beziehung mit Brüssel und einer Ukraine-Politik an der Seite der EU, sondern blinkt innenpolitisch auch geschickt in alle Richtungen.

13
Prozent der Italienerinnen und Italiener gelten laut Italiens führender Armutsforscherin als absolute Arme.

Die Anti-Migrationspolitik ist hart wie eh und je, aber anders als sein rechter Vorvorgänger Salvini gibt Innenminister Piantedosi ihr ein freundlicheres Techniker-Gesicht: keine offenen Abstriche am Recht auf Asyl. Seenotrettungsschiffe müssen jetzt in weit entfernte Häfen einlaufen und können auch dadurch weniger Schiffbrüchige aufnehmen.

Die Umfragen belohnen vermutlich auch das Charisma der blonden Frau. Typ „römisches Fischweib“, hieß es vor Jahren – eine Schmähung, in der schon damals Bewunderung mitschwang.

Die kleine Frau mit dem raschen, rauen Tonfall hält im Innern ihre Koalitionsmänner Salvini und Berlusconi auf Abstand, nach außen wirken ihre Schlagfertigkeit, Selbstironie, auch Chuzpe, mit der sie immer wieder die abwehrt, die sie auf alten Wegen erwischen.

Als ausgerechnet das erste Dekret ihrer Regierung nach Polizeistaat roch – eine Raveparty in Modena war Anlass, Versammlungen von mehr als fünfzig Menschen zu verbieten – gab sie sich entrüstet: Was, ein Schlag gegen das Versammlungsrecht? Sie habe doch selbst unzählige Demonstrationen organisiert!

Melonis aktuelle Stärke ist nicht zuletzt die Schwäche der Opposition: Der sozialdemokratische PD und die Fünf-Sterne-Bewegung belauern sich vorerst weiter, statt sich zusammenzutun. Dabei stehen sie sich politisch näher denn je.

Der PD versucht gerade einen Linksschwenk, die Sterne haben unter Ex-Premier Giuseppe Conte mit sozialen Themen und Ökoschwerpunkt wieder Boden gewonnen.

Zur Regionalwahl in Latium am 12. und 13. Februar werden sie dennoch getrennt antreten – und Melonis Rechtsbündnis, dem der Sieg in der gleichzeitig wählenden Lombardei sowieso sicher ist, gleich den nächsten Erfolg schenken.

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