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Protest gegen Benjamin Netanjahu und seine Justizreform in Tel Aviv.

© Imago/Zuma Wire/Eyal Warshavsky

Mögliches Ende von Israels Justizreform: Netanjahu hat ausgedient

Die Proteste in Israel eskalieren. Ministerpräsident Netanjahu erwägt deshalb nun doch, seine Justizreform zurückzuziehen. Ob er es am Ende macht oder nicht: Das Land steckt in der Krise.

Ein Kommentar von Mareike Enghusen

Benjamin Netanjahu hat ausgedient. Lange galt Israels Ministerpräsident als genialer Stratege der Macht, ein Meister der Ränkespiele mit feinem Instinkt für die Wünsche und Ängste der Menschen. Doch nun hat er sich fatal verkalkuliert. Selbst wenn er die Justizreform noch aufhält, worauf vieles hindeutet: Der Schaden ist angerichtet, und er ist gewaltig.

Die Rechtsextremen unter seinen Ministern haben sich dem Ausland exakt so präsentiert wie die Karikatur, die Israels Feinde vom Land zeichnen: empathielos, aggressiv und unverblümt rassistisch. Ausländische Investoren, die dem israelischen Start-up-Wunder erst zur Blüte verholfen haben, werden abgeschreckt von der Missachtung, mit der die Regierung auf jegliche Warnungen vor der Justizreform reagiert. Selbst dann, wenn sie von hochrangigen Ökonomen kommen.

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Gräben, die Israel schon lange durchziehen

Netanjahu erinnert gern an seine erfolgreiche Bilanz als Finanzminister Anfang des Jahrtausends. Doch diese Errungenschaften verblassen hinter dem Schaden, den er und seine Regierung der israelischen Wirtschaft zugefügt haben. Es dürfte Jahre dauern, das zerstörte Vertrauen der Investoren wieder aufzubauen.

Es gab eine Zeit, da hätte Netanjahu diese Spaltung lindern können. Stattdessen hat er sie ausgenutzt.

Mareike Enghusen, Israel-Korrespondentin

Doch Netanjahu hat diese Krise nicht allein erschaffen, und sie wird nicht mit ihm enden. Seine rechts-religiöse Koalition hat mit ihrem rücksichtslosen Vorpreschen die Gräben offengelegt, die Israels Gesellschaft schon lange durchziehen. Und die manche – darunter ein früherer Chef des israelischen Geheimdienstes – für die größte Bedrohung des Staates halten.

Im Parlament und auf den Straßen stehen sich diesmal nicht Araber und Juden gegenüber, sondern linke und rechte, säkulare und orthodoxe jüdische Israelis.

Darin erinnert die israelische Krise an diejenige anderer westlicher Gesellschaften: Es gibt eine Rechte, die das Gefühl hat, trotz wiederholter Wahlerfolge kein Gehör zu finden. Entgegen vieler Behauptungen ist es nicht der wegen Korruptionsverdacht angeklagte Netanjahu, der die Justizreform am eiligsten vorantreibt, sondern die religiös-nationalistischen Parteien.

Sie und ihre Wähler sehen in dem Obersten Gericht, dessen Macht die Reform beschneiden soll, einen ideologischen Gegner, der die jüdische Identität des Landes bedroht. Die Linke hat diese Ängste lange nicht ernst genommen und damit auf ihre Weise zu der Krise beigetragen.

Es gab eine Zeit, da hätte Netanjahu sein politisches Gewicht einsetzen können, um diese Spaltung zu lindern. Stattdessen hat er sie ausgenutzt. Darunter muss er nun leiden. Und mit ihm ein ganzes Land.

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