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Am Montag griff Israels Militär offiziellen Angaben zufolge Ziele im Libanon an.

© AFP/Jalaa Marey

Auf den Schock folgt der Gegenschlag: So bereitet sich Israel auf die Bodenoffensive gegen die Hamas vor

300.000 einberufene Reservisten, Abriegelung von Gaza, Bombardierungen im Libanon: Israel will nach der Attacke der Hamas hart gegen die Islamisten vorgehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Vier Tage nach der Attacke der Hamas auf Israel hat die Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein hartes Vorgehen gegen die radikalislamische Hamas angekündigt. Am Montag wurden 300.000 Reservisten einberufen, dies sei die größte Mobilisierung in der israelischen Geschichte in so kurzer Zeit, sagte ein Armeesprecher. Zudem bombardierten die israelischen Streitkräfte am Nachmittag Ziele im Libanon. Israel ordnete die Abriegelung des nur 40 Kilometer langen und sechs bis zwölf Kilometer breiten Gazastreifens an. In einer Erklärung wandte sich Netanjahu an die 9,3 Millionen Einwohner Israels: „Ich weiß, dass Sie schreckliche und schwere Dinge durchgemacht haben. Was die Hamas durchmachen wird, wird schwer und schrecklich sein... Ich bitte Sie, standhaft zu bleiben, denn wir werden den Nahen Osten verändern... wir werden sie mit viel Kraft besiegen.“

Was will Israel erreichen?

Das wichtigste Ziel ist die Befreiung der entführten Zivilisten und Soldaten aus den Händen der Hamas. Darüber hinaus hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angekündigt, die „militärischen Kapazitäten“ der Hamas zu zerstören. Manche Experten halten es für wahrscheinlich, dass Israel den 2005 geräumten Gazastreifen wieder besetzen wird, zumindest kurzfristig – was enorme Ressourcen beanspruchen würde. Manche israelischen Kommentatoren plädieren dafür, die Hamas abzusetzen und die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die Teile des Westjordanlandes kontrolliert, zur De-facto-Regierung Gazas zu machen. Doch auch das ist schwer vorstellbar – die PA hat derzeit sogar Probleme, Teile ihres eigenen Territoriums zu kontrollieren.

Kommt eine Bodenoffensive?

US-Informationen zufolge will Israel innerhalb der kommenden 48 Stunden Truppen in den Gazastreifen schicken. Viele Experten argumentieren, dass Luftschläge nicht genügen, um die militärische Infrastruktur der Hamas gründlich und langfristig zu schwächen. Auch zur Befreiung der zahlreichen Geiseln, die die Hamas in Gaza gefangenhält, bräuchte die Armee Spezialkräfte vor Ort. Sollte eine Bodenoffensive kommen, wird die Öffentlichkeit davon wohl erst erfahren, wenn Truppen bereits in Gaza sind, damit die Hamas nicht vorzeitig gewarnt wird. Eine solche Offensive dürfte sich über Wochen hinziehen – und die Opferzahlen auf beiden Seiten weiter in die Höhe treiben.

Nach israelischen Angaben wurden mehr als 800 Israelis und Staatsangehörige anderer Länder getötet. Unter den Toten sind laut Militärangaben mindestens 73 Soldatinnen und Soldaten. Landesweit gibt es mehr als 2200 Verletzte. Im Gazastreifen starben nach den israelischen Luftschlägen nach palästinensischen Angaben bisher mehr als 550 Menschen, mehr als 2800 wurden verletzt.

Was die Hamas durchmachen wird, wird schwer und schrecklich sein.

Benjamin Netanjahu, Israels Ministerpräsident

Wie gefährlich ist ein Zwei-Fronten-Krieg?

Sehr gefährlich. In diesem Szenario würde die Hisbollah im Libanon in die Kämpfe einsteigen. Das Raketenarsenal der islamistischen Miliz ist weitaus mächtiger als jenes der Hamas. Experten sind gespalten darüber, ob die vereinzelten Raketen, die die Hisbollah in den vergangenen Tagen auf Israel abgeschossen hat, lediglich ein Zeichen der Solidarität mit den Palästinensern sein sollen – oder eine kalkulierte Provokation, um eine zweite Front gegen den jüdischen Staat zu eröffnen.

Am Montag griff Israels Militär offiziellen Angaben zufolge mit Kampfhubschraubern Ziele im Libanon an. Soldaten hatten zuvor mehrere bewaffnete Verdächtige erschossen, die vom nördlichen Nachbarland aus nach Israel vorgedrungen waren. Die Hisbollah leugnete dies. Einem Bericht der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur zufolge begaben sich vier Bewaffnete von der Grenzstadt Dahaira aus über die südlibanesische Grenze auf israelisches Territorium, bevor sie eine Stellung des israelischen Militärs passierten.

Was kann die Kämpfe beenden?

Israel wird mit Sicherheit so lange kämpfen, bis alle Geiseln befreit sind – und es darüber hinaus einen wesentlichen Triumph über die Drahtzieher der Anschläge verkünden kann. Wie ein solcher Erfolg aussehen könnte, hat die Regierung bislang nicht näher definiert. Aber sie zeigt sich fest entschlossen, das Moment der Abschreckung wiederherzustellen und die Demütigung vergessen zu machen, die der fatale Angriff der Hamas für eine der modernsten Armeen der Welt und die legendären israelischen Geheimdienste bedeutet hat.

Auch ein erfolgreicher Geisel-Deal – israelische Geiseln gegen palästinensische Häftlinge – könnte Druck vom Land nehmen. Es scheint aber unwahrscheinlich, dass die Regierung nach dem Schock der letzten Tage zu irgendeinem Zugeständnis gegenüber der Hamas bereit ist. Denn die Terroristen könnten daraus die fatale Lehre ziehen: Geiselnahmen lohnen sich.

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