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Ein Migrant durchquert den Rio Grande, um von Mexiko aus amerikanischen Boden zu erreichen und dort Asyl zu beantragen.

© PICTURE ALLIANCE / AP / Andres Leighton

Notstand in El Paso: USA befürchten Migrantenansturm aus Mexiko

Täglich kommen rund tausend Menschen in der texanischen Grenzstadt an. Die Behörden rechnen damit, dass sich die Zahl kommende Woche vervielfacht.

Der Bürgermeister der texanischen Grenzstadt El Paso ist Mitglied der Demokratischen Partei von US-Präsident Joe Biden. Oscar Leeser ist alles andere als ein Scharfmacher. Aber am Wochenende hatte er das Gefühl, nicht mehr anders reagieren zu können. Angesichts der ungewöhnlich hohen Zahl an Migranten, die die amerikanische Südgrenze nahe El Paso in den vergangenen Tagen überquert hatten, rief Leeser den Notstand aus.

„Da wir sehen, dass immer mehr Asylsuchende in unsere Gemeinde kommen, und wir sehen, dass die Temperaturen sinken, und wir wissen, dass Titel 42 am Mittwoch auslaufen wird, entschieden wir uns dafür, dass nun der richtige Zeitpunkt ist, den Notstand auszurufen“, sagte der Bürgermeister.

Titel 42 ist zu einem Symbol in der Einwanderungsfrage geworden. Die unter Bidens republikanischem Vorgänger Donald Trump eingeführte Regelung erlaubt es den Behörden, unter Verweis auf die Corona-Pandemie Migranten an der Grenze schnell zurückzuweisen. Seit der Einführung von Titel 42 im März wurden mehr als 2,5 Millionen Migranten abgewiesen.

Biden, der im Wahlkampf eine humanere Einwanderungspolitik versprochen hatte, versuchte bereits im Frühjahr, die Regelung aufzuheben, was ein Gericht in Louisiana im Mai per einstweiliger Verfügung verhinderte. Im November erklärte dann ein Gericht in der Hauptstadt Washington Titel 42 für unzulässig. Die Regelung soll an diesem Mittwoch auslaufen.

Damit befürchten die Behörden, dass die Zahl der Menschen, die versuchen, in die USA zu gelangen, deutlich zunehmen könnte. Bürgermeister Leeser erklärte, er erwarte ab Mittwoch bis zu 6000 Zuwanderer täglich. In El Paso leben rund 700.000 Menschen.

Nach Angaben der Stadt waren im August pro Tag rund 250 Menschen aus der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez in El Paso angekommen. Diese Zahl sei im September auf rund tausend Ankünfte täglich gestiegen, sagte Leeser.

Viele davon kommen beispielsweise aus Venezuela, aber auch aus dem sogenannten „Northern Triangle“ Honduras, El Salvador, Guatemala. Im vergangenen Jahr hatte Biden seine Biden seine Vizepräsidentin Kamala Harris damit beauftragt, eine Strategie zu entwickeln, die die Gründe für die Auswanderung aus diesen drei Ländern analysiert und möglichst vor Ort beseitigt. Erfolge kann sie dabei bisher kaum vorweisen.

Ciudad Juárez und El Paso verbinden vier Brücken für Autos und Fußgänger, über die der reguläre Handels- und Personenverkehr zwischen den Nachbarländern läuft. Wer regulär Asyl beantragen will, kommt auf diesem Weg nach El Paso.

Die Grenze ist in El Paso und Umgebung wird seit 2009 an vielen Stellen durch einen eisernen Zaun bewacht, aber mitten in El Paso bildet der Rio Grande die Grenze. Inzwischen entschließen sich immer mehr Migranten für den illegalen Grenzübergang: Sie laufen durch den teils knietiefen Fluss, um Asyl zu beantragen, sobald sie amerikanischen Boden erreichen.

Der Notstand gilt nun zunächst für sieben Tage, danach muss der Stadtrat entscheiden, wie es weiter geht. Der Schritt gibt der Stadt zum Beispiel die Möglichkeit, per Verordnung bestimmte Einrichtungen in Notunterkünfte umzuwandeln. Zudem kann sie die texanische Landesregierung um zusätzliches Personal für die Versorgung und Unterbringung von Migranten zu bitten.

Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, gilt als Hardliner in der Migrationsfrage. Wie andere Republikaner wirft er der Biden-Regierung Versagen vor und war einer derjenigen, der Migranten in Bussen von der Grenze in demokratisch regierte Bundesstaaten transportieren ließ. Rechte Medien treiben das Thema und warnen häufig in hysterischem Ton vor einem „Ansturm“ auf die Grenze.

Vor Ort allerdings erklären Verantwortliche wie der Bezirksrichter Ricardo Samaniego dagegen, bisher verliefen Anfragen an Abbott nach mehr humanitärer Unterstützung im Sande. Einen Tag vor Ausrufung des Notstands habe man einen Brief an den Gouverneur geschrieben, aber keine Antwort erhalten, sagte er der Nachrichtenagentur AP.

Republikaner wie der ehemalige Kongressabgeordnete Will Hurd fordern stattdessen, Biden müsse alle mit dem Thema befassten Mitglieder seiner Regierung entlassen, allen voran Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas. „Sie haben keine Glaubwürdigkeit in den USA. Sie haben keine Glaubwürdigkeit außerhalb der USA“, sagte er dem Sender CNN.

Die US-Regierung weist Darstellungen zurück, der Wegfall von Titel 42 laufe auf eine Öffnung der US-Grenzen für illegale Einwanderer hinaus.  Mayorkas warnte, es werde dauern, das „veraltete Einwanderungssystem“ zu verbessern. Auf der ganzen Welt nehme Migration zu wegen wirtschaftlicher und politischer Instabilität.

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