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FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl (r.) und Spitzenkandidat Udo Landbauer bei der Wahlfeier in St. Pölten, Niederösterreich.

© Apa/Helmut Fohringer

Rechtsruck in Österreich: Wie stark kann die FPÖ noch werden?

Nach der „Ibiza-Affäre“ und dem Regierungs-Aus scheint die rechte Partei wieder im Aufwind. Schon machen Szenarien von einer Kanzlerschaft die Runde. Ist das möglich?

Mit dem Spruch „Kickl kommt“ wirbt die rechte FPÖ auf sozialen Kanälen für Veranstaltungen mit ihrem Parteichef Herbert Kickl, früher Innenminister und bekannt für seine scharfe Rhetorik. Dass der Mann nicht nur Städte und Dörfer besucht, sondern vielleicht künftig ins Kanzleramt „kommt“, ist seit vergangenem Sonntag kein abstraktes Schreckensszenario mehr.

Zwei Jahre sind es noch, bis in Österreich eine neue Regierung gewählt wird. Doch ein wichtiger Stimmungstest fand bereits jetzt statt: In Niederösterreich, dem flächengrößten Bundesland, geprägt von Landwirtschaft und Industrie, bisher von der konservativen ÖVP mit absoluter Mehrheit regiert. Am Sonntag hat sie diese verloren. Kickls FPÖ wurde mit 24,2 Prozent zur zweitstärksten Kraft, die ÖVP büßte zehn Prozentpunkte ein und landete bei 40 Prozent.

Udo Landbauer heißt der FPÖ-Spitzenkandidat, der ihnen viele Stimmen abnahm. Ein Mann, der früher in der Burschenschaft Germania für ein Liederheft mit antisemitischen, rassistischen und im Verdacht der Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz stehenden Inhalten mitverantwortlich war. Und der jetzt im Wahlkampf erklärte er, dass er von Menschenrechten nichts halte, lieber unterscheide er zwischen Staatsbürger und Nichtstaatsbürger.

Skandale wie die Ibiza-Affäre scheinen nicht abzuschrecken

Für viele ist das scheinbar nicht abschreckend genug, wie Niederösterreich zeigt. Skandale wie die Ibiza-Affäre, die bestechliches Verhalten des ehemaligen Vize-Kanzlers Heinz-Christian Strache offenbarte, scheinen vergessen. Sie kostete ihm das Amt, führte zum Koalitions-Aus und bescherte der FPÖ bei den Neuwahlen 2019 ein Debakel und Streit um die Führung.

Nun liegt sie mit Herbert Kickl gar auf Platz eins in den Umfragen. Was in Niederösterreich passierte, überrascht Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle nicht. Das Ergebnis sei absehbar gewesen, sagt sie dem Tagesspiegel. „Sie haben die Unzufriedenen am stärksten abgeschöpft, was sicher auch ein Nachhall von Corona über Teuerung bis zum Thema Zuwanderung ist.“

Jene Wähler, die Sebastian Kurz für die ÖVP einhegte, sind wieder weg. Obwohl die Konservativen versuchten, sein Hauptthema Zuwanderung zu halten – „eingezahlt hat es am Ende bei der FPÖ“.

Sie haben die Unzufriedenen am stärksten abgeschöpft, was sicher auch ein Nachhall von Corona über Teuerung bis zum Thema Zuwanderung ist.

Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle über das Wahlergebnis der FPÖ.

Auch auf Bundesebene lässt sich die Volkspartei von den Rechten treiben. Sie diktieren die Agenda, ohne zu reagieren. Das zeigte sich am Veto, das Österreich gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien eingelegt hat. Die Begründung: Über beide Länder würden zu viele irreguläre Migranten ins Land gelangen. FPÖ-Stimmen hat es der ÖVP keine gebracht, bloß Empörung innerhalb der EU.

Die FPÖ war dem Kanzleramt schon einmal nahe

Einer wie Kurz, der dies für seine Partei als Erfolg verkauft hätte, fehlt ihnen. Was von ihm blieb: Ein Korruptionsskandal, der ihn zum Rücktritt zwang und die ÖVP bis heute beschäftigt. Ihre Verteidigungsstrategie, wenn neue verdächtige Chats auftauchen, geht dann meist in die Richtung: Die anderen machen es auch, erklärt Kathrin Stainer-Hämmerle. „Wenn man alle unter Generalverdacht stellt und damit das eigene Verhalten entschuldigt, profitieren am Ende jene, die gar nicht den Anspruch gestellt haben, korrekt zu sein – und die gegen die politische Elite mobilisieren.“

Angesichts der Schwäche stellt sich die Frage, welche Chancen die FPÖ hat. Dem Kanzleramt war sie schon einmal nahe, als sie 2015 und 2016 aus der Migrationsbewegung Profit schlug. In Umfragen kam sie auf 30 Prozent. 2017 wurde sie zum kleinen Partner der ÖVP, die ihr mit Kurz und seinem harten Kurs Stimmen abspenstig machte.

Herbert Kickl (l), Bundesparteichef der FPÖ, und Udo Landbauer, Spitzenkandidat der FPÖ Niederösterreich, reagieren auf die erste Hochrechnung der niederösterreichischen Landtagswahl.

© dpa/HELMUT FOHRINGER

Nun ist der Kurz-Effekt weg, und Stainer-Hämmerle traut der FPÖ erneut 30 Prozent zu. Fraglich ist, wie sich die anderen Parteien ihr gegenüber verhalten. Mit ÖVP und SPÖ regierte sie bereits in den Bundesländern. Ob man sich auf Bundesebene wieder mit ihr einlasse, hänge von den jeweiligen Personen an der Parteispitze ab, sagt die Politologin.

Die Vorsitzende der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner, schließt eine Koalition aus. Allerdings ist unklar, ob sie sich bis zur nächsten Wahl hält, auch in der ÖVP könnte sich bis 2024 personell einiges tun. Bei den Konservativen sind bisher eher jene gegen eine FPÖ-Beteiligung, die sich noch gut an die letzte Regierung mit den Rechten erinnern können.

Dass Kickl Kanzler wird, glaubt Stainer-Hämmerle nicht, „aber, dass er vielleicht wie Jörg Haider zurückzieht und jemanden anderen den Vortritt lässt“. 2000 hat der damalige FPÖ-Chef seiner Parteikollegin Susanne Riess-Passer den Weg als Vize-Kanzlerin geebnet.

Zu einer ähnlichen Situation könnte es kommen, wenn Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kickl ablehnt und einen anderen Vorschlag einfordert. Rechtlich ist das möglich und ein realistisches Szenario, wie er jüngst im Interview mit dem ORF erklärte. Er werde „eine antieuropäische Partei, eine Partei, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt, nicht durch meine Maßnahmen noch zu befördern versuchen“.

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