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US-Präsident Joe Biden trifft sich mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy.

© AFP/Saul Loeb

Repräsentantenhaus winkt Kompromiss durch: Das wochenlange Zittern im US-Schuldenstreit hat wohl ein Ende

Die USA haben sich gerade noch einmal selbst davor bewahrt, zahlungsunfähig zu werden. Die Kompromisse, die Joe Biden schließen musste, sind nicht schön, aber auch keine Katastrophe.

Der von US-Präsident Joe Biden und dem republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, ausgehandelte Kompromiss zum Schuldenstreit hat es am Mittwochabend durch das Repräsentantenhaus geschafft. Gegen 21.20 Uhr Ortszeit stand das Ergebnis fest: 314 Abgeordnete stimmten für den Gesetzesentwurf zur Aussetzung der Schuldenobergrenze von derzeit 31,4 Billionen Dollar und zur Begrenzung des Bundeshaushalts. 117 dagegen, vier enthielten sich.

Notwendig war eine einfache Mehrheit von 218 Stimmen. Interessant ist aber natürlich, wie die jeweiligen Parteien abgestimmt haben: 149 Republikaner, die in dieser Kongresskammer die Mehrheit stellten, sagten Ja, und auch 165 Demokraten halfen dem Gesetz über die Hürde.

Nun muss noch der Senat darüber abstimmen, bevor der Präsident es unterzeichnen kann. Hier halten die Demokraten eine knappe Mehrheit. Um tagelange Debatten zu vermeiden, müssen sich ein paar Republikaner auf ihre Seite stellen: Für das Gesetz müssen 60 der 100 Senatoren stimmen, damit es schnell verabschiedet werden kann.

Ich fordere den Senat auf, das Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden, damit unser Land weiterhin die stärkste Wirtschaft der Welt schaffen kann.

Joe Biden, Präsident der Vereinigten Staaten

Die Nummer Zwei der Republikaner im Senat, John Thune, hatte am Mittwoch in Aussicht gestellt, dass man sich wohl bis Freitagabend auf eine Verabschiedung des Gesetzentwurfs einigen werde. Das würde reichen, um den drohenden Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten abzuwenden: Finanzministerien Janet Yellen hatte erklärt, dass den USA ab dem 5. Juni das Geld ausgehen werde, um Schulden zu begleichen.

„Ich fordere den Senat auf, das Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden, damit unser Land weiterhin die stärkste Wirtschaft der Welt schaffen kann”, sagte Biden.

Joe Biden hatte sich lange Zeit geweigert, über die Schuldenobergrenze zu verhandeln.

© REUTERS/Evelyn Hockstein

Damit hat das wochenlange Zittern wohl ein Ende – nicht nur die USA können aufatmen. Auch der Rest der Welt wird erleichtert sein, dass die Supermacht sich gerade noch einmal selbst davor bewahrt hat, zahlungsunfähig zu werden. Ob das alles notwendig war? Sicher nicht. Aber bis diese unsinnige Regelung irgendwann mal abgeschafft wird, läuft es erst einmal so weiter. Immerhin ist jetzt bis zum 1. Januar 2025 Ruhe.

Unmut an den Rändern der beiden Parteien

Noch bevor sich der Staub gelegt hat, hat die Debatte darüber begonnen, wer als Sieger und wer als Verlierer aus dem nervenaufreibenden Kuhhandel hervorgeht. Die klugen Strategen in den politischen Lagern versuchen naturgemäß, die eigenen Erfolge herauszustellen und die Zugeständnisse an die andere Seite kleinzureden.

Erwartungsgemäß gibt es auch offen geäußerten Unmut an den Rändern der beiden großen Parteien, etwa beim linken Flügel der Demokratischen Partei im Repräsentantenhaus, der die Kürzung der Staatsausgaben und neue Arbeitsanforderungen für manche Empfänger von Lebensmittelmarken kritisieren.

Pramila Jayapal, die Vorsitzende des Congressional Progressive Caucus, hatte schon am Mittwochmorgen mitgeteilt, gegen das Gesetz zu stimmen. Am Ende votierten 46 Demokraten dagegen.

Ärger beim rechten Flügel der Republikaner

Der Ärger beim rechten Flügel der Republikaner ist ebenfalls groß, da viele sich deutlich aggressivere Ausgabenkürzungen gewünscht hatten. Vor allem Mitglieder des Freedom Caucus hatten darauf spekuliert, dass eine möglichst lange Blockadepolitik ihnen deutlich mehr bringen würde. Am Endes war der Unmut aber nicht groß genug, um den eigenen Sprecher zu stürzen und das Land in eine unkalkulierbare Chaos-Situation zu werfen.

Sowohl das Weiße Haus als auch McCarthys Leute haben diesen Ausgang durch unzählige Gespräche zustande gebracht. McCarthy hat damit demonstriert, dass er durchsetzungsfähig ist. Schon bei seiner Wahl zum Sprecher im Januar, als ihn seine Fraktion erst im 15. Wahlgang bestätigte, hat er Stehvermögen bewiesen. Was viele als Demütigungen beschrieben, hat ihn offenbar nicht weiter belastet. Er sitzt nun fester im Sattel als zuvor.

McCarthy hat geliefert

Am Mittwochabend verweigerten ihm zwar 71 Abgeordnete seiner Fraktion die Gefolgschaft, und das Gesetz konnte nur mit Stimmen der Demokraten verabschiedet werden. Aber es waren nicht so viele wie befürchtet. McCarthy hatte Biden zugesagt, dass 150 seiner Abgeordneten dafür stimmen werden.

Damit steht am Ende unterm Strich: Er hat geliefert. Selbst manch’ Hardliner kann anerkennen, dass wohl keiner mehr für die Konservativen hätte herausholen können. McCarthy selbst hatte in seiner Rede vor der Abstimmung erklärt, wenn er mit „Nein” stimmen würde, weil in dem Deal manches fehlt, würde er nie mit „Ja” stimmen.

Hardliner können anerkennen, dass wohl keiner mehr für die Konservativen hätte herausholen können als Kevin McCarthy.

© AFP/Mandel Ngan

Auch konservative Zeitungen wie die „New York Post” hatten im Vorfeld dafür getrommelt, dem Kompromiss zuzustimmen, da er mehr den Wünschen der Republikaner entspräche als denen der Demokraten. McCarthy habe seine Karten gut gespielt, Kompromisse seien „unvermeidbar”, da die Wähler sich für „divided government” entschieden hätten.

Von einer geteilten Regierung spricht man dann, wenn in einer oder beiden Kammern im Kongress nicht die Partei die Mehrheit innehat, die den Präsidenten stellt. Auf der anderen Seite steht der Präsident.

Joe Biden hatte sich lange Zeit geweigert, überhaupt über die Schuldenobergrenze zu verhandeln, da diese nur für bereits beschlossene Ausgaben angehoben werden müsse und ein Zahlungsausfall der USA keiner wollen könne. Über den Bundeshaushalt werde an anderer Stelle gestritten, hatte er argumentiert.

Diese Position hat er nicht durchgehalten. Die Kompromisse, die er schließen musste, sind nicht schön, aber auch keine Katastrophe. Der angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und den Spannungen mit China wichtige Verteidigungshaushalt blieb bei den Verhandlungen außen vor.

Der ausgehandelte Kompromiss sieht vor, dass der Bundeshaushalt in den kommenden zwei Jahren in etwa stabil bleibt. Angesichts einer Staatsverschuldung auf Rekordniveau wird Biden dafür längst nicht nur kritisiert werden. Zudem stärkt er im beginnenden Wahlkampf sein Image als moderater Dealmaker, der parteiübergreifende Lösungen möglich macht. Und: Dass das Thema erst wieder nach der Präsidentschaftswahl auf der Agenda steht, ist vielleicht sein größter Erfolg.

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