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Videoaufnahme aus Belgorod

© REUTERS/FREEDOM OF RUSSIA LEGION/Uncredited

Update

Tag 463 der Ukraine-Invasion: Doppelte Blamage für den Kreml

Nato-Beitritt der Ukraine + Mehrheit der Deutschen gegen Kampfjetlieferungen + Mindestens drei Tote nach schwerem russischem Raketenangriff auf Kiew. Der Nachrichtenüberblick zur Ukraine.

| Update:

Schon der Angriff auf russisches Territorium durch putin-feindliche russische Kämpfer am 22. Mai war für den Kreml eine BlamageDass es am Donnerstag erneut einen Einfall von ukrainischer Seite ins Gebiet Belgorod gab, macht den Vorgang doppelt peinlich (mehr dazu hier). Nicht nur war der Grenzschutz und die Flugabwehr beim ersten Mal unzureichend; verbessert hat ihn die Militärführung in Moskau offensichtlich in den vergangenen Tagen nicht. 

Wie schwer die Gefechte auf russischem Gebiet waren oder am Donnerstagabend noch waren, ist schwer einzuschätzen. Mehrere Videos, die nachweislich in der Region entstanden, zeigen Kämpfe, brennende Häuser und mutmaßlich zerstörtes russisches Kriegsgerät. In der Stadt Belgorod, die wohl mit Drohnen angegriffen wurde, soll es „verheerende Zerstörungen“ gegeben haben. Am Freitag erklärte der Gouverneur der Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, dass zwei Menschen bei den Kämpfen getötet wurden. Bei dem Beschuss einer Straße im Ort Maslowa Pristan seien zudem zwei Personen verletzt worden. „Fragmente der Geschosse haben vorbeifahrende Autos getroffen. In einem davon saßen zwei Frauen. Sie waren sofort tot“, erklärte er.

Noch am Freitag kursierte ein Video, dass einen ukrainischen Panzer auf russischem Staatsgebiet zeigt. Von wann genau die Aufnahme ist, war nicht klar.

Laut dem russischen Verteidigungsministerium wurden die Angreifer - laut Moskau waren Panzer und eine zweistellige Zahl von Soldaten involviert - noch am Donnerstag in die Ukraine zurückgedrängt. 50 Kämpfer sollen dabei getötet worden sein. Bei dem Angriff am 22. Mai hatten russische Sicherheitskräfte laut Angaben des Kreml 70 Angreifer getötet. Laut Angaben aus dem ukrainischen Militär waren es weniger als zehn. Keine der Zahlen kann unabhängig überprüft werden.

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Die ersten Angriffe vor rund zehn Tagen hatten in Russland ein breites Echo gefunden. Der Befehlshaber der russischen Landstreitkräfte zeigte sich persönlich im Kampf und der Gouverneur der Region versprach, mehrere tausend Mann zum Grenzschutz abzustellen. Zuvor waren in der Region schon Befestigungsanlagen gebaut worden. Auch die haben den Überfall nicht verhindern können.

Zwar leugnet die Ukraine eine Beteiligung an den Vorfällen, aber es ist ziemlich sicher, dass die russischen Einheiten mit der Erlaubnis aus Kiew handeln. Dafür spricht auch, dass beim ersten Überfall Panzerfahrzeuge aus den USA eingesetzt wurden. Einige Experten gehen davon aus, dass die Einheiten, die vor allem aus russischen Ultranationalisten und teilweise aus Rechtsextremen bestehen, direkt dem ukrainischen Geheimdienst unterstehen.

Aus Sicht von Kiew wird man weniger mit einem echten Erfolg der vergleichsweise kleinen Einheiten rechnen, die befreite Gebiete innerhalb Russlands errichten wollten. Vielmehr geht es darum, Unruhe in Russland und in der politischen Führung zu stiften und russische Soldaten beim Grenzschutz zu binden. Das könnte gelingen, denn nach den neuerlichen Vorfällen muss die Führung in Moskau reagieren. Ein dritter Grenzsturm aus der Ukraine käme einem Fiasko gleich.  

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Mindestens drei Tote nach schwerem russischem Raketenangriff auf Kiew: Ein Foto aus Kiew zeigt einen um seine Enkelin trauernden Großvater. Auch eine medizinische Einrichtung wurde getroffen. Mehr hier. 
  • „Ganze Befehlskette gescheitert“: Bislang sollte Bachmut am 1. Juni an die russische Armee übergeben werden, nun ziehen sich die Wagner-Söldner wohl doch erst vier Tage später zurück. Mehr hier. 
  • Nato will die Ukraine als Bündnispartner – aber „nicht mitten im Krieg“: Grundsätzlich ist sich die Nato einig, dass die Ukraine Bündnispartner werden soll. Dafür müsse sie aber den Krieg überleben, sagt Generalsekretär Stoltenberg. Mehr hier.
  • Knapp zwei Drittel der Deutschen sind laut einer ARD-Umfrage gegen die Lieferung von Kampfflugzeugen Deutschlands an die Ukraine. 64 Prozent sprechen sich laut dem am Donnerstag in Köln veröffentlichten ARD-„Deutschlandtrend“ dagegen aus, 28 Prozent dafür. Insgesamt bewerteten 43 Prozent die derzeitige Unterstützung der Ukraine mit Waffen als angemessen, hieß es. Mehr als einem Drittel (37 Prozent) gehe sie allerdings zu weit, 14 Prozent nicht weit genug. Mehr in unserem Newsblog.
  • Trotz eines internationalen Haftbefehls ist der russische Präsident Wladimir Putin zu einem Gipfel der aufstrebenden Schwellenländer nach Südafrika eingeladen worden. Alle fünf Staatschefs der Brics-Mitglieder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika hätten eine Einladung zu einem geplanten Gipfel vom 22. bis 24. August in Johannesburg erhalten, sagte Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor bei einem Treffen der Brics-Außenminister am Donnerstag.
  • Das Europäische Parlament hat mit breiter Mehrheit für eine Steigerung der europäischen Produktion von Munition und Flugkörpern gestimmt. Die Abgeordneten votierten am Donnerstag in Brüssel mit 446 gegen 67 Stimmen bei 112 Enthaltungen für den entsprechenden Entwurf. Die Maßnahmen, einschließlich einer Finanzierung in Höhe von 500 Millionen Euro, zielen darauf, die Lieferung von Munition und Flugkörpern an die Ukraine zu beschleunigen und den Mitgliedstaaten zu helfen, ihre Arsenale aufzustocken.
  • Die Ukraine ist nach Einschätzung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg militärisch bereit für eine erfolgreiche Gegenoffensive. „Ich bin zuversichtlich, dass die ukrainischen Streitkräfte nun über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um weitere besetzte Gebiete zu befreien“, sagte der Norweger am Donnerstag bei einem Treffen der Nato-Außenminister in Oslo.
  • Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist dem Wunsch der Ukraine nach der Lieferung von Marschflugkörpern vom Typ Taurus nicht weiter entgegengekommen. „Wir sind da sehr zurückhaltend, das habe ich immer deutlich gemacht. Und an der Auffassung hat sich bislang auch nichts geändert“, sagte er am Donnerstag bei einem Besuch im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln. In der Sache gebe es noch keine Entscheidung, sagte er.
  • US-Außenminister Antony Blinken kündigt umfassende Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine auf dem Nato-Gipfel am 11. und 12. Juli in Vilnius an. Es werde „ein robustes Paket an politischer und militärischer Unterstützung“ geben, sagt Blinken zum Abschluss von Beratungen der Nato-Außenminister in Oslo. Es sei wichtig, die Ukraine an Nato-Standards heranzuführen, dies betreffe vor allem die militärische Interoperabilität. 
  • Die Niederlande werden nach Angaben von Ministerpräsident Mark Rutte „so schnell wie möglich“ mit der Ausbildung ukrainischer Piloten an westlichen Kampfjets vom Typ F-16 beginnen. „Ich denke, das ist ein wesentlicher Schritt, um sicherzustellen, dass sich die Ukraine verteidigen kann - auch längerfristig “, sagte Rutte am Donnerstag beim Gipfeltreffen der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Moldau.
  • Erstmals seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat es wieder Abschiebungen aus Deutschland nach Russland gegeben. Konkret seien zwei Männer im Alter von 22 und 56 Jahren auf dem Luftweg zurückgeführt worden, teilte das bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Dies sei bereits Mitte Februar und Mitte März erfolgt. Zunächst hatte „Tagesschau.de“ darüber berichtet. 
  • Polen hat die östliche EU-Außengrenze zu Belarus für Lastwagen aus dem Nachbarland und Russland geschlossen. Das von der Regierung in Warschau verkündete Verbot mit Wirkung vom 1. Juni trat in der Nacht zum Donnerstag in Kraft, wie die polnische Nachrichtenagentur PAP meldete. Es gilt für Lastwagen, Zugmaschinen und Gespanne mit Anhänger oder Sattelauflieger, die in einem der beiden Länder registriert sind.
  • In den Streit um Rüstungslieferungen aus der Schweiz für die Ukraine kommt neue Bewegung. Der Schweizer Rüstungskonzern Ruag hat trotz ablehnender Signale aus der Regierung offiziell ein Exportgesuch für 96 Leopard-1-Panzer eingereicht, wie das nationale Staatssekretariat für Wirtschaft am Donnerstag bestätigte. Nach Angaben der Ruag ist der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall an dem Kauf interessiert. 
  • Die USA setzen ihre Zölle auf ukrainischen Stahl für ein weiteres Jahr aus. Dies teilt das Handelsministerium unter Verweis auf den russischen Einmarsch in der Ukraine mit. US-Präsident Joe Biden hatte vor einem Jahr wegen der Bedeutung der Branche für die Wirtschaft des Landes und des umkämpften Asowstal-Werks in Mariupol die 2018 vom damaligen US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle von 25 Prozent zunächst für ein Jahr ausgesetzt. Die Ukraine lag vor dem Krieg auf Platz 13 der weltgrößten Stahlhersteller und exportiert üblicherweise 80 Prozent der Produktion.

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