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Frauen, die das Kopftuch öffentlich ablegen, können im Iran ins Gefängnis kommen.

© AFP

Überwachungsstaat Iran: So will Teheran den Kopftuchzwang durchsetzen

Immer mehr iranische Frauen legen das Kopftuch ab und trotzen damit den Vorgaben des Regimes. Die Mullahs wollen das nicht hinnehmen und setzen auf technische Hilfe aus China.

Das iranische Regime will den Kopftuchzwang in der Islamischen Republik jetzt mit Überwachungstechnologie aus China durchsetzen. Straßenkameras und Software für Gesichtserkennung sollen Frauen ermitteln, die mit offenem Haar auf die Straße gehen. Experten bezweifeln, dass sich die Protestbewegung davon einschüchtern lassen wird.

Revolutionsführer Ali Chamenei und andere Mitglieder der iranischen Führung betrachten den Kopftuchzwang als Säule des theokratischen Systems und als Symbol der Islamischen Revolution.

Doch Millionen Iranerinnen und Iraner protestieren seit dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini, die im September in der Gewalt der Revolutionspolizei gestorben war, gegen die Kopftuchpflicht und gegen das Mullah-Regime. Sittenpolizisten hatten Amini festgenommen, weil ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß gebunden war.

Niemand will die Kopftuchpflicht

Die Regierung weiß, dass die meisten Iraner gegen eine gesetzliche Kopftuchpflicht sind. Wie die Zeitung „Etemad“ berichtete, sprachen sich in einer Befragung des Kulturministeriums nur zehn Prozent der Teilnehmer dafür aus, Frauen ohne Kopftuch zu bestrafen.

Iran, Teheran: Ein Mädchen steht ohne das vorgeschriebene Kopftuch vor dem Azadi-Turm in Teheran.

© dpa / Anonymous

Drei von vier Iranern sehen das Kopftuch demnach zwar als religiöse Pflicht. Eine Mehrheit der Bürger ist aber dafür, die Frauen selbst entscheiden zu lassen, ob sie ihr Haar verhüllen.

Seit dem Beginn der Protestwelle zeigen sich immer mehr Frauen im Iran ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit. Die Religionspolizei greift nur selten ein, weil sie befürchtet, neue Proteste zu provozieren.

Nun wollen die Behörden einen Weg gefunden haben, Verstöße gegen den Kopftuchzwang ohne öffentliche Konfrontation zu ahnden. Die Polizei teilte mit, dass Aufnahmen von Kameras und moderne Technologie dabei helfen sollten, „Widerstand gegen das Kopftuch-Gesetz zu verhindern“. Verstöße würden nicht toleriert.

Frauen ohne Kopftuch werden laut Polizei künftig zunächst per Textnachricht auf ihre Handys verwarnt. Wenn sie noch einmal ohne Kopftuch erwischt werden, kommen sie vor Gericht. Autofahrer riskieren, dass ihr Wagen beschlagnahmt wird, wenn sie Frauen ohne Kopftuch mitnehmen.

10
Prozent der Iraner sprechen sich für eine Bestrafung von Frauen ohne Kopftuch aus.

Die Verkehrspolizei in der Hauptstadt Teheran will nach Berichten von Oppositionsmedien die Aufnahmen von Verkehrskameras für die Verfolgung unverschleierter Frauen an andere Behörden weitergeben.

Chinesisch-iranisches Grundsatzabkommen

Seit 2015 sind iranische Personalausweise mit biometrischen Daten ausgestattet, die zur Gesichtserkennung benutzt werden können. Kameras und Software, die jetzt zur Durchsetzung des Kopftuchzwangs eingesetzt werden sollen, kommen aus China. Eine chinesische Software-Firma hatte im vergangenen Jahr Überwachungstechnik an die iranische Revolutionsgarde geliefert.

Der Iran und China schlossen vor zwei Jahren ein Grundsatzabkommen, das eine engere Zusammenarbeit vorsieht – der iranische Präsident Ebrahim Raisi besuchte im Februar die Volksrepublik.

Chameneis Regime hatte in der Vergangenheit schon einmal versucht, den Kopftuchzwang mit Hilfe von Überwachungstechnologie durchzusetzen, war aber gescheitert; das iranische Überwachungssystem ist längst nicht so ausgeklügelt wie das chinesische.

Einschüchterungsversuche funktionieren nicht

Trotz der Überwachungskameras steigt die Zahl der Frauen ohne Kopftuch in iranischen Städten. Die Vorschrift sei kaum durchsetzbar, sagte der Iran-Experte Arash Azizi dem israelischen Fernsehsender I24.

Regimegegner im Iran sind jedenfalls entschlossen, weiter gegen die Regierung zu protestieren. Nach der Drohung der Polizei mit Konsequenzen bei Verstößen gegen den Kopftuchzwang veröffentlichten Oppositionelle neue Videos von Frauen mit offenem Haar auf den Straßen des Landes.

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In der Stadt Saghes, der Heimat von Jina Mahsa Amini im iranischen Kurdengebiet, brachen neue Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Einsatzkräften aus. Dort und in anderen iranischen Städten hatten Unbekannte Giftangriffe auf Schülerinnen verübt. Die Protestbewegung macht die Regierung dafür verantwortlich.

Der Aktivist Amin Riahi, der auf seiner Internetseite „Iran Prison Atlas“ die Gefängnisse, Richter und Prozesse im Iran beobachtet, erwartet eine neue Phase des Aufstandes gegen die Regierung.

Nicht nur die Überwachungskameras, sondern auch die Giftangriffe und die wirtschaftlichen Probleme im Iran könnten eine neue Protestwelle auslösen, sagte Riahi unserer Zeitung.

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