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Roman Gunda, Ukraine Weihnachten

© Roman Gunda

Ukraine-Invasion Tag 303: Ein Weihnachtsstück, das von der Armee handelt

Russischer Botschafter wirft USA Fortsetzung eines „Stellvertreterkriegs“ vor, Moskau greift wohl auf belarussische Ausbilder zurück. Der Überblick am Abend.

In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Wie aber schauen die Ukrainer:innen auf das Fest – mitten im andauernden Krieg? Unsere ukrainischen Kolleginnen haben mit Menschen in ihrer Heimat darüber gesprochen. Die Protokolle der Gespräche wollen wir in dieser Woche in unserem Newsletter abbilden. Heute: So verbringt der 46-jährige Roman Gunda aus Lviv das Fest, protokolliert von Yulia Valova.

Unsere Familie bemüht sich, die nationalen ukrainischen Traditionen hochzuhalten. Auch an Weihnachten. Ich tue mein Bestes, um aus uns eine Nation zu machen – dazu nutzen wir den Didukh, das traditionelle Weihnachtsgesteck aus Getreidebündeln. Dieser ist das wichtigste Symbol für unser Fest, das ich mit meiner Frau und unseren beiden Söhnen zusammen feiern werden. Unser ältester Sohn ist vor Kurzem aus dem Krankenhaus zurückgekehrt, wo er wegen Kriegsverletzungen behandelt wurde. Wir freuen uns, dass er bei uns sein wird.

An Heiligabend kleidet sich die ganze Familie in Nationaltrachten, und wir bringen den Didukh in unser Haus. Ich werde den Didukh tragen, das Universum preisen und Gott um einen schnellen Sieg für die Ukraine bitten. Wir werden den Didukh an einem Ehrenplatz aufstellen. In der Nähe wird es einen Tisch mit den traditionellen Gerichten unserer Vorfahren geben. Das Hauptgericht wird Weizenkutja sein, denn die Ukrainer sind ein altes Agrarvolk. Unsere Familie kocht diesen Weihnachtsbrei nach dem Rezept meiner Großmutter, die in den Karpaten lebte.

Wenn die Sonne untergeht, setzt sich unsere Familie an den Tisch. Ich nehme die erste Portion mit einem Löffel, und verteile den Brei dann im Kreis auf den anderen Tellern. Das ist ein Ritual. Zugleich wünsche ich allen viel Glück und gute Gesundheit. Dann schwenke ich den Brei noch zweimal. Und ich wünsche unseren Soldaten den Sieg. Und den Moskowitern den Tod. Als Nächstes wird meine Frau heißen Fastenborschtsch auf den Tisch bringen. Das wird so rot wie Blut sein und uns Kraft geben. Es wird sicher eine Schale geben. Unsere Tradition besagt, dass Eier ein Symbol der Fruchtbarkeit sind.

Nachdem Essen gehen wir mit dem Vertep zu unseren Freunden. Vertep ist ein Amateurtheater, dazu werden wir unsere eigenen, handgemachten Kostüme tragen, Lieder singen und kleine Aufführungen machen. Das diesjährige Weihnachtsstück handelt von der ukrainischen Armee, die das Land gegen die Feinde verteidigt. Die Hauptfiguren sind zwei ukrainische Kosaken und der russische Präsident Wladimir Putin, den sie besiegen werden.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Russland will US-Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot nach deren Lieferung in die Ukraine zerstören. „Die Entmilitarisierung ist doch eines der Ziele der militärischen Spezialoperation“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax auf die Frage nach Moskaus Reaktion. Mehr im Newsblog.
  • Der ehemalige Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, ist nach eigenen Angaben in Donezk durch ukrainischen Artilleriebeschuss leicht verletzt worden. „Ich bin verletzt, ein drei mal vier Millimeter großer Splitter ist über dem rechten Schulterblatt eingedrungen“, schrieb Rogosin auf Telegram.
  • Russland hat nach Angaben des ukrainischen Generalstabs in seinem Krieg nun mehr als 100.000 Soldaten verloren. Das ukrainische Militär sprach in einer Mitteilung davon, dass 100.400 russische Soldaten „eliminiert“ worden seien.
  • Moskaus Botschafter in Washington wirft den USA angesichts der Lieferung des Patriot-Flugabwehrsystems an die Ukraine die Fortsetzung eines „Stellvertreterkriegs“ gegen Russland vor. Es gehe den USA darum, einen Sieg über Russland zu erzielen, sagte der russische Botschafter Anatoli Antonow.
  • Die russischen Streitkräfte greifen bei der Rekrutenausbildung nach Einschätzung britischer Militärexperten inzwischen im großen Stil auf die Hilfe belarussischer Ausbilder zurück. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hervor.
  • Inmitten des Ukraine-Konflikts hat das russische Unterhaus härtere Strafen gegen „Saboteure“ beschlossen. Ein entsprechendes Gesetz sei von den Abgeordneten verabschiedet worden, teilte die Duma mit. Das Gesetz sieht bis zu lebenslange Haftstrafen für einheimische und ausländische „Saboteure“ vor.
  • Russland stimmt nach eigenen Angaben der Initiative der Internationalen Atombehörde (IAEA) weitgehend zu, eine Sicherheitszone um das Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine zu errichten. Moskau und IAEA-Chef Rafael Grossi seien sich in ihren Positionen zur Sicherheitszone sehr nahegekommen, teilte die föderale russische Agentur für Atomenergie Rosatom mit.
  • Auf der „Admiral Kusnezow“, Russlands einzigem Flugzeugträger, ist ein Brand ausgebrochen. Das in der Werft liegende Kriegsschiff habe evakuiert werden müssen, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist für Februar nach Brüssel eingeladen worden. Das teilte ein Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel mit. Darüber hinaus bestätigte er, dass für den 3. Februar ein EU-Ukraine-Gipfel geplant sei. 
  • Angesichts der Lieferung des Patriot-Flugabwehrsystems aus Washington an die Ukraine hat die CSU die Bundesregierung aufgefordert, es den USA gleich zu tun. Man habe im Verlauf des Kriegs feststellen können, dass die Unterstützung mit Waffen der Ukraine am meisten helfe, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber RTL/ntv. 
  • Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, spricht sich erneut für die Lieferung westlicher Kampfpanzer an die Ukraine aus. „Wir müssen strategisch endlich vor die Welle kommen und nicht immer nur dann reagieren, wenn die Situation sich verschlechtert“, sagt sie t-online. 

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