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Ein ukrainischer Soldat gestikuliert an der Frontlinie.

© dpa/Efrem Lukatsky

Ukraine-Invasion Tag 489: „In drei Wochen mehr Gebiet erobert als Russland in sechs Monaten“

Prigoschin in Weißrussland eingetroffen, Tschechien liefert schwere Waffen, Russland nutzt Jahrestag für Raketenangriff auf Zivilisten. Der Überblick am Abend.

Die ukrainische Gegenoffensive läuft nun seit drei Wochen. Wie erfolgreich sie bisher ist und ob Kiew zufrieden mit dem Stand sein kann, ist bei Experten umstritten. Allerdings, wie der britische Verteidigungsminister Ben Wallace am Montag zu Protokoll gab: „Im Rahmen ihrer Sommerkampagne zur Rückeroberung illegal besetzter Gebiete hat die Ukraine bereits rund 300 Quadratkilometer zurückerobert. Das ist mehr Territorium als Russland in seiner gesamten Winteroffensive erobert hat.“

Er gab zwar keinen Vergleichswert für die russische Offensive an, aber zur Einordnung: Im Februar lagen die Geländegewinne der Russen bei rund 85 Quadratkilometern (andere Quellen - z. B. hier - sprechen allerdings von 230 Quadratkilometern und damals war Bachmut noch in ukrainischer Hand). 

Am Ende ist aber auch klar: Der Erfolg der Gegenoffensive wird - auch bei den westlichen Verbündeten - nicht in einzelnen Quadratkilometern gemessen, sondern an der Rückeroberung weiterer Landstriche. Und die könnte noch etwas auf sich warten lassen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in seiner nächtlichen Videoansprache jedenfalls von einem „glücklichen Tag“. Am Montag seien die ukrainischen Truppen überall vorangekommen, erklärte er. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Belarus baut Lager für Wagner-Söldner, Prigoschin landet mit Privatjet: Nach dem gescheiterten Wagner-Aufstand gibt es für die Söldner mehrere Optionen. Derzeit wird in Russland offenbar die Entwaffnung der Kämpfer vorbereitet. Andere sollen nach Belarus. Dort hält sich seit Dienstag auch der Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin auf. Mehr hier.
  • „Es war eine extrem enge Situation“: US-Geheimdienste sollen Informationen zum Wagner-Aufstand nicht mit Verbündeten geteilt haben. Und das offenbar mit Absicht. Andernfalls hätte man äußerst sensible Quellen gefährdet. Mehr hier. 
  • Russland stellt Strafverfahren gegen Jewgeni Prigoschin ein: Noch am Montag hatte es in russischen Medien geheißen, es werde nach wie vor gegen die Wagner-Gruppe ermittelt. Laut Kreml hat sich das nun geändert. Mehr hier.
  • Viktor Orban stellt sich klar hinter Putin. Er sei durch den Wagner-Aufstand nicht geschwächt. Einen militärischen Sieg der Ukraine gegen Russland hält Orban für „unmöglich“. Mehr hier.
  • Der Kremlchef droht der Ukraine mit einem Ende des Getreideabkommens. Agrarminister Özdemir fordert, dass Brüssel den Export auf anderen Transportwegen vorantreiben soll. Mehr hier.
  • Putins Truppen exekutierten mindestens 77 inhaftierte ukrainische Zivilisten. Ein neuer UN-Bericht zeigt auch, wie grausam sie ihre Opfer misshandelten – und Verbrechen der ukrainischen Seite. Mehr hier. 
  • Kremlchef Wladimir Putin hat erstmals eingeräumt, dass die Wagner-Armee des Geschäftsmanns Jewgeni Prigoschin vollkommen vom Staat finanziert wurde. „Wir haben diese Gruppe komplett finanziert“, sagte Putin am Dienstag der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge bei einem Treffen mit Soldaten. Zwischen Mai 2022 und Mai 2023 habe der Staat dafür 86 Milliarden Rubel (etwa 924 Millionen Euro) ausgegeben. Mehr in unserem Liveblog.
  • Nach dem bewaffneten Aufstand der Wagner-Söldner in Russland muss deren Chef Jewgeni Prigoschin aus Sicht des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler um sein Leben bangen. „Ich gehe davon aus, dass die Russen Prigoschin über kurz oder lang liquidieren werden“, sagte er „Spiegel Online“. Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko, der ihm nun offenbar Unterschlupf gewähre, werde dem russischen Geheimdienst dabei kaum im Weg stehen.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dringt darauf, dass die Nato bei ihrem Gipfel in Litauen im Juli eine Aufnahme seines Landes in das Militärbündnis vorantreibt. „Es gibt allen Grund für eine politische Einladung an die Ukraine, dem Bündnis beizutreten“, schreibt er in einem Beitrag auf Telegram. Kiew arbeite daran, dass die Entscheidungen des Gipfels in Vilnius „wirklich bedeutsam“ würden.
  • Am Jahrestag des schweren Luftangriffs auf ein Einkaufszentrum in Krementschuk hat Russland die zentralukrainische Stadt wieder mit Raketen beschossen. Eine Garten- und Wochenendhaus-Siedlung sei getroffen worden, teilt der Gouverneur der Region Poltawa, Dmytro Lunin, mit. Es habe aber keine Toten oder Verletzten gegeben. Bei dem Raketenangriff vor einem Jahr sollen mindestens 20 Menschen getötet worden sein.
  • Der Nato-Partner Tschechien setzt seine Lieferungen schwerer Waffen an die von Russland angegriffene Ukraine fort. Von Januar bis Mai dieses Jahres seien 24 Panzer, 76 Schützenpanzer und 16 Luftabwehr-Fahrzeuge an Kiew übergeben worden, sagte Ministerpräsident Petr Fiala am Dienstag in Prag. Hinzu kämen 57.000 Schuss Artilleriemunition sowie weitere Materialien wie Ersatzteile und Schutzausrüstung gegen atomare, biologische und chemische Gefahren. 
  • Die Europäische Zentralbank (EZB) warnt eindringlich vor steigenden Gefahren, die mit Geschäften der Banken in Russland verknüpft sind. Die Reputations-, Rechts- und Finanzrisiken, die mit Aktivitäten dort und in Belarus verbunden seien, hätten zugenommen, erklärte EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria in einem am Dienstag veröffentlichten Brief an Mitglieder des EU-Parlaments. 
  • Die russische Führung sieht nach eigenen Angaben derzeit keinen Grund für Friedensgespräche mit der Ukraine. Angesprochen auf einen Medienbericht, wonach solche Gespräche im Juli beginnen könnten, sagt Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow vor Journalisten, es gebe derzeit keine Anzeichen dafür, dass die Voraussetzungen dafür gegeben seien. Russland hatte in der Vergangenheit erklärt, dass jegliche Friedensgespräche den „neuen Realitäten“ Rechnung tragen müssten – ein Verweis auf vier ukrainische Regionen, die Russland annektiert hat – was die Ukraine und der Westen ablehnen. 
  • Die Vorbereitungen westlicher Staaten für eine Ausbildung ukrainischer Piloten an F-16-Kampfjets laufen laut dänischen Angaben noch. Daher gebe es noch keinen endgültigen Plan, teilt das Verteidigungsministerium in Stockholm der Nachrichtenagentur Reuters mit. Zur konkreten Dauer einer solchen Ausbildung wollte sich das Ministerium nicht äußern. Das hänge von der Erfahrung der Piloten und ihren Sprachkenntnissen ab. 
  • Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall liefert im kommenden Jahr 14 Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine. Darüber sei eine vertragliche Vereinbarung mit Vertretern der Bundesregierung und der beiden Auftraggeber – der Niederlande und Dänemarks – getroffen worden, teilte Rheinmetall am Dienstag in Düsseldorf mit. Die Panzer sollen im Laufe des Jahres 2024 ausgeliefert werden, der erste davon bereits im Januar.
  • Israel hat den ukrainischen Botschafter Jewhen Kornijtschuk einbestellt. Hintergrund seien dessen „wiederholte Äußerungen gegen die israelische Politik“, teilte das israelische Außenministerium am Dienstag mit. Die ukrainische Botschaft in Tel Aviv hatte am Sonntag auf ihrer Facebook-Seite geschrieben, die rechts-religiöse Regierung Benjamin Netanjahus habe leider „den Weg der engen Zusammenarbeit“ mit Russland gewählt und treibe regen Handel mit Moskau.

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