zum Hauptinhalt
Saporischschja: Ein ukrainischer Soldat ruht sich in einem Unterstand an der Frontlinie aus.

© dpa/Libkos

Ukraine-Invasion Tag 495: „Die Offensive wird sehr lange dauern und es wird sehr, sehr blutig“

Ukrainer bergen verlorene Leopard-Panzer, russische Truppen wohl mit Erfolgen in der Ostukraine, Schoigu äußert sich zur Wagner-Meuterei. Der Überblick am Abend.

Die ukrainische Offensive kommt nur langsam voran, langsamer jedenfalls als von manchem Beobachter, westlichen Politikern und Experten erwartet. Aber ist das wirklich eine Überraschung? Nein, sagen zwei, die sich mit der Materie auskennen. Der eine: US-Generalstabschef Mark Milley. Der andere: der niederländische Admiral Rob Bauer, seines Zeichens Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, der obersten militärischen Instanz der Nato. 

Hier die Einschätzung von Milley: „Die Ukrainer arbeiten sich stetig und zielstrebig durch sehr schwierige Minenfelder vor ... 500 Meter am Tag, 1000 Meter am Tag, 2000 Meter am Tag. Ich habe gesagt, dass das sechs, acht, zehn Wochen dauern wird und dass es sehr schwierig sein wird. Es wird sehr lange dauern und es wird sehr, sehr blutig werden. Und niemand sollte sich diesbezüglich irgendwelche Illusionen machen.“ (Quelle hier)

Hier die Einschätzung von Bauer: „Niemand sollte denken, dass das ein Spaziergang ist. Die Gegenoffensive ist schwierig. Wir haben im Zweiten Weltkrieg in der Normandie gesehen, dass es sieben, acht, neun Wochen dauerte, bis die Alliierten die Verteidigungslinien der Deutschen durchbrechen konnten. Es ist also keine Überraschung, dass es nicht schnell geht.“ Und weiter: Die ukrainischen Streitkräfte seien zu Recht vorsichtig, um hohe Verluste zu vermeiden, während sie nach Möglichkeiten für Durchbrüche suchten. „Es ist extrem schwierig, diese Art von Operation durchzuführen, und ich denke, die Art und Weise, wie sie es tun, ist genau richtig.“ (Quelle hier)

Das Fazit: Der Westen und die Ukrainer selbst brauchen Geduld. Wie der britische Militärhistoriker Lawrence Freedman mit Blick auf die ukrainischen Erfolge im vergangenen Jahr schrieb: „Erst geht es nur nach und nach voran und dann ganz plötzlich sehr schnell.“ (Quelle hier)

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Moskau nutzte Bilder für Propaganda: Nach einem Angriff in der Südostukraine im Juni mussten ukrainische Soldaten Panzer vom Typ Leopard und Bradley zurückgelassen. Bilder von Bergungsarbeiten zeigen, dass die Fahrzeuge jetzt offensichtlich zurückgeholt werden. Die ukrainischen Truppen machen in der Gegend Fortschritte. Mehr hier. 
  • Mit seiner Rebellion ist der Wagner-Chef gescheitert. Nun scheint der Fortbestand seines gesamten Firmennetzes fraglich. Seine Patriot Media Group jedenfalls steht offenbar vor dem Aus. Mehr hier.
  • Immer wieder greift die Ukraine russische Ziele in der Tiefe an. Nun ereignete sich eine Explosion im südrussischen Krasnodar. Der Vorfall werde untersucht, heißt es vom dortigen Gouverneur. Mehr hier. 
  • In der Ostukraine toben weiterhin heftige Kämpfe. Offenbar konnten die russischen Truppen mancherorts Geländegewinne erzielen. Mehr hier.
  • Ukrainischer Kommandeur bezeichnet französische Schützenpanzer als „unpraktisch“: Seit April sind die französischen Fahrzeuge im Einsatz. Nachdem eine Granate in der Nähe explodiert war, starben offenbar vier Insassen. Mehr hier.
  • Schwer verletzte ukrainische Autorin gestorben: Die 37-Jährige hatte sich mit einer Delegation kolumbianischer Journalisten und Schriftsteller in einem von Russen angegriffenen Restaurant in der Stadt Kramatorsk aufgehalten. Mehr hier.
  • Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat sich erstmals zum Aufstand der Wagner-Söldner geäußert. Dieser habe keinen Einfluss auf die Lage an der Front gehabt. Der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti zufolge bezeichnete er die Meuterei des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin als „Provokation“. Mehr in unserem Liveblog.
  • Westliche Staaten setzen einen deutlichen Schritt bei der strafrechtlichen Verfolgung Russlands wegen des Angriffskriegs in der Ukraine. Am Montag eröffnete die EU-Justizbehörde Eurojust in Den Haag ein internationales Strafverfolgungszentrum, wo Beweise zur Verfolgung russischer Aggression gesammelt und gezielt Anklagen gegen mutmaßliche Täter vorbereitet werden sollen.
  • Nach nur eineinhalb Wochen haben die russischen Besatzer eine durch ukrainischen Raketenbeschuss beschädigte Brücke bei Tschonhar zur Halbinsel Krim eigenen Angaben zufolge wieder repariert. Der „kürzeste und bequemste Transportkorridor“ zur Krim funktioniere wieder wie gehabt, teilte der von Moskau eingesetzte Regierungschef des besetzten Teils des südukrainischen Gebiets Cherson, Andrej Alexejenko, am Montag bei Telegram mit. Belege legte er jedoch nicht vor.
  • Großaufgebot zum Schutz des Nato-Gipfels in Vilnius: Bis zu 12.000 Einsatzkräfte werden nach litauischen Angaben während des Spitzentreffens des westlichen Militärbündnisses für die Sicherheit verantwortlich sein. Darunter seien 3000 litauische Soldaten und 1000 Truppen von Nato-Verbündeten, teilten ein für den Personenschutz zuständiger litauischer Sicherheitsoffizier und ein Militärsprecher am Montag auf einer Pressekonferenz in Vilnius mit.
  • Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist am Montag zu einem Besuch im Südosten Polens eingetroffen. Er will dort das Patriot-Kontingent der Bundeswehr besuchen. In einer Kaserne in der Stadt Zamosc ist auch ein Gespräch mit seinem polnischen Amtskollegen Mariusz Blaszczak geplant. Erwartet wurde, dass es um die mögliche weitere Stationierung der deutschen Luftverteidigungssysteme geht sowie um ungelöste Streitigkeiten beim Aufbau und Betrieb eines Reparaturzentrums für Kampfpanzer vom Typ Leopard 2, die der Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffskriegs überlassen wurden.
  • Russland hat nach eigenen Angaben ein Attentat auf den Regierungschef der annektierten Halbinsel Krim, Sergej Axjonow, vereitelt. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB erklärt laut der Nachrichtenagentur Interfax, er habe einen Russen festgenommen, der von den ukrainischen Sicherheitsdiensten angeheuert und ausgebildet worden sei, um Axjonow mit einer Autobombe zu töten. Von der Ukraine lag zunächst keine Stellungnahme dazu vor. Russland hatte die Krim 2014 annektiert. Dort ist die russische Schwarzmeerflotte stationiert.
  • Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben in der Nacht den Großteil russischer Drohnen über dem Süden und Osten des Landes abgefangen. Die Flugabwehr habe 13 der 17 von Russland gestarteten Drohnen abgeschossen, teilte die ukrainische Luftwaffe am Montagmorgen auf ihrem Telegram-Kanal mit. „Der Rest hat sein Ziel nicht erreicht.“ Unabhängig konnten diese Angaben zunächst nicht bestätigt werden.
  • Der russische Gesandte bei den Vereinten Nationen in Genf sieht laut einem Medienbericht keinen Grund, das am 18. Juli auslaufende Getreideabkommen zu verlängern. Die Umsetzung der russischen Bedingungen für das Abkommen seien ins Stocken geraten, sagte Gennady Gatilow gegenüber der russischen Zeitung „Iswestija“. Russland fordert unter anderem eine Wiederanbindung der Russischen Landwirtschaftsbank Rosselkhozbank an das internationale SWIFT-Bankzahlungssystem.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false