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Ein ukrainischer Soldat bei Robotyne

© AFP/Roman Pilipey

Ukraine-Invasion Tag 611: Kiews Offensive bringt 90 Meter Gebietsgewinn pro Tag

USA starten Ausbildung ukrainischer Piloten, Ukraine will neue Einheit nur aus Russen bilden, neue Patriot-Systeme für Deutschland verzögern sich. Die Lage am Abend.

In den vergangenen Wochen ist wieder mehr Dynamik in das Geschehen an der Front gekommen. Russland startete im Donbass einen Großangriff, die Ukraine verstärkt ihre Brückenköpfe am linken Dnepr-Ufer und rückt dort langsam auf die ufernahen Siedlungen und Städte vor.

Gleichzeitig scheint die Lage an anderen Teilen der Front nahezu eingefroren. Die Ukrainer kommen im Süden hinter Robotyne nur noch sehr langsam voran, die Russen wiederum sind im Nordosten weitgehend ausgebremst worden. 

All das bedeutet aber nicht, dass es für eine Partei große Gebietsgewinne gab oder gibt. Für die ukrainische Seite haben die Experten des US-Think-Tanks „Center for Strategic and International Studies“ (Csis) den Fortschritt des Sommers zuletzt in einem ausführlichen Briefing vermessen. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Die Csis-Experten schreiben: „Die ukrainischen Streitkräfte behalten die Initiative in diesem Krieg, kamen aber auf dem Höhepunkt ihrer Sommeroffensive an der Südfront im Durchschnitt nur 90 Meter pro Tag voran. Russlands umfangreiche Befestigungen – darunter Minenfelder, Grabennetze und Unterstützung durch Artillerie, Kampfhubschrauber und Starrflügler – haben die ukrainischen Vorstöße gebremst. Insbesondere hat Russland die Größe seiner Minenfelder in einigen Gebieten von 120 auf 500 Meter ausgeweitet, wodurch die Ukraine heute das am stärksten verminte Land der Welt ist.“ (Quelle hier)

Was daraus folgt? Für die Csis-Experten ist das klar. Ihrer Analyse nach sind bedeutsame militärische Fortschritte der Ukraine immer noch möglich. Voraussetzung ist, dass Kiew weiter vom Westen militärisch unterstützt wird. Genau das ist längst nicht ausgemacht. Der neue Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, will nicht ohne weiteres neue Hilfen für die Ukraine gewähren, ließ er gestern verlauten. Die EU wiederum hängt bei ihren Versprechen für Artilleriemunition hinterher, Ungarn und die Slowakei fordern gar eine völlig neue Ukraine-Politik. Es sind ungewisse Zeiten für Kiew.

Die wichtigsten Meldungen des Tages:

  • USA beschuldigen Russland, Soldaten bei Befehlsverweigerung zu töten: Aus dem Weißen Haus hieß es außerdem, dass Russland auf untrainierte Soldaten setze. Mehr hier.
  • In den USA schwelt unterdessen der Streit um weitere Ukraine-Hilfen: Der neue Sprecher des US-Repräsentantenhauses hat Bedenken hinsichtlich weiterer Ukraine-Hilfen geäußert. In der EU sind Ungarn und die Slowakei skeptisch. Mehr hier.
  • USA starten mit der Ausbildung ukrainischer Piloten: Das Pilotentraining ist Voraussetzung für die Lieferung der Kampfjets durch Dänemark und die Niederlande. Aus Sicht der Ukraine sind die F16 ein „Gamechanger“ im Kampf gegen Russland. Mehr hier.
  • Das ukrainische Verteidigungsministerium hat die Schaffung einer neuen Einheit bestätigt, die demnach komplett aus russischen Staatsbürgern besteht. Die „Kyiv Post“ berichtet über diese ungewöhnliche militärische Formation mit dem Namen „Sibirisches Bataillon“ und bestätigt damit einen älteren Bericht von „Bloomberg“. Mehr in unserem Newsblog. 
  • Die Nachbeschaffung der an die Ukraine abgegebenen Patriot-Flugabwehrsysteme dauert länger, als vom Bundesverteidigungsministerium zunächst geplant. Das berichtet der „Spiegel“. Man verhandle derzeit mit dem US-amerikanischen Hersteller über den Kauf von mehreren Patriots, heißt es in der Antwort des Ministeriums auf eine schriftliche Frage des CDU-Bundestagsabgeordneten Ingo Gädechens. „Die Auslieferung soll 2025 beginnen und wird voraussichtlich 2027 abgeschlossen“, heißt es darin.
  • Bei einem mutmaßlich russischen Raketenschlag auf eine Feuerwehrstation in der ostukrainischen Stadt Isjum sind acht Feuerwehrleute verletzt worden. Vier der Verletzten seien ins Krankenhaus gebracht worden, teilte Innenminister Ihor Klymenko am Freitag bei Telegram mit. Zudem seien 13 Fahrzeuge beschädigt worden.
  • Auf der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim ist der ranghohe Politiker und ukrainische Überläufer Oleg Zarjow nach Besatzer-Angaben bei einem Anschlag schwer verletzt worden. Zarjows eigener Telegram-Kanal bestätigte am Freitag den Angriff mit Berufung auf dessen Verwandten. Demnach wurde Zarjow gegen Mitternacht auf dem Gelände eines von ihm geleiteten Sanatoriums zweimal angeschossen. Er sei bewusstlos und mit starkem Blutverlust ins Krankenhaus gebracht worden. Informationen über den Täter gäbe es derzeit keine, hieß es.
  • Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban wendet sich mit deutlichen Worten gegen das Vorgehen der Europäischen Union (EU). Die Strategie der EU in der Ukraine sei gescheitert, sagt Orban dem ungarischen Staatsrundfunk am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Die Ukraine werde nicht an der Front gewinnen. Die EU müsse einen Alternativplan erarbeiten. 
  • Die russischen Fernfliegerkräfte haben nach britischer Einschätzung aus Mangel an Munition bereits seit mehr als einem Monat keine Luftangriffe mehr gegen die Ukraine geflogen. Es handele sich um eine der längsten Phasen ohne solche Attacken seit Kriegsbeginn im Februar 2022, teilte das britische Verteidigungsministerium am Freitag mit.

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