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Am Wochenende gingen wieder Hunderttausende auf die Straße, um ihren Unmut über das Vorhaben der Regierung auszudrücken.

© dpa/Ariel Schalit

Umstrittene Justizreform: Deutschland muss sich mehr für Israels Demokratie einsetzen

Netanjahus rechtsgerichtete Koalition plant einen fundamentalen Umbau der Justiz nach ihrem Wunsch. Es ist überfällig, dass sich die Bundesregierung für Israels Demokratie starkmacht.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Für Benjamin Netanjahu ist die Sache klar. Israels Oberster Gerichtshof hat zu viel Macht und mischt sich unbotmäßig in politische Entscheidungen ein. Kaum kaschiert kommt so zum Ausdruck, was der Chef einer sehr weit rechts außenstehenden Koalition von Gewaltenteilung und Kontrolle der Exekutive hält – herzlich wenig.

Netanjahu will sich von den höchsten Richtern nicht länger in seine zuweilen, gelinde formuliert, zweifelhaften Regierungsgeschäfte hineinreden lassen. Von einer besonderen Sensibilität gegenüber demokratischen Werten zeugt das nicht.

Im Gegenteil. Sein Vorhaben ist keine Justizreform, sondern ein fundamentaler Umbau der Justiz nach den Vorstellungen einer knappen Parlamentsmehrheit, die die Unabhängigkeit der höchsten Richter für überflüssig erachtet und so ein Grundrecht aushebelt.

Von Deutschland muss mehr kommen

Genau das treibt seit Monaten Hunderttausende Israelinnen und Israelis auf die Straße. Sie kämpfen für den Erhalt der Demokratie in ihrem Land und benötigen Unterstützung – gerade von Deutschland. Doch die ist bestenfalls dürftig. Da muss mehr kommen.

Netanjahu ist überzeugt davon, dass die höchsten Richter zu viel Macht haben.

© dpa/Abir Sultan

Die Bundesregierung hält sich allerdings bislang diplomatisch mit deutlichen Worten der Kritik zurück. Es gibt zwar verhaltene Warnungen, die Rechtsstaatlichkeit Israels könne in Gefahr sein. Auch unterstütze man die Bemühungen von Präsident Isaac Herzog um einen Kompromiss im Streit um die Justizreform.

Aber es fehlt ein klares Signal Richtung Netanjahu, dass Deutschland ganz und gar nicht mit seinem Kurs einverstanden ist. Vor allem mangelt es an demonstrativer Solidarität mit jenen im jüdischen Staat, die um ihre Demokratie fürchten.

Dabei gibt es gleich mehrere Gründe, sich auf deren Seite zu schlagen. Da sind zum Beispiel die Werte, die Israel und Deutschland teilen und verbinden sollten: Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz und eben die Einhaltung demokratischer Grundregeln.

Es kommt einem Freundschaftsdienst gleich, den Partner Israel an all das zu erinnern. Darauf zu verweisen, dass der Verlust an Demokratie in Polen oder Ungarn ebenfalls als Gefahr benannt wird.

Dann gibt es noch das viel beschworene Mantra, wonach Israels Sicherheit Deutschlands Staatsräson ist. Dieses Versprechen bezieht sich auf Gefahren für den jüdischen Staat, die von außen kommen.

Doch warum es nicht auch auf Bedrohungen ausweiten, mit denen Israel von innen konfrontiert ist? Warum sich nicht mit ganz offen für die Hunderttausenden einsetzen, die dem Vorhaben ihrer Regierung Widerstand entgegensetzen? Deutschlands Demokraten sind gefordert in ihrem Kampf für Demokratie.

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