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Ein Schmuggler in einem Tunnel an der Grenze zu Ägypten (Archivbild).

© picture alliance / dpa/PHILIPPE DE POULPIQUET

Will Israel das Hamas-Tunnelsystem fluten?: Die Folgen wären kaum absehbar

Washington ist informiert – wägt aber mögliche Auswirkungen auf Bausubstanz und Umwelt. Das Problem: Wegen mangelnder Informationen und Studien sind Vorhersagen fast unmöglich.

Im Kampf gegen die Hamas in Gaza bereitet Israel offenbar eine mögliche Flutung des Tunnelsystems vor. Wie das „Wall Street Journal“ (WSJ) berichtet, hat die israelische Armee dazu bereits fünf Pumpen nördlich des Flüchtlingslagers Al Shati im Gazastreifen gebaut, von denen jede angeblich mehrere Tausend Kubikmeter Meerwasser pro Stunde in das unterirdische System pumpen könnte.

Diese von den Hamas-Kämpfern genutzte Tunnelanlage wäre dann innerhalb von Wochen überflutet. Allerdings wird davon ausgegangen, dass sich nicht nur Terroristen in den Tunneln befinden, sondern auch israelische Geiseln. Bisher sei in Israel noch keine Entscheidung für oder gegen eine Flutung gefallen, zitiert die Zeitung US-Beamte.

Die Idee der Flutung hat Israel nach Angaben des Blattes bereits Anfang November erstmals mit den USA besprochen. Allerdings gibt es auf amerikanischer Seite Bedenken. So wägen US-Experten laut WSJ die Durchführbarkeit und die Auswirkungen einer solchen Flutung auf die Bausubstanz und die Umwelt ab – sowie den militärischen Wert einer solchen Tunnelzerstörung. Israel hat nach eigenen Angaben während seiner Offensive bereits 800 Tunnelschächte entdeckt und 500 zerstört.

Brechen dann die Häuser zusammen?

„Wir sind nicht sicher, wie erfolgreich eine solche Flutung sein könnte, da niemand Details zu diesen Tunneln und dem Erdreich um sie herum kennt“, wird ein US-Beamter zitiert. „Es ist unmöglich, vorherzusagen, ob das erfolgreich sein kann, weil wir nicht wissen, wie das Meerwasser in den Tunneln ablaufen wird.“

Angst vor Gift im Grundwasser

Der Vizepräsident des Washingtoner Zentrums für Strategische und Internationale Studien, Jon Alterman, erklärte, dass es schwierig sei, die Konsequenzen einer solchen Flutung vorherzusehen, weil man nicht wisse, „wie viel des Wassers in den Boden einsickern würde“.

Das könnte Auswirkungen auf die Statik und Stabilität der über den Tunneln stehenden Gebäude und Häuser haben. Auch die Folgen für das Wasser- und Abwassersystem sowie das Grundwasser seien schwer einzuschätzen, sagte Alterman.

Ägypten hat schon einmal Tunnel geflutet

Wim Zwijnenburg von der niederländischen Friedensorganisation Pax weist darauf hin, dass das Trinkwasser in Gaza wegen des steigenden Meeresspiegels bereits salziger geworden sei. Der Experte für Kriegsfolgen weist im WSJ außerdem auf die Gefahren hin, die von giftigen Stoffen in den Tunneln oder von Materialien des Tunnelbaus für das Grundwasser und die Böden ausgehen könnten.

Ein Mann wird in einen Schmuggler-Tunnel in Gaza heruntergelassen (Archivbild).

© picture alliance / dpa/ALI ALI

Bereits 2015 hatte Ägypten Tunnel zwischen dem Gazastreifen und der ägyptischen Sinai-Halbinsel geflutet. Dazu soll ebenfalls Wasser aus dem Mittelmeer genutzt worden sein. Damals waren mehrere Menschen in eingestürzten Tunneln gestorben. Auch die Grenzregion war teilweise überflutet. Damals hatte es aber auf ägyptischer Seite Kritik gegeben, da Landwirte Auswirkungen auf ihre Ernten befürchteten.

Das Tunnelsystem war entstanden, um während der regelmäßigen Abriegelungen des Gazastreifens Waren in die Enklave zu bringen. Seit der totalen Abriegelung 2007 wurde das System weiter ausgebaut, es wurden zum Beispiel Kühlschränke, Hühner und Kühe auf diesem Weg nach Gaza gebracht. Die Tunnel sollen Hunderte Kilometer lang unter Gaza verlaufen.

Seit ihrer Machtübernahme erhob die Hamas auf Schmuggelgut Zölle. Zuvor hatten Geschäftsleute und Großfamilien ihre eigenen Tunnel zur Versorgung. Hamas transportierte seither zunehmend Waffen durch die Tunnel nach Gaza.

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