zum Hauptinhalt
Das Deutsche Technikmuseum hat eine virtuelle Rekonstruktion des Anhalter Bahnhofs geschaffen.

© TU Darmstadt, FG Digitales Gestalten / SDTB, Grafik: C4 Berlin

Anhalter Bahnhof Revisited: Verschwundene Berliner Architekturikone wird per Smartphone begehbar

Einst das Tor zum Süden, heute eine Ruine. Eine 360°-Rekonstruktion ermöglicht es, den Anhalter Bahnhof neu zu entdecken.

Die S-Bahn-Station Anhalter Bahnhof liegt im Zentrum der Nord-Süd-Achse des Berliner S-Bahn-Netzes. Sie verbindet den Wannsee mit Oranienburg, Blankenfelde mit Bernau, Teltow mit Waidmannslust. Vor weniger als 80 Jahren war der historische Anhalter Bahnhof das Tor zum Süden: von hier aus fuhren Züge nach Rom, Nizza oder Istanbul.

Heute ist davon wenig übrig. Am Askanischen Platz deuten lediglich die Ruinen des Eingangsportals auf den ehemaligen Bahnhof hin. Der Portikus mit den drei Rundbögen lässt jedoch höchstens erahnen, wie imposant die 170 Meter lange Eingangshalle des Anhalter Bahnhofs einst war.

Vom Sehnsuchtsort zur Leerstelle

Der erste Anhalter Bahnhof wurde 1841 eröffnet und verband das Anhalter Tor der damaligen Berliner Stadtmauer mit dem Fürstentum Anhalt. Der Neubau des Bahnhofs mit Empfangsgebäude eröffnete 1880. Zu diesem Zeitpunkt war es der größte Bahnhof des europäischen Festlands – nur in England, in Manchester und Birmingham, gab es größere.

Im Zweiten Weltkrieg verlor das Tor zum Süden seinen Glanz: Juden wurden von hier zum KZ Theresienstadt gebracht. Stelen neben dem Portikus erinnern an die Judendeportationen. Luftangriffe beschädigten das Gebäude 1945 stark. Im Jahr 1952 wurde der Bahnhof schließlich geschlossen, 1959 abgerissen. Er wurde zur Leerstelle in Berlin.

Ein immersiver Rundgang

Die nun gelaunchte Website „Anhalter Bahnhof Revisited“ des Deutschen Technikmuseums und des Fachgebiets „Digitales Gestalten“ der Technischen Universität Darmstadt erweckt die Architekturikone wieder zum Leben. Nutzer:innen können sich in einer 360-Grad-Projektion des rekonstruierten Anhalter Bahnhofs bewegen, seine Architektur und Geschichte erkunden.

Die Website kann mit jedem Browser geöffnet werden, auch bequem von zu Hause aus. Das beste Nutzungserlebnis bietet sich jedoch, wenn die Website auf dem historischen Gelände mit dem Smartphone abgerufen wird. Steht man auf dem richtigen Fleck, den die Website anhand eines anschaulichen Bildes erklärt, überlagert sich das Bild des rekonstruierten Gebäudes auf dem Bildschirm perfekt mit der heutigen Ansicht im Hintergrund. Wird das Smartphone herumgeschwenkt, bewegt sich das Bild mit – man spricht von „Augmented Reality“.

Bahnhöfe waren regelrechte Kathedralen des Fortschritts. Bezüge zu Kirchenbauten finden sich auch am Anhalter Bahnhof, wie etwa das Kreuzrippengewölbe.

© TU Darmstadt, FG Digitales Gestalten / SDTB

„Es ist eine Rekonstruktion des Bahnhofs, basierend auf unserem heutigen Wissensstand. Es ist nicht das Original“, sagt Frank Zwitzschner vom Deutschen Technikmuseum, verantwortlicher Kurator für Landverkehr. Die Rekonstruktion sei mit viel Liebe zum Detail angefertigt worden. Laut Matthias Stier, verantwortlich für die digitale Strategie, habe das Team sogar auf die korrekten Zugnummern und die Original-Schriftarten auf den Schildern geachtet.

Am Bahnsteig mit Erich Kästner

Besonderes Highlight ist die zusätzliche Story-Ebene, die mit einem Klick auf das Koffersymbol in der unteren, linken Ecke aktiviert werden kann. Die fotorealistische Rekonstruktion des Anhalter Bahnhofs weicht einer künstlerischen Darstellung im Sepiaton, in der liebevoll gestaltete Personen platziert wurden. Entwickelt wurden sie von der Kreativagentur C4 Berlin und Stadthistoriker Michael Bienert.

Das Vestibül, die große Vorhalle, war prächtig ausgestattet. Auf den Säulen aus Stuckmarmor befanden sich Personifikationen von „Wissenschaft“ und „Industrie“.

© TU Darmstadt, FG Digitales Gestalten / SDTB

Am Askanischen Platz können Nutzer:innen dem Architekten Franz Schwechten lauschen, der auch die Gedächtniskirche entwarf, am Querbahnsteig spricht Erich Kästner von einem Ausflug nach Berlin. Es handelt sich jedoch nicht um Originalstimmen, sondern um historisch recherchierte Nacherzählungen.

So lassen sich insgesamt sieben Standorte erkunden, vom Askanischen Platz bis in den Elise-Tilse-Park hinein hinter dem Tempodrom. An jedem Ort gibt es weiterführende Informationen zur Geschichte und Architektur des Geländes zu entdecken. Kleine, anklickbare Sprechblasen geben kurze Videos, Fotos oder Infotexte preis. Im Hintergrund erschallt eine Soundkulisse, die ein immersives Erlebnis erschaffen, damit sich die Nutzer:innen so fühlen, als würden sie selbst am Anhalter Bahnhof des 19. Jahrhunderts stehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false