zum Hauptinhalt
Anna Wintour gab die Entscheidung des Verlags bekannt – und behielt ihre Sonnenbrille auf.

© IMAGO/ABACAPRESS/IMAGO/Marechal Aurore/ABACA

Aus für „Pitchfork“: Es geht weiter bergab mit dem Popmusikjournalismus

Das einflussreiche Popmusikportal „Pitchfork“ wird mit dem Männermagazin „GQ“ verschmolzen. Die bittere Nachricht ist auch ein Symptom der Talfahrt des Musikjournalismus.

Eine Kolumne von Nadine Lange

Bob Dylan verkündet weitere Tourdaten, Justice planen ein Comeback-Album, die neuen Platten von The Smile, Ekkstacy und Ms. Boogie – die Startseite von „Pitchfork“ sieht derzeit noch aus wie immer. Bald dürfte sich das ändern, denn das einflussreichste Popmusikportal der letzten 15 Jahre wird mit dem Männermagazin „GQ“ verschmolzen. Das verkündete Anna Wintour, Chief Content Officer beim Verlag Condé Nast, den Mitarbeitenden letzte Woche – und behielt dabei ihre Sonnenbrille auf.

Nicht gerade ein respektvoller Umgang, zumal die Zusammenlegung für viele „Pitchfork“-Redakeur*innen die Kündigung bedeutet. Allen voran muss Chefredakteurin Puja Patel gehen.

Die einstige „Spin“-Chefin hatte in den vergangenen fünf Jahren dafür gesorgt, dass das 1996 gegründete Portal, das anfangs von einem rüpelhaften weißen Macker-Sound geprägt war, deutlich diverser wurde, sowohl was das Team als auch die Themenauswahl anging. Eine gute, wichtige Entwicklung, die nun den Condé-Nast Sparplänen zum Opfer fällt.

Das ist wirklich bitter, denn „Pitchfork“ nennt sich nicht ganz zu Unrecht „the most trusted voice in music“. Für Pop-Fans und -Journalist*innen gleichermaßen ist der Besuch auf dem Portal ein tägliches Ritual, das vor allem bei den Plattenkritiken eine maßgebliche Diskursstimme ist.

Was sagt „Pitchfork“ zum neuen Album von Drake, Beyoncé, Taylor Swift? Wie sind gehypte Newcomer-Debüts einzuschätzen? Auch für mich war die Meinung der US-Kolleg*innen immer eine Bereicherung und ich werde sie vermissen.

Dass die „Pitchfork“-Kritik im Rahmen von „GQ“ in vergleichbarer Breite und Tiefe weiterläuft, ist nicht zu erwarten. Und damit setzt sich der traurige Trend des Dahinschwindens des kritischen Popjournalismus fort, der sich in Deutschland etwa in der Einstellung der Magazine „Spex“ und „Intro“ manifestierte.

Da die Fachmedien aussterben, muss sich die Popkritik in Mainstream-Medien einen Platz suchen. Doch dort können sich in der täglichen Flut von Politik,- Sport- und Wirtschaftsmeldungen nur die großen Namen behaupten. Experimentelle Bands und schräge Sängerinnen werden es noch schwerer haben, Gehör zu finden – und noch stärker auf Social Media angewiesen sein. Der Algorithmus, bei dem jeder mit muss. Traurig, aber wohl nicht zu ändern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false