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Valeria Gordeev bei ihrer Bachmannpreis-Lesung am Donnerstagmittag.

© ORF

Bachmannpreis: Der Text ist die Party, und der Autor hat kein Messer

Mit Valeria Gordeev und ihrer Erzählung über einen Putzneurotiker gibt es schon am ersten Tag des Klagenfurter Wettlesens eine Favoritin auf einen der Preise.

Die Tage der deutschsprachigen Literatur, wie der Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb auch genannt wird, sind bekanntlich immer genauso die Tage der deutschsprachigen Literaturkritik.

Eine siebenköpfige Jury, größtenteils zusammengesetzt aus Kritikern und Kritikerinnen, diskutiert lange und ausdauernd die von den Autoren und Autorinnen vorgetragenen Romanauszüge, Erzählungen und manchmal auch Gedichte oder Prosagedichte, die hier wiederum alle immer nur „Text“ genannt werden, wie im germanistischen Proseminar.

Und sie diskutiert sie mit allem, was das literaturkritische Instrumentarium hergibt, auf hohem Niveau, aber auch unter Zuhilfenahme außerliterarischer und außerliteraturkritischer Bezüge.

So als beispielsweise Philipp Tingler an diesem ersten Lesetag des 47. Bachmann-Wettbewerbs konsterniert fragte, nachdem die 32-jährige Anna Gien aus Berlin ihre feministische Innerlichkeitsprosa vorgetragen hatte: „Wen interessiert das?“

„Wen interessiert das?“, fragte Philipp Tingler

Im Fall des 46-jährigen Jayrome C. Robinet, der den Wettbewerb mit dem Romanauszug „Sonne in Scherben“ eröffnete, meinte Klaus Kastberger, das „Package“ aus Autorenfilmchen, Vortrag und Text habe ihn überzeugt. Robinets Geschichte handelt von einer Familie, deren Tochter, die anfängliche Ich-Erzählerin, ihr Geschlecht angleichen lässt und beschließt, mit ihrer Freundin ein Kind zu bekommen. Für Kastberger alles eins, Autor und Erzähler, also Robinet, der selbst seit 13 Jahren ein trans Mann ist, und seine Figur.

Dabei vergaß er nicht zu erwähnen, was für ein „Unheil“ die scharfe Trennung von Autor und Erzähler in der Literaturtheorie angerichtet habe. Womit Kastberger sich im Grunde gegen die dreitäge Textexegese in Klagenfurt wandte.

Denn gerade am ersten Tag war auffällig, wie der Text alles ist, vor allem Subjekt, wie er dies macht und das lässt, wie er sich organisiert, mit Sprache umgeht etc, und wie die Autorin, der Autor wenig ist und erst lange danach kommt (und am Ende der Lesungen gnädig aufgefordert wird, ruhig etwas zur Diskussion zu sagen).

Um Literatur und wie konventionell diese sein kann ging es schon bei Robinet (Mara Delius fand „Sonne in Scherben“ bei der Thematik überraschend konventionell, was selbst etwas überraschend war: Warum soll eine trans-Personen-Story nicht konventionell erzählt sein?), und das setzte sich bei Andreas Stichmanns tatsächlich sehr konventioneller, aber keineswegs schlechter, handwerklich gut gemachter (für Kastberger eine Idee zu guter, zu perfekter), mit einigen Fallstricken versehener Ich-Erzählung eines mittelalten Mannes über sein Leben fort.

Begeisterung bei der gesamten Jury löste dann Valeria Gordeev mit ihrem dichten, genauen, zwar herausfordernden, thematisch aber nicht sooo übermäßig interessanten Text über einen Putzneurotiker aus. So lässt sich über diesen ersten Tag sagen: ein sehr ordentlicher bis guter.

Selbst bei Gien konnte man mit einer Traumsequenz in Form eines Thomas-Bernhard-Porträts seinen Spaß haben. Das Ranking also lautet: Gordeev vor Stichmann und Robinet, etwas abgeschlagen Gien.

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