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Erst mal anschreien, prügeln können wir uns immer noch. Szene aus Marie Jordans und Romy Weyrauchs Stück.

© David Baltzer

Das Gleiche immer lauter sagen: „Streiten“ im Theater in der Parkaue

Das Jugendtheater zeigt, wie Konflikte entstehen und wie man sie einhegt.

Wer will das Problem sein? Und wer ist schuld? Die Rollen müssen ja verteilt sein in einem Streit. Worum genau es dann geht, ist eigentlich egal. Die Muster gleichen sich, auch wenn jede und jeder die Auseinandersetzung vielleicht anders erlebt: „Streit ist wütend sein.“ „Streit ist ein trockener Mund.“ „Streit ist dein Blick, der mich straft.“ „Streit ist Liebe, Streit ist Hass.“

Im Theater an der Parkaue gehen vier Spielerinnen und Spieler auf der Bühne 3 in den emotionalen Nahkampf. Vincent Heppner, Salome Kießling, Ilona Raytman und Andrej von Sallwitz setzen sich mit einem Phänomen auseinander, das alle kennen, mit dem aber die wenigsten klarkommen. „Streiten“ heißt die Stückentwicklung für Menschen ab 12, erarbeitet haben sie Marie Jordan und Romy Weyrauch zusammen mit dem Ensemble, eingeflossen sind auch Interviews mit Schülerinnen und Schülern.

Die berichten, wie sie sich selbst im emotionalen Ausnahmezustand erleben („Beim Streiten kann ich schlecht nachgeben, also, ich kann mir nicht eingestehen, dass ich wirklich falsch liege“ – Asra, 14). Oder wie es zu Hause in Stresssituationen zugeht: „Also bei mir in der Familie ist es so, wir sagen uns immer das Gleiche und dann wird immer nur lauter das Gleiche gesagt, und das ist auch irgendwie lustig, aber irgendwann dann nicht mehr“ (Sophie, 14).

Genau davon zehren erfolgreiche Komödien und Tragödien seit Jahrhunderten. Wobei es auch erzählerische Einsprengsel gibt, die nachdenklicher stimmen. Wenn ein Mädchen zum Beispiel berichtet, dass seine Schule sich zwar stolz zum rassismusfreien Raum erklärt, aber die Klasse komplett gespalten sei: „Die eine Hälfte: AfD yeah! Die andere: AfD nee!“

Beabsichtigter Unfall

Schon zu Stückbeginn setzt ein von der Decke krachender Scheinwerfer den Ton – wirkt wie ein Unfall, ist aber beabsichtigt. Auch das soll’s ja beim Streiten geben. Auf der Bühne von Hanna Naske, wo zwischen verschieden drapierten Stoffbahnen selbst das Licht bisweilen in einen wütenden Farbwechsel-Clinch verfällt, spielen die vier Performerinnen und Performer in kurzweiligen, gut verdichteten 80 Minuten alle möglichen Aggregatzustände von Zank und Zwist durch.

Inklusive der großen Streitshow „Drama, Drama, Drama“ mit einfacher Regel: eine Auseinandersetzung muss vom Zaun gebrochen werden, „in der man sich verheddert, verknotet und verirrt wie in einem Labyrinth.“

Immer wieder gehen Heppner, Kießling, Raytman und Von Sallwitz auch in autofiktionale Momente, erinnern sich an eine Verabredung zur Prügelei auf der Toilette mit einem anderen Mädchen oder an Streitigkeiten mit den eigenen Eltern, zum Beispiel über die LGBTQ-Community, die der Vater „nicht normal“ findet. Wobei auch eine Elternperspektive Raum bekommt.

Therapie für den Nachwuchs

Da ist die Rede von einem Gefühl des Versagens, wenn es zum harten Wortgefecht mit den Kindern kommt, von Scham und der Überlegung, am besten schon mal das Geld für die spätere Therapie des Nachwuchses zur Seite zu legen.

Streit gehört zum Leben, daran lässt sich nicht rütteln. Genau deshalb ist die Überlegung, wie sich Meinungsverschiedenheiten halbwegs konstruktiv austragen lassen, wichtig. Das Stück von Jordan und Weyrauch gibt dazu gute Anstöße, ohne sich pädagogisch aufzuplustern. Es geht eher darum, sich mal selbst in Streitsituationen zu beobachten, die eigenen Muster zu hinterfragen.

Warum nicht mal sagen: Stopp, hier ist eine Grenze! Statt reflexartig in den Gegenangriff zu gehen und sich in den Wutrausch zu schrauben. Ach so, und noch ein Aspekt darf beim Themenkomplex „Streiten für Fortgeschrittene“ natürlich nicht fehlen und wird zu verschiedenen Popsongs durchgespielt. Die gar nicht so einfache Frage nämlich: Wie geht eigentlich Versöhnung?

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