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Rosemarie Trockel wurde 1952 in Schwerte geboren. Heute lebt sie in Köln und Berlin

© Foto: Oliver Berg/dpa

Die wichtigste deutsche Künstlerin: Rosemarie Trockel wird 70

In den achtziger Jahren erklärte sie Strick und Herdplatten zur Kunst. Damit stieg Rosemarie Trockel zur Künstlerin von Weltrang auf. Ein Glückwunsch

Von der Herdplatte zum Parfum: Was für eine Verwandlung im Werk von Rosemarie Trockel. Die enervierende Arbeit im Haushalt, die ihre frühen Bilder mit den Kreisen aus gusseisernen Platten symbolisierten, hat sie gegen ein luxuriöses, flüchtiges Produkt eingetauscht, die Frau in der Küche duftet plötzlich gut. Nach „einem Spaziergang durch den Wald, in dem sie Tieren begegnet“.

So beschreibt die Künstlerin den von ihr kreierten Duft, und man kann beruhigt sein. Trockel betreibt mit „RT“, das vergangenes Jahr von einem Kölner Sammler und Unternehmer lanciert wurde, keinen Ausverkauf ihrer Berühmtheit mit lizensierten Konsumprodukten. Vielmehr bleibt sie sich treu in der Fortschreibung eines Lebenswerks, das komplex, tiefgründig und immer auch ein bisschen von Ironie geprägt ist. Wie ihr Parfüm.

Als erste Frau gestaltete sie den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig

Zwischen den „Ofen“-Bildern, die längst Einzug ins Museum gehalten haben, und „RT“ liegen vier Jahrzehnte. Während dieser Zeit ist Rosemarie Trockel zu einer der wichtigsten Protagonistinnen im Kanon europäischer Kunstgeschichte geworden. Das war sie zwar immer, aber die Wahrnehmung ihres Werkes hat sich in dieser Zeit verändert.

Die Künstlerin, die jetzt ihren 70. Geburtstag feiert, hat Auszeichnungen wie den renommierten Wolfgang-Hahn-Preis (2004) oder den Goslarer Kunstpreis (2011) erhalten, an der Kasseler Documenta 1997 teilgenommen und zwei Jahre später an der Biennale in Venedig – als erste Frau im Deutschen Pavillon!

1999 war das. Man muss es erst einmal sacken lassen, um die Atmosphäre von damals zu erfassen. Vor diesem Hintergrund wirkten Trockels Herd- und Strickbilder wie ein spöttischer Kommentar zur männlich dominierten Kunstszene, die ohne jede Durchlässigkeit agierte. Dass Herdplatten wie Strickmuster auch das Serielle, Minimalistische der Konzeptkunst übernahmen und damit an die Diskurse einer künstlerischen Avantgarde anschlossen, fiel aber doch einigen auf.

Die Hamburger Kunsthalle etwa erwarb schon 1997 eine dreiteilige Wandarbeit aus kleinen, emaillierten Metallöfen. Und Monika Sprüth, heute eine maßgebliche Galeristin, nahm Trockel gleich bei Gründung ihrer Kölner Galerie ins Programm auf. Der Erfolg der Künstlerin, die aus Schwerte stammt, 1974 an den Kölner Werkkunstschulen studierte und bis 2016 in Düsseldorf an der Kunstakademie als Professorin gelehrt hat, gründet nicht zuletzt auf der Überzeugtheit und Zähigkeit des Duos, seinen Platz neben den Kollegen behaupten zu wollen.

Sprüth wie Trockel ist dies bravourös gelungen, und natürlich war da keine Ruhe, die Bilder aus Wolle selbst zu stricken. Eine Maschine hat der Künstlerin die Arbeit abgenommen und für die serielle immergleiche Qualität der Muster gesorgt. Daneben entstanden Werke in reiner Handarbeit, die ebenfalls charakteristisch für Trockel sind: durchtriebene Objekte von kleinster, reliquienhafter Ausstrahlung bis hin zur lebensgroßen Puppe, wie sie vor einigen Jahren im Entreé zum Kunstmuseum Bregenz in der großen Retrospektive „Märzoschnee und Wieborweh sand am Moargo niana me“ stand. Benannt nach einem Sprichwort aus Voralberg, mit dem die Künstlerin ihre Themen mehr verrätselt denn erklärt.

Auch das ist typisch. Die Ansätze zur Rezeption der Zeichnungen, collagierten Fotografien und in Gips oder Bronze gegossenen Objekte, zu denen Zungen und Herzen gehören, zerfleddern ähnlich schnell wie der Anfang eines Wollfadens, den man einmal zu oft aufdreht. Trockels intuitiver, intellektueller Ansatz lässt sich nicht einfach erschließen: Er schweift in viele Richtungen, beschwört die nahe Vergangenheit und verweist ganz selbstverständlich auf seine feministischen Ursprünge. Es ist aber eben ein freier, spielerischer Umgang. Wovon sonst erzählt ein Ausstellungstitel wie „Menopause“, den sie 2005 für ihre ebenfalls große Soloschau im Museum Ludwig Köln wählte?

Die Provokanz, mit der Trockel als weiblich geltende Themen aufgreift und absolut ernsthaft durcharbeitet, um sie am Ende doch ad absurdum zu führen, ist einzigartig. In Köln, wo sie bis heute im Wechsel mit Berlin lebt, installierte sie seinerzeit einen monumentalen weißen Vorhang, der teils mit roter Farbe getränkten war. Schneeweiß und Rosenrot, Unschuld und Blut, Reinheit versus Menstruation: Was ließe sich nicht alles zu diesem inszenierten Widerspruch sagen. Die hellen Fäden des Gewebes verteilte Rosemarie Trockel dann aber an einer Stelle wie Spaghetti auf einem Teller. So verbietet sie nicht nur dem Publikum jede einseitige, dem Los einer benachteiligten Künstlerin geschuldeten Interpretation. Sondern auch sich selbst.

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