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Kultur: Ein Sommertagstraum

Wo früher ein Schloss stand, wird heute Shakespeare gespielt. Ein Streifzug durch den Monbijoupark.

Die Wiese im Park, das ist ihr anzusehen, wird benutzt. Mancher heiße Grill hat den Rasen schwarz gestempelt. Die Mülleimer sind mit Aufklebern übersäht, und an sonnigen Tagen wird der Schatten unter den Bäumen zum Kinderwagenparkplatz. Und der ganze Park zum Lese- und Speisesaal.

Eingeklemmt zwischen Spree und Oranienburger Straße liegt er da, der Monbijoupark, der seinen Namen von einem Schloss hat, das dort gar nicht mehr steht. Die paar alten Kastanienbäume und die knorrigen Platanen haben Schloss Monbijou sicher noch gesehen. Es stand hier, eine kriegsbeschädigte Ruine, noch bis 1959. Dann beschloss der Magistrat von Ost-Berlin, den Knobelsdorff-Bau, in dem sich zuletzt das Hohenzollernmuseum befunden hatte, entgegen aller Proteste abzureißen. Fortan gab es noch ein Schloss weniger in der Stadt. Und eine Freifläche mehr.

Noch während des Krieges hatte es einen anderen Plan gegeben. Albert Speer wollte das Schmuckstück (mon bijou, französisch für „Mein Schmuckstück“), so wie es war, nach Charlottenburg, in den dortigen Schlosspark, versetzen lassen. Um so hier, gegenüber der Museumsinsel, Fläche für noch mehr Angeberbauten zu gewinnen. Der bekannte Ausgang das Krieges verhinderte das Vorhaben. Das Schloss blieb stehen und brannte trotz der schon im Jahr 1940 zugemauerten Fenster aus.

In den sechziger Jahren wurde in dem vom Schloss befreiten Garten das Kinderbad Monbijou erbaut, mit einem sehr flachen und einem weniger flachen Becken. Kopfsprünge vom Rand sind dort leider verboten. Es gibt keine Rutsche und keinen Sprungturm, trotzdem ist das Bad bei den entsprechenden Zielgruppen – Kindern und ihren Eltern – sehr beliebt. Die Kinder, die da planschen, planschen quasi im Rohmaterial eines expressionistischen Großstadtgedichts: über ihnen rollen S-Bahnen und ICEs auf dem Stadtbahnviadukt, Ausflugsdampfer ziehen auf der Spree vorbei, der Fernsehturm ragt groß ins Bild und Flugzeuge zeigen sich am Himmel. Die Zäune, die um das Kinderbad herumstehen, sind seit der Wiedereröffnung nach langer Renovierung höher und etwas schwieriger zu überklettern. Dies aus gutem Grund. Bis in die zweite Hälfte der neunziger Jahre war es ein beliebter Sport, hier sommernachts über den Zaun zu steigen, um zu schwimmen.

Mitten im Park und sympathisch unrenoviert liegt ein Gebäude, in dem sich Ateliers der Kunsthochschule Weißensee befinden. Farbtöpfe sind durch ein offenes Fenster zu sehen, die meisten Scheiben sind von innen milchig lasiert, um vor neugierigen, störenden Blicken zu schützen. Teile der Fassade sind, wie es scheint, von Studenten selbst rot angestrichen worden.

Auf dem Spielplatz hinter dem Bad, fast schon an der Spree, lassen sich die Veränderungen der Spielplatzbaukunst über die Systeme hinweg studieren. Aus DDR-Zeiten übrig geblieben ist ein monströser, bunkerähnlicher und mit kleinen Findlingen gespickter Beton-Höcker. Kinder können auf ihm herumklettern und auf einer Rutsche aus Zement herunterrutschen. Unter dem steinernen Kloß hindurch verläuft, nicht wirklich ein Fluchttunnelmodell, ein heute verschlossener Kriechgang. Eine Installation, die besorgten Eltern von heute kaum gefallen kann. Besorgte Eltern von heute sehen ihre Kinder lieber auf dem gleich daneben stehenden, aus einer privaten Spende finanzierten, bunten, grazilen, multifunktionalen Klettergerüst mit einem Hängebrückchen zwischen zwei Türmen und einer hosenbodenschonenden Metallrutsche herumturnen.

Am Fluss, genau da, wo einmal Tierversuchsbaracken der Charité standen, liegt heute die Strandbar Mitte, die eigentlich keine Strandbar mehr ist. Seit die neue, großzügige Uferpromenade angelegt wurde, ist aus der ehemaligen Strandbar, in der die Liegestühle tatsächlich auf Sand und direkt am Wasser standen, ein Café mit Marmortischchen und Oleandersträuchern in großen Kübeln geworden.

In den schon lange abgerissenen Baracken befand sich vor etwa zehn Jahren der Club Kunst und Technik, eine der improvisierten Bars, die anfangs nur mittwochs, später nur alle sechs Tage geöffnet hatte. Seither haben Landschaftsarchitekten das Gelände neu modelliert und eine breite Freitreppe angelegt, die ans Wasser führt. Ein kleiner Platz ist entstanden, der von den im Minutentakt vorbeirauschenden Ausflugsdampferrednern gut beschallt wird. Bemerkenswert gut passt das neu angebrachte, historistische Geländer auf der Ufermauer zur Fassade des Bodemuseums.

Am Rand des Parks, zur Monbijoustraße hin, stehen auf dem Dach eines ziegelverkleideten Flachbunkers zwei seltsam fremd anmutende Blockhäuser. Es handelt sich um alte, aus Polen stammende Holzbauten, die hier wieder zusammengesetzt wurden, um in ihnen Theater zu spielen und Märchen zu erzählen. Sie heißen Märchenhütten und sehen auch so aus, Hexen könnten in ihnen wohnen. Gleich daneben ist für diesen Sommer ein hölzernes Freilufttheater errichtet worden. Fast jeden Abend wird dort in den nächsten Wochen das für Freilufttheater geeignetste Stück überhaupt gespielt. Welches? Ja, richtig, Sommernachtstraum. Von Shakespeare. Was sonst.

Hunde sollten im Park nicht zu spät frei herumlaufen. Sonst könnte sich – unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich – wiederholen, was der 35-jährigen Grafikerin Kerstin V. hier am Abend des 8. Mai 2006 passierte. Ihr Hund Fritz fand damals, an einem Erdhaufen erst schnüffelnd, dann scharrend, eine mumifizierte Frauenleiche. Diese kam zutage, weil für die Neuanlage der Wege Erdreich bewegt worden war. Es handelte sich, wie später ermittelt wurde, um eine seit fünfzehn Jahren vermisste türkische Frau, die ihren Mann hatte verlassen wollen. Als hätten die Gartenarchitekten ihrer gedenken wollen, befindet sich ganz in der Nähe des Fundorts heute ein unmotiviert aus der Wiese ragender, wie ein Grabhügel anmutender kleiner Hügel. Vielleicht soll das aber auch nur ein Rodelhügel sein. Nicht weit davon plätschert ein neuer Brunnen: eine große, dunkle Metallschale, die beständig überläuft. Schöner lässt sich Überfluss nicht darstellen.

Im Rahmen der Monbijou-Festspiele hat am Dienstag, 15. Juli, Goldonis Komödie „Der Impresario von Smyrna“ auf dem am Kupfergraben vor Anker liegenden Theaterschiff MS Marie Premiere, 19. 30 Uhr. Informationen: www.hexenkessel-hoftheater.de

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