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Joe Chialo (CDU), Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, spricht während einer Pressekonferenz.

© dpa/Soeren Stache

Update

Erst vor einem Monat eingeführt: Berlin kippt Antidiskriminierungsklausel bei Fördermitteln

Die Entscheidung, Fördergelder in Berlin an ein Bekenntnis gegen Antisemitismus zu knüpfen, war auf viel Kritik gestoßen. Nun soll die Klausel überarbeitet werden.

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Die umstrittene Antidiskriminierungsklausel wird in der Berliner Kulturförderung vorerst nicht mehr zur Anwendung kommen. Dies gab der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses am Montag bekannt.

Erst Anfang Januar hatte Chialo verkündet, dass ein offizielles Bekenntnis gegen Diskriminierung und Antisemitismus auf Basis der IHRA-Definition ab sofort Voraussetzung für Kulturförderung sei, über eine zu unterzeichnende Klausel im Zuwendungsbescheid. Die Einführung der Klausel kam unerwartet und stieß sowohl in der Landespolitik als auch in der Kulturlandschaft – dort auch international – auf viel Kritik. Es folgten offene Briefe und Boykottaufrufe.

Wenn es berechtigte Zweifel gibt, dass die Klausel in dieser Form rechtssicher ist, dann ordne ich meinen politischen Willen der Rechtsstaatlichkeit unter.

Joe Chialo

Ebenso überraschend kommt nun die Kehrtwende nur wenige Wochen später. „Wir waren uns vor zwei Wochen schon völlig darin einig, dass der Antisemitismus, der in den letzten Monaten in Berlin und ganz Deutschland deutlich zutage getreten ist, ein gewaltiges und gesamtgesellschaftliches Problem ist und das insbesondere in der Kulturwelt“, erklärte Chialo zum Einstieg im Kulturausschuss. Über das Vorgehen dagegen sei man sich allerdings offensichtlich nicht einig gewesen und besonders der Vorwurf, sein Haus würde „mit der Antidiskriminierungsklausel die Kunst- und Meinungsfreiheit beschneiden“, habe ihn sehr beschäftigt.

Wie es weitergeht, ist noch unklar

Seine Entscheidung, die Klausel nun vorerst auszusetzen, begründete der Kultursenator dann in erster Linie mit Zweifeln an ihrer Rechtssicherheit: „Als Senator nehme ich die Argumente der Verfassungsrechtler sehr ernst. In meinem Handeln bin ich immer der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. (…) wenn es also berechtigte Zweifel gibt, dass die Klausel in dieser Form rechtssicher ist, dann ordne ich meinen politischen Willen der Rechtsstaatlichkeit unter“. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Klausel dürften keine Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit aufkommen lassen. Das Ziel einer diskriminierungsfreien Kultur bleibe selbstverständlich dennoch bestehen.

Auf Fragen von Politikern der anderen Parteien, wie es mit der Klausel nun weitergehe, antwortete Chialo eher schwammig. Man arbeite „intensiv an Austauschformaten“, sowohl von parteiübergreifenden Arbeitsgruppen als auch von einer Arbeitsebene zwischen den Behörden war die Rede. Bildung und Wissenschaft seien ja gleichermaßen betroffen.

So reagiert die Politik

Insgesamt stieß Chialos Ankündigung trotzdem erst einmal auf breite Erleichterung. Daniel Wesener, Sprecher für Kulturfinanzierung von den Grünen, sprach dem Kultursenator explizit ein Lob aus. Angesichts der mangelnden Fehlerkultur in der Berufspolitik rechne er ihm das Moratorium hoch an: „Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Signal, dafür will ich mich bei Ihnen bedanken.“ Auch Daniela Billig von den Grünen gab ihrer Erleichterung Ausdruck, dass die Parlamentarier sich nun nicht mehr gezwungen sähen, gegen Chialos konkretes Instrument eines in der Sache richtigen und wichtigen Anliegens vorgehen zu müssen.

Manuela Schmidt von der Linken zollte Chialo ebenfalls Respekt und forderte für das weitere Vorgehen die Einbeziehung der Kulturschaffenden und -institutionen. Viele von ihnen hätten gute Erfahrungen gerade auch bei der Arbeit mit multikulturellen Ensembles gemacht. 

SPD, Grüne und Linke drängten bei der ausführlichen Aussprache im Kulturausschuss gleichermaßen auf Informationen zum genaueren Zeitrahmen und zu den Formaten des von Chialo in Aussicht gestellten partizipativen Dialogverfahrens. Der Kultursenator versicherte, dass bereits Gespräche mit den Berliner Kulturschaffenden stattgefunden haben und stattfinden – als Beispiele nannte er den BE-Intendanten Oliver Reese, die Schaubühne und die Sophiensäle. Und er sagte ein zügiges Verfahren zu, an dessen Ende ein gemeinsames Gesetz stehen müsse.

Die Sorge sei groß: Es könne nicht sein, dass Jüdinnen und Juden in Berlin sich nicht mehr angstfrei bewegen können, da stimmten ihm die anderen Parteien zu. Deshalb könne es erst recht nicht sein, so Joe Chialo, dass das Landeskonzept gegen Diskriminierung von 2019 jetzt noch länger auf Konkretion wartet. Fünf Jahre seien bereits vergangen. Die Antwort auf die Frage der Grünen, in welche Richtung es denn bei dem Rechtsgutachten gehe, das Chialos Behörde intern bereits vorliege, blieb er allerdings schuldig.

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