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Doppelgänger auf zwei Etagen: Verführung mit Folgen auf der Bühne der Komischen Oper Berlin.

© Monika Rittershaus

Flachgelegt auf der Küchenzeile: Serebrennikov inszeniert „Così fan tutte“

Auftakt zu einem neuen Da-Ponte-Zyklus: Kirill Serebrennikov inszeniert Mozarts „Così fan tutte“ an der Komischen Oper Berlin.

Von einem „Triumph der Kunst“ sprach man nach der Premiere von Kirill Serebrennikovs „Così fan tutte“ am Opernhaus Zürich. Da war im Jahr 2018, und der Regisseur stand in Moskau unter Hausarrest. Das willkürliche Verfahren, das die russische Justiz gegen den Leiter des Gogol-Theaters führte, sollte einen unbequemen Künstler zum Schweigen bringen.

Doch es gelang, die „Così“-Inszenierung zu retten, sein Anwalt leitete Videos mit Probenmitschnitten und Anmerkungen des Regisseurs weiter. Allein mit dem Klavierauszug der Oper entdeckte Serebrennikov in Mozart einen Freund, während er von der Welt abgeschnitten war.

Serebrennikov startet einen Mozart-Zyklus

Nun kommt diese aus der Entfernung geborene Inszenierung an die Komische Oper Berlin, wo sie den Auftakt zu einem neuen Zyklus von Mozarts Da-Ponte-Opern bildet. Serebrennikov, der seit fast einem Jahr in Berlin lebt, soll ihn in den nächsten Spielzeiten erarbeiten. Er sehe sich nicht als Exilant, betont der Regisseur, der nicht darauf reduziert werden will, aus einem Russland zu stammen, das begleitet vom Lärm nationalistischer Propaganda Krieg gegen den Nachbarn Ukraine führt.

Die Verherrlichung des Militärs begegnet einem auch in Mozarts „Così“, wo der Kriegszug als willkommene Abwechslung für junge Männer erscheint, Reisetätigkeit und Amüsement inklusive. „Das Soldatenleben ist nicht schlecht“, singt der Chor irgendwo hinter der Bühne.

Serebrennikov, der sonst vor kaum einem Scherz zurückschreckt, macht hier ernst: Er arrangiert für Guglielmo und Ferrando, die ihre Verlobten Fiordiligi und Dorabella auf eine Treueprobe stellen wollen, ein Soldatenbegräbnis samt Grabschmuck und Urnenübergabe. Von nun an greifen die jungen Frauen, wenn sie allzu heißes Vermissen quält, in die kalte Asche.

Verführung durch durchtrainierte Doppelgänger

Die „Così“-Dramaturgie, nach der Fiordiligi und Dorabella ihre verkleideten Verlobten und deren makabres Spiel nicht erkennen, deutet Serebrennikov verblüffend um: Als Verführer schickt er zwei durchtrainierte stumme Kerle auf die Bühne, deren Erfolge Guglielmo und Ferrando mitansehen müssen.

Auf der Reise von jugendlicher Gewissheit in die Ambivalenz des Erwachsenseins wird keine Station ausgelassen. Sie beginnt im Gym, wo einzig Don Alfonso (aufgeraut: Günter Papendell) im Kreis munterer Selbstoptimierer mit seinem Alkohol- und Nikotinkonsum auffällt. Dass der Mann echt ein Problem hat, wird sein Chatverlauf zeigen.

Die Frauen gehen immerzu shoppen und kommen beim dritten Kleiderwechsel auf offener Bühne auf die Idee, dass man ja auch Männer wechseln könnte. Die brechen als Scheichs verkleidet in ihr Leben, schalten erstmal Fußball in Fernsehen an, danach ist der Kühlschrank fällig, schließlich werden Fiordiligi und Dorabella auf der Küchenzeile flachgelegt.

Stufen der Besitzergreifung, gegen die anscheinend kein Kraut gewachsen ist. Da kann Despina (beherzt: Alma Sadé) noch so sehr Frauenpower beschwören, im Grunde landet bei Serebrennikov alles erstmal im Schredder, egal ob bloßes Ego oder schon beginnendes Bewusstsein.

Don Giovanni und der Tod lassen grüßen

Bleibt die Musik als Zufluchtsort. Die junge Dirigentin Katharina Müllner lässt viel Liebe zu einem lichten Mozart-Klang erkennen, auch wenn die Balance und der Kontakt zu den Sänger:innen im doppelstöckigen, wenig akustikfreundlichen Bühnenbild eine Herausforderung bleibt. Nadja Mchantaf singt eine berührend-kämpferische Fiordiligi, die in einer jugendlich-stimmigen Besetzung mit Susan Zarrabi (Dorabella), Hubert Zapiór (Guglielmo) und Caspar Singh (Ferrando) umgeben ist.

Am Ende deutet sich mit einem Einsprengsel der „Don Giovanni“-Ouvertüre der Tod an, der nach Serebrennikovs Willen beim „Figaro“ mehr Raum einnehmen soll. Es wird ungemütlich an der Komischen Oper, die bald in ihre Umbauphase eintritt.

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