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Der österreichische Künstler Günter Brus 2016 in seiner Ausstellung „Störungszonen“ im Martin-Gropius-Bau in Berlin.

© dpa/Michael Kappeler

Zerreißen, stören, malen: Der große österreichische Künstler Günter Brus ist tot

Berühmt wurde Günter Brus 1968 mit einer sogenannten Uni-Ferkelei und dem Wiener Aktionismus. Sein Werk aber besteht aus zehntausenden von Zeichnungen und Bild-Dichtungen. Ein Nachruf.

Als Günter Brus sich am 7. Juni 1968 in studentisch und auch sonst bewegten Zeiten mit Künstlerfreunden auf den Weg zur Wiener Universität machte, da ahnte er naturgemäß noch nicht, dass ihn die dort geplante Aktion ein Leben lang begleiten sollte.

„Kunst und Revolution“ war die Aktion überschrieben. Brus schnitt sich in einem Hörsaal in Brust und Oberschenkel, defäkierte und onanierte auf der Bühne und sang dabei die österreichische Nationalhymne. Dafür wurde er in Wien zu „verschärftem Arrest“ verurteilt, wegen „Herabwürdigung der österreichischen Staatssymbole“ sowie „Verletzung der Sittlichkeit und Schamhaftigkeit“.

Wiener Aktionismus at its best, als „Uni-Ferkelei“ in die Geschichte gegangen. Brus, der 1938 in der Obersteiermark geboren wurde, hatte schon 1964 mit Kollegen wie Otto Mühl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler die Wiener-Aktionismus-Gruppe gegründet. Brutal und öffentlichkeitswirksam widersetzte sie sich dem gängigen Verständnis von Kunst und brachte den eigenen Körper mit ins Kunst -, Zeichen- und Revolutionsspiel.

Brus bemalte bei seiner ersten Performance 1964 komplett den eigenen Körper, und ein Jahr später teilte er auf dem sogenannten Wiener Spaziergang seinen nackten Leib lediglich durch einen schwarzen Strich in zwei Hälften und machte sich so vom Heldenplatz auf den Weg zum Stephansdom. Die Polizei griff ihn auf und verurteilte ihn wegen Störung der öffentlichen Ordnung zu einer Geldstrafe.

Nachdem er nach eben jener Aktion an der Wiener Universität abermals verurteilt worden war, flüchtete Brus mit Frau und Kind 1969 nach West-Berlin, wo er bis Ende siebziger Jahre blieb und sich nach und nach von seinen aktionistischen Arbeiten emanzipierte.

Tatsächlich war die „Zerreißprobe“, die er 1970 in München unternahm, nicht nur die letzte dieser künstlerischen Aktionen, sondern als solche nicht mehr steigerbar. Die Selbstverletzungen waren an die Grenzen des Möglichen gelangt und hatten auch an Aussagekraft eingebüßt. Der Körper ein Schlachtfeld, davon wusste letzten Endes jeder Fabrikarbeiter und jede Landarbeiterin ein authentischeres Lied zu singen.

In Graz gibt es ein Bruseum

Brus begann in Folge den Wiener Aktionismus zeichnerisch und literarisch aufzuarbeiten, schrieb und malte den Roman „Irrwisch“, der 1972 bei der documenta 5 in Kassel ausgestellt wurde, gründete einen Verlag (Das Hohe Gebrechen) und publizierte Prosa, Bild-Dichtungen und Zeichnungsfolgen. Rund 60.000 Zeichnungen und knapp tausend Bild-Dichtungen gehören zu seinem Werk, in dem nicht zuletzt viel Expressionismus, Jugendstil und Gustav Klimt steckt.

Auch sein Heimatland schloss mit dem lange Zeit Vielgehassten Frieden: Brus erhielt 1997 den Großen Österreichischen Staatspreis, 2003 widmete ihm die Albertina in Wien eine Retrospektive, 2004 wurde er mit dem Kokoschka-Preis ausgezeichnet. Seit 2011 gibt es im Grazer Joanneum ein „Bruseum“ mit Räumen, in denen sein Werk dauerhaft ausgestellt wird. Nun ist Günter Brus am Samstag im Alter von 85 Jahren in Wien gestorben.

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