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Katja Eichinger: "Amerikanisches Solo".

© promo

Katja Eichingers Thrillerdebüt „Amerikanisches Solo“: Gift und Gier

In ihrem ersten Roman "Amerikanisches Solo" greift Katja Eichingers das auf, was ihren Mann Bernd bis zu seinem Tod beschäftigte: den Fall Natascha Kampusch.

Harry Cubs hat diesen einen Hit gelandet, von dem jeder Musiker träumt. Anfang 20 war er, ein junger, dazu noch weißer Jazz-Saxophonist aus Chicago, als sein Stück „The American Dream“ zum Protestsong gegen die Ära Reagan wurde. 30 Jahre später lebt der Held von Katja Eichingers Romandebüt „Amerikanisches Solo“ in Los Angeles, inmitten der ihm verhassten High Society. Noch immer spielt er umjubelte Konzerte und wettert dabei gegen Rassismus, Sexismus und Gier, die Auftritte geraten zu wütenden Moralpredigten. Auf der Bühne fühlt er sich wohl, dort wird er gefeiert. Privat aber lebt er zurückgezogen, in einer Art Hochsicherheitstrakt, mit einem Panic Room im Keller.

Eichinger zeichnet Cubs als einsamen Wolf, abgehärtet, zugleich verletzlich. Dabei so amerikanisch lässig wie Bruce Springsteen zu seinen allerlässigsten Zeiten. Eichingers Sprache ist ähnlich breitbeinig wie ihr Protagonist. Manche Sätze klingen wie mit schiefem Mund dahingebellt: „Dies war der Moment, in dem Harry Cubs zeigen konnte, wer er wirklich war.“ Oder: „Er war Harry Cubs. Er wusste, wann er gebraucht wurde.“

Die erste Hälfte ihres kleinen Romans verwendet Eichinger auf das Porträt ihres Helden. Cubs fährt in Los Angeles umher, sitzt in Restaurants, kauft ein. Man könnte das „noir“ nennen, vor allem ist es lähmend langweilig. Doch dann nimmt der Roman Fahrt auf. Die neue Nachbarin Mona („ihr Haar war lang und strömte wie eine Welle aus dunklem Gold über ihre Schultern“) ist ganz nach Cubs’ Geschmack, ihre Ehe mit einem wesentlich älteren Mann naturgemäß ein Störfaktor.

Bald landet sie auf Cubs’ Anwesen. Ein Blick in den Panic Room, die Tür schlägt hinter ihr zu, Bolzen rasten ein. Plötzlich hat der Roman ein brisantes Thema. Eichinger greift auf, was ihren Ehemann bis zu seinem Tod 2011 beschäftigte. Bernd Eichinger hatte am Drehbuch über den Fall der entführten Natascha Kampusch gearbeitet, der daraus entstandene Film „3096 Tage“ kam 2013 in die Kinos.

Cubs lenken die Triebe, „das Gift“. Doch noch stärker leitet ihn die Überzeugung, die von ihm verehrte Frau aus ihrem vermeintlich falschen Leben befreien zu müssen. „Messias-Komplex“ nennt sich diese übersteigerte Form des Helfersyndroms. Das Machtspiel zwischen männlichem Täter und weiblichem Entführungsoper steht im Zentrum der zweiten, stärkeren Hälfte von „Amerikanisches Solo“. Um langsam wachsendes Vertrauen geht es, um Annäherung unter dem Vorzeichen einseitiger Abhängigkeit. Erzählt zwar nicht in der Ich-Perspektive, aber aus Tätersicht. Nur halten die Dialoge mit der Abgründigkeit des Geschehens kaum Schritt. Oft klingt es, als würden sich zwei Teenager unterhalten. Eichingers Roman fehlt es letztlich an der wünschenswerten Dringlichkeit. Die Atmosphäre verharrt im Ungefähren, und aus den von Cubs so verehrten Giftschlangen werden gefühlte Blindschleichen.

Katja Eichinger: Amerikanisches Solo. Roman. Metrolit, Berlin 2014. 256 Seiten, 19,90 €.

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