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© IMAGO/Gonzales Photo

„Hört einfach etwas anderes“: Was andere Bands und Musiker zum Rammstein-Skandal sagen

Nach den Vorwürfen gegen Sänger Till Lindemann melden sich nun auch Bands zu Wort. Der Machtmissbrauch in der Musikbranche rückt in den Fokus.

Der KiWi-Verlag hat die Zusammenarbeit mit Rammstein-Frontsänger Till Lindemann beendet, das Musiklabel Universal hat sich von der Band distanziert. Nun melden sich auch Musikerkollegen in der Rammstein-Debatte zu Wort.

Jan Müller, Bassist bei Tocotronic, wirft der Band in seiner „Reflektor“-Kolumne im Magazin „Musikexpress“ Haltungslosigkeit vor. „Songtexte und Shows, die immer eine ironische Hintertür offenlassen, machen diese Band trotz aller zur Schau gestellter Muskelprotzigkeit zu einer haltungslosen Puddingmasse“, schreibt Müller.

Es gehe ihm nicht um eine Bewertung der aktuellen Vorwürfe gegen die Band und ihren Sänger, stellt der Musiker klar. „Ich frage mich vielmehr, wie es geschehen konnte, dass dieses Produkt über all die Jahre so viel Anerkennung erfahren konnte.“

„Warum hat der renommierte Verlag Kiepenheuer und Witsch das Vergewaltigungsgedicht des Sängers veröffentlicht? Warum hat die Drogeriekette Rossmann nicht der Band empfohlen, ihr Parfum lieber in einem Sex-Shop zu vermarkten? Warum hat die Plattenfirma Universal keinen Anstoß an den sadistischen Texten genommen? Warum ist erlaubt, was gefällt?“

Die Band ist nichts weiter als eine Werbeagentur für sich selbst.

Tocotronic-Bassist Jan Müller über Rammstein

Müller zufolge fehle der Band „jegliches Gefühl für das, was ihre Geschmacklosigkeiten mit kommerziellem Hintersinn bei Menschen anrichten können, für die im Leben eben nicht nur alles ein Witz ist bzw. war“. Er bezeichnet Rammstein als „nichts weiter als eine Werbeagentur für sich selbst; bewaffnet mit riesigen Verstärkern und Pyrotechnik“.

Am Ende empfiehlt der Musiker: „Hört einfach etwas anderes. Es gibt so viel wundervolle Musik von anständigen Menschen.“

Ein dicker Elefant namens Machtmissbrauch steht derzeit im Raum.

Statement der Band Donots zur Rammstein-Debatte

Auch die Bands Donots und Madsen äußerten sich zu den Vorwürfen gegen Rammstein und veröffentlichten Statements auf Facebook gegen Machtmissbrauch in der Musikbranche. „Ein dicker Elefant namens Machtmissbrauch steht derzeit im Raum. Eine öffentliche Debatte, die längst überfällig war“, schreiben die Donots.

Die Band hoffe, „dass sich weitere Künstler:innen offen mit den Opfern von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt solidarisieren“. „Wir alle (und ganz besonders Männer seien hier explizit genannt) können ganz aktiv in der eigenen Bubble daran arbeiten, dass die verklärte Romantisierung von ,Sex, Drugs and Rock’n’Roll’ bitte endlich ausgedient hat. So schwierig ist das nicht.“

Madsen bezog auf Facebook ebenfalls deutlich Stellung: „Wir verabscheuen jegliche Art von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Menschen, die diesbezüglich unverantwortlich handeln, gehören nicht auf die Bühne.“

Am Donnerstag hatte das Plattenlabel Universal in einem Statement erklärt, die Zusammenarbeit mit Rammstein vorläufig auszusetzen. Die Werbung für die Aufnahmen der Band seien bis auf Weiteres eingestellt worden.

Shelby Lynn schrieb dazu bei Twitter: „Vielleicht weine ich, wieder!“ Die Irin hatte als erste Frau Vorwürfe gegen Till Lindemann erhoben und die Debatte um die Band ins Rollen gebracht. Ihren Beschreibungen zufolge kam es Backstage zu einer Auseinandersetzung zwischen ihr und dem Sänger. Lindemann soll wütend geworden sein, weil sie Sex mit ihm abgelehnt hätte.

Nach Lynn erhoben weitere Frauen, teilweise anonym, Vorwürfe gegen Lindemann. Sie schilderten Situationen, die sie teils als beängstigend empfunden hätten. So sollen junge Frauen während Konzerten ausgewählt und gefragt worden sein, ob sie zur Aftershowparty kommen wollten. Den Schilderungen einiger Frauen zufolge soll es dabei auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein.

In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder von K.-o.-Tropfen gesprochen. So berichtete Lynn von Erinnerungslücken, nach dem Konzert habe sie Blutergüsse an ihrem Körper entdeckt. „Ich bin fast hundertprozentig sicher, dass ich Drogen bekommen habe, weil ich mich noch nie so gefühlt habe“, sagte sie.

Lindemann wies die Vorwürfe gegen ihn zurück. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. (chf)

Ergänzung: Mittlerweile wurde das im Text erwähnte Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachtes nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

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